Berichterstattung über extremistischen Chatverlauf: Hohe Anforderungen an die Prüfung der Zuverlässigkeit einer Quelle
OLG Frankfurt a.M. v. 27.3.2025 - 16 U 9/23Der Kläger wendet sich gegen die Berichterstattung der Beklagten in zwei Artikeln aus dem Jahr 2018. In den Artikeln finden sich Zitate aus Chatprotokollen auf Facebook mit rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Aussagen. Die Beklagten stützen diese Berichterstattung auf eine sog. html-Datei, die sie ihren Angaben nach von einem Hacker erhalten haben. Die Beklagten schreiben diese Chat-Inhalte dem namentlich benannten Kläger zu.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassen in Anspruch und behauptet, diese Aussagen nicht getätigt zu haben. Das LG gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Zeugeneinvernahme zu einem geringen Teil statt und wies sie im Übrigen ab.
Auf die Berufung des Klägers hat der Pressesenat des OLG der Klage weitgehend stattgegeben. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.
Die Gründe:
Der Kläger kann sich auf einen Unterlassungsanspruch stützen. Die angegriffenen und im Indikativ stehenden Aussagen versteht der Leser als feststehende Tatsache. Die Zuschreibung von Zitaten zu einer Person stellt eine Tatsachenbehauptung dar. Da es sich hier um nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen bzw. Meinungsäußerungen handelt, greift die Berichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.
Die Beklagten haben nicht nachweisen können, dass die Chatbeiträge authentisch sind, d.h. tatsächlich vom Kläger stammen. Der Beweiswert des nicht signierten privaten elektronischen Dokuments in Form der html-Datei ist frei zu würdigen. Die Datei ist gemäß den Angaben des Sachverständigen nicht fälschungssicher, sondern kann nachträglich beliebig von einem Editor geändert werden. Die Beklagten haben keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass an der Datei keine Manipulationen vorgenommen wurden. Richtig ist zwar, dass die Beklagten ihre Informanten nicht nennen müssen. Sie müssen dann aber so viele Einzelfallumstände offenlegen, dass ein Rückschluss auf die Verlässlichkeit des Informanten und der Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Information gezogen werden kann. Daran fehlt es hier.
Die von der Autorin der Artikel bei ihrer Anhörung gemachten Angaben zu ihrer Quelle sind hier nicht ausreichend, um die Zuverlässigkeit der Quelle beurteilen zu können. Die Autorin hat sich lediglich allgemein geäußert. Aus welchem Anlass die Quelle die Datei erstellt und den Beklagten zugespielt hat, ist unklar geblieben. Die Antworten waren insgesamt unbestimmt und zurückhaltend.
Zu berücksichtigen ist, dass hier erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Zuverlässigkeit der Quelle gelten, da die Datei durch eine Straftat durch einen Hacker erlangt wurde, deren Begehung eine gewisse kriminelle Energie erfordert. Die Beklagten haben nicht dargelegt, wie sie sich Gewissheit über die Identität ihrer Informanten verschafft haben. Über welche konkrete Qualifikation bzw. welches Fachwissen der von den Beklagten hinzugezogene Computerexperte verfügte, blieb ebenfalls unklar. Die Angaben der Autorin enthalten zudem Unstimmigkeiten.
Beratermodul Medienrecht:
Rechtssicherheit und Kompetenz mit dem Beratermodul Medienrecht. Für alle Fragen rund um die Recherche und Berichterstattung in Presse, Funk und neuen Medien. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!