14.03.2017

Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Sicherungsnehmers gegen den Aktionär

Bei der Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Sicherungsnehmers gegen den Aktionär durch die Aktiengesellschaft mit einer dinglichen Sicherheit ist der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3 AktG der Freistellungsanspruch gegen den Aktionär. Dieser ist vollwertig, wenn nach einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung im Zeitpunkt der Besicherung ein Forderungsausfall für den Darlehensrückzahlungsanspruch unwahrscheinlich ist.

BGH 10.1.2017, II ZR 94/15
Der Sachverhalt:
Die Beklagten waren Vorstandsmitglieder der T-AG (Schuldnerin), über deren Vermögen im Jahr 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger ist seit 2011 deren Insolvenzverwalter. Vor dem Börsengang der Schuldnerin im Jahr 1998 bot sie ihren Mitarbeitern sowie 240 ausgewählten Handelsvertretern des Vertriebsunternehmens T-Vertriebs-GmbH die bevorrechtigte Zeichnung von Aktien an. Zahlreiche Interessenten hatten weder genügend Eigenkapital für den Kauf von Aktien noch konnten sie die für eine Fremdfinanzierung erforderliche bankübliche Sicherheit stellen.

Die D-Bank AG, Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers, gewährte 264 Aktienerwerbern im August 1998 Darlehen zur Finanzierung der jeweiligen Kaufpreise i.H.v. insgesamt 8,2 Mio. DM gegen Verpfändung der Aktien. Im Gegenzug verpfändeten die Beklagten zur Besicherung dieser Darlehen Kontoguthaben einer von ihnen beherrschten Aktionärin der Schuldnerin, der H-AG & Co. KG. Etwa die Hälfte der Kreditnehmer wollte die Aktien nach Fälligkeit der Darlehen Ende Januar 1999 weiter behalten und die Finanzierung um ein halbes Jahr verlängern. Die Beklagten erklärten dazu gegenüber der Nebenintervenientin, dass die Schuldnerin nun selbst die Sicherheit stellen werde. Die Nebenintervenientin verlängerte daraufhin die Darlehensgewährung für 136 Kreditnehmer bis Ende Juni 1999.

Die Beklagten verpfändeten in Vertretung der Schuldnerin im Mai 1999 zu deren Vermögen gehörende Kontoguthaben als Sicherheit gegen Freigabe der von der H-AG & Co. KG gestellten Sicherheiten. Die Nebenintervenientin forderte im April 2001 nach Kursverlusten die noch verbliebenen Kreditnehmer zur Darlehensrückzahlung auf und befriedigte sich im Mai 2001 wegen der von ihr auf rd. 1,4 Mio. € bezifferten Außenstände aus der im Mai 1999 gestellten Sicherheit. Der Kläger verlangt mit der Begründung, die Bestellung einer Sicherheit durch die Schuldnerin habe gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, von den Beklagten als Gesamtschuldnern Zahlung i.H.v. rd. 1,15 Mio. € nebst Zinsen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr, nachdem der Kläger zuletzt noch Zahlung von rd. 810.000 € nebst Zinsen verlangt hat, - nach einem mit dem Beklagten zu 1) geschlossenen Vergleich - gegenüber dem Beklagten zu 2) statt. Die Revision des Beklagten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Gründe:
Das OLG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2) der Schuldnerin wegen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr zum Ersatz verpflichtet ist, § 93 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 AktG.

Das OLG ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass in der Besicherung der von den Aktionären verlängerten Darlehen durch die Verpfändung von Kontoguthaben der Schuldnerin eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG liegt, weil den Aktionären die erforderliche Bonität fehlte und sie bei der Bestellung der Sicherheit voraussichtlich nicht in der Lage waren, die Darlehensrückzahlungsansprüche zu bedienen. Bei der Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Sicherungsnehmers gegen den Aktionär durch die Aktiengesellschaft mit einer dinglichen Sicherheit ist der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3 AktG der Freistellungsanspruch gegen den Aktionär. Dieser ist vollwertig, wenn nach einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung im Zeitpunkt der Besicherung ein Forderungsausfall für den Darlehensrückzahlungsanspruch unwahrscheinlich ist.

Von diesen Grundsätzen ist das OLG ausgegangen. Es hat zwar nicht jeden Mitarbeiter oder Handelsvertreter als Darlehensnehmer einzeln betrachtet, sondern die Bonität der Darlehensnehmer typisierend beurteilt. Dagegen erinnert die Revision aber nichts, und angesichts der Typengleichheit der Geschäfte bestehen dagegen auch revisionsrechtlich keine Bedenken. Das OLG hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Darlehensnehmer auf Fremdmittel angewiesen waren, weil ihnen der Aktienerwerb mit eigenen Mitteln nicht möglich gewesen wäre, und dass sie auch nicht vorrangige eigene bankübliche Sicherheiten stellen konnten.

Die Besicherung war auch nicht nach § 57 Abs. 1 S. 2 AktG i.V.m. § 71a Abs.1 S. 2 Halbs. 1 AktG erlaubt. Nach § 57 Abs. 1 S. 2 AktG gilt die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien nicht als Rückgewähr. Damit nimmt das Gesetz Bezug auf einen nach § 71 AktG zu-lässigen Erwerb eigener Aktien. Entsprechend der Zahlung zum Erwerb eigener Aktien erfasst die Privilegierung nach ihrem Sinn und Zweck auch die Besicherung des Erwerbs eigener Aktien durch Dritte gem. § 71a Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 AktG, wenn die Besicherung einer Einlagenrückgewähr i.S.v. § 57 Abs. 1 AktG entspricht. Zutreffend hat das OLG eine Besicherung zum Zweck des Erwerbs von Aktien verneint. Die Privilegierung nach § 71a Abs. 1 S. 2 AktG setzt voraus, dass zum Zwecke des Erwerbs von Belegschaftsaktien eine Sicherheit geleistet wird. Damit knüpft § 71a Abs. 1 S. 2 AktG an die verbotene Besicherung nach Satz 1 an, die ebenfalls eine Besicherung zum Zweck des Erwerbs von Aktien voraussetzt.

Voraussetzung des erforderlichen Zusammenhangs der Besicherung mit dem Erwerb der Aktien ist, dass die Leistung der Gesellschaft objektiv dem Aktienerwerb dient, die Parteien des Finanzierungsgeschäfts dies wissen und die Zweckverknüpfung rechtsgeschäftlich zum Inhalt ihrer Vereinbarung machen. Eine solche Abrede mag bei objektivem Sachzusammenhang und zeitlicher Nähe von Aktienerwerb und Finanzierungsgeschäft zu vermuten sein. Allein dass die Finanzierungshilfe in irgendeiner Weise dem "Behalt" der Aktien dient, genügt dazu aber nicht, weil die Unterstützung eines zahlungsschwachen Aktionärs, der ansonsten seine Anteile verkaufen müsste, nicht mehr im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien steht.

Daran gemessen hat das OLG ohne Rechtsfehler den Zusammenhang abgelehnt, weil die Leistung der Gesellschaft nicht mehr objektiv dem Erwerb diente. Im ursprünglichen Erwerbsplan war nicht vorgesehen, die Anfangsfinanzierung nur als Zwischenfinanzierung anzusehen und danach eine Anschlussfinanzierung durch die Gesellschaft vorzunehmen. Nach den Feststellungen des OLG war das Konzept nicht, dauerhaft Mitarbeiter mit Belegschaftsaktien zu binden, sondern ihnen mit tilgungsfreien Darlehen zu ermöglichen, an erhofften starken Wertsteigerungen in der Anfangsphase teilzuhaben. Eine über die Laufzeit der Erstkredite hinausreichende Perspektive bestand nicht, und eine weitere Finanzierungshilfe war nicht vom Plan der Besicherung des Aktienerwerbs umfasst.

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