Beweislast bei öffentlicher Zugänglichmachung im Rahmen einer Instagram-Story
LG Köln v. 19.5.2023 - 14 O 401/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten um urheberrechtliche Ansprüche aus der Einstellung eines Fotos ins Internet. Die Klägerin ist ein Unternehmen, das unter der Bezeichnung "K. A." insbesondere im Bereich Fashion, Jewellery, Cosmetics und Foodtrends tätig ist. Die Beklagte ist ein Naturkosmetikunternehmen, das auf M. einen Account mit ca. 3178 Followern betreibt. Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben vom 30.7.2021 wegen Urheberrechtsverletzung abmahnen und u.a. zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 9.8.2021 auffordern. Die Beklagte ließ die Abmahnung fristgerecht zurückweisen, machte ihrerseits einen Gegenanspruch auf Kostenerstattung wegen unberechtigter Abmahnung geltend und forderte zur Zahlung innerhalb einer Frist bis zum 18.8.2021 auf.
Die Klägerin erwirkte am 23.8.2021 eine einstweilige Verfügung der Kammer (Az.: 14 O 296/21), mit welcher der Beklagten verboten wurde, eine bestimmte Fotografie ohne Zustimmung der Antragstellerin zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche im Hauptverfahren weiter. Sie behauptete, die Beklagte habe am 21.7.2021 den streitgegenständlichen Werbepost als Story über M. "Gesponsert" öffentlich zugänglich gemacht. Wie auf Seiten der Beklagten diese unerlaubte Nutzung tatsächlich passiert sei, ob seitens der Beklagten selbst oder durch Mitarbeiter von Agenturen, liege außerhalb der Sphäre der Klägerin.
Die Beklagte bestritt die ihr vorgeworfene Rechtsverletzung. Die in Rede stehende Werbung sei von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt geschaltet oder sonst wie veranlasst worden. Da nach Auskunft verschiedener Fachleute und der von der Beklagten eingesetzten Werbeagenturen eine automatische Erstellung und Veröffentlichung der hier streitgegenständlichen Werbung ausgeschlossen sei, lasse sich das Vorhandensein des vorgelegten Screenshots aus Sicht der Beklagten nur damit erklären, dass dieser von der Klägerin oder sonstigen Dritten arglistig erstellt worden sei, um die Beklagte zu schädigen. Die klägerische Darstellung des Sachverhalts sei lebensfremd.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 97 Abs.1 i.V.m. § 72, § 15, § 16, § 19a, § 31 Abs. 1, § 43 UrhG. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass das streitgegenständliche Foto jedenfalls Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießt und sie Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte an demselben ist. Denn die Klägerin hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die Beklagte das Foto ohne Zustimmung der Klägerin und damit rechtswidrig auf der Internetplattform M. zum Abruf durch Dritte vorgehalten und damit öffentlich zugänglich gemacht hat.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Lichtbild tatsächlich über den Account der Beklagten auf der "Social Media"-Plattform M. im Internet durch diese selbst oder durch Dritte auf ihre Veranlassung hin öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Ein Gericht darf zwar keine "unerfüllbaren Beweisanforderungen" stellen. Es darf auch keine unumstößliche Gewißheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Der Zivilprozessrichter darf sich allerdings im Hauptsacheverfahren nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit begnügen. Denn nach § 286 ZPO muss der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält. Er darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Im Übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze waren die Mitglieder der Kammer nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Lichtbild, wie von der Klägerin vorgetragen, über den Social Media Account der Beklagten in Form einer geschalteten Werbung "Gesponsert" zugänglich gemacht worden ist. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht durch eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien und Beweisanzeichen. Nicht erwiesen ist insbesondere, dass der streitgegenständliche Werbepost und damit das streitgegenständliche Lichtbild tatsächlich auch über den Account von "N. B." und damit von der Beklagten geschaltet und abrufbar gehalten wurde. Dies galt ungeachtet des Umstandes, dass sich der von der Beklagten geäußerte Verdacht, es handele sich bei dem von der Klägerin vorgelegten Screenshot um eine Fotomontage, insbesondere sei das Logo mit dem Namenszug der Beklagten dort einmontiert worden, bei einer Inaugenscheinnahme durch die Kammer und die Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht erhärten ließ.
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Die Parteien stritten um urheberrechtliche Ansprüche aus der Einstellung eines Fotos ins Internet. Die Klägerin ist ein Unternehmen, das unter der Bezeichnung "K. A." insbesondere im Bereich Fashion, Jewellery, Cosmetics und Foodtrends tätig ist. Die Beklagte ist ein Naturkosmetikunternehmen, das auf M. einen Account mit ca. 3178 Followern betreibt. Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben vom 30.7.2021 wegen Urheberrechtsverletzung abmahnen und u.a. zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 9.8.2021 auffordern. Die Beklagte ließ die Abmahnung fristgerecht zurückweisen, machte ihrerseits einen Gegenanspruch auf Kostenerstattung wegen unberechtigter Abmahnung geltend und forderte zur Zahlung innerhalb einer Frist bis zum 18.8.2021 auf.
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Die Beklagte bestritt die ihr vorgeworfene Rechtsverletzung. Die in Rede stehende Werbung sei von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt geschaltet oder sonst wie veranlasst worden. Da nach Auskunft verschiedener Fachleute und der von der Beklagten eingesetzten Werbeagenturen eine automatische Erstellung und Veröffentlichung der hier streitgegenständlichen Werbung ausgeschlossen sei, lasse sich das Vorhandensein des vorgelegten Screenshots aus Sicht der Beklagten nur damit erklären, dass dieser von der Klägerin oder sonstigen Dritten arglistig erstellt worden sei, um die Beklagte zu schädigen. Die klägerische Darstellung des Sachverhalts sei lebensfremd.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 97 Abs.1 i.V.m. § 72, § 15, § 16, § 19a, § 31 Abs. 1, § 43 UrhG. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass das streitgegenständliche Foto jedenfalls Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießt und sie Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte an demselben ist. Denn die Klägerin hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die Beklagte das Foto ohne Zustimmung der Klägerin und damit rechtswidrig auf der Internetplattform M. zum Abruf durch Dritte vorgehalten und damit öffentlich zugänglich gemacht hat.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Lichtbild tatsächlich über den Account der Beklagten auf der "Social Media"-Plattform M. im Internet durch diese selbst oder durch Dritte auf ihre Veranlassung hin öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Ein Gericht darf zwar keine "unerfüllbaren Beweisanforderungen" stellen. Es darf auch keine unumstößliche Gewißheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Der Zivilprozessrichter darf sich allerdings im Hauptsacheverfahren nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit begnügen. Denn nach § 286 ZPO muss der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält. Er darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Im Übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze waren die Mitglieder der Kammer nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Lichtbild, wie von der Klägerin vorgetragen, über den Social Media Account der Beklagten in Form einer geschalteten Werbung "Gesponsert" zugänglich gemacht worden ist. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht durch eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien und Beweisanzeichen. Nicht erwiesen ist insbesondere, dass der streitgegenständliche Werbepost und damit das streitgegenständliche Lichtbild tatsächlich auch über den Account von "N. B." und damit von der Beklagten geschaltet und abrufbar gehalten wurde. Dies galt ungeachtet des Umstandes, dass sich der von der Beklagten geäußerte Verdacht, es handele sich bei dem von der Klägerin vorgelegten Screenshot um eine Fotomontage, insbesondere sei das Logo mit dem Namenszug der Beklagten dort einmontiert worden, bei einer Inaugenscheinnahme durch die Kammer und die Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht erhärten ließ.
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