Beweislast für Übergabe ordnungsgemäß gekühlter Ware an den Frachtführer bei Schadensersatzverlangen nach § 425 HGB
BGH 23.11.2017, I ZR 51/16Die Klägerin ist Assekuradeurin der Versicherer der H.G.Logistics GmbH (Versicherungsnehmerin). Die S. GmbH beauftragte die Beklagte am 22.8.2008 33 Paletten tiefgekühlter Bacon Strips bei einer Transporttemperatur von -25°C von B. nach D. zu der Versicherungsnehmerin zu transportieren. In dem erteilten Transportauftrag heißt es, dass die Übernahmetemperatur der Güter während der Beladung vom Fahrer kontrolliert werden muss. Der Fahrer muss die festgestellte Temperatur auf dem Frachtbrief vermerken und diese muss dann vom Versender schriftlich bestätigt werden.
Die Beklagte gab den Auftrag an die Streithelferin ab. Der Fahrer der Streithelferin unterzeichnete bei der Abholung der Ware einen Lieferschein auf dem Als Übergabetemperatur handschriftlich -18,4 °C eingetragen war. Der Fahrer fuhr die Ware zur Versicherungsnehmerin. Die Ware konnte dir nicht abgeladen werden. Also wartete er mehrere Stunden und brachte die Ware am Abend zu einem Kühlhaus in N. Nach dem Entladen der Ware ergab eine Messung, dass die Ware lediglich Temperaturen zwischen -12,7°C und -15,7°C aufwies. Der durch die Nichteinhaltung der Mindesttemperatur eingetretene Schaden beträgt rd. 95.000 €.
Die Klägerin nahm die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Zahlung dieses Betrags in Anspruch. Sie ist der Auffassung, der Temperaturschaden sei in der Obhut der Streithelferin eingetreten. Die Ware sei ausreichend vorgekühlt übergeben worden. Die Beklagte bestreitet dies. Das LG gab der Klage im Gegenwert von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung und damit i.H.v. rd. 48.000 € statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin wies das OLG die Klage insgesamt ab. Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der Begründung des Berufungsgericht, eine ausreichende Vorkühlung sei durch die Klägerin nicht bewiesen und daher sei es unerheblich, ob die Ware in der Obhut der Beklagten oder ihrer Streithelferin nicht ausreichend gekühlt worden sei, kann der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 425 Abs. 1 HGB nicht verneint werden.
Die Klägerin ist jedoch für ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung einer ausreichenden Vorkühlung des Transportguts bei seiner Übernahme durch die Streithelferin beweispflichtig. Anders als bei § 427 HGB und Art. 17 Abs. 2 CMR ist der Umstand der mangelhaften Kühlung eine anspruchsbegründende - und keine anspruchsvernichtende - Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gem. § 425 Abs. 1 HGB. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist sie daher von dem Anspruchssteller zu beweisen.
Es ist rechtsfehlerhaft, anzunehmen, dass die Klägerin eine ausreichende Vorkühlung der Ware nicht mithilfe des unterzeichneten Lieferscheins beweisen kann, weil der Fahrer der Streithelferin damit unstreitig eine Erklärung abgegeben hat, die er weder überprüft hat noch hätte überprüfen können. Ob der Fahrer der Streithelferin gehindert wurde, die der Beklagten obliegende Temperaturmessung bei Übernahme der Ware durchzuführen, ist noch festzustellen. Die Beweislast für die Behauptung, der Fahrer sei an der Kontrolle gehindert worden und habe deshalb die vertraglich vereinbarte Messung nicht durchführen können, trägt die Beklagte als Frachtführerin, weil der Fahrer den Lieferschein vorbehaltlos unterschrieben hat. Sollte der Beweis nicht gelingen, ist davon auszugehen, dass der Fahrer die Ware in ordnungsgemäßen Zustand übernommen hat.
War der Frachtführer nicht an der Kontrolle gehindert, kann er sich nicht darauf berufen, er habe die Übernahmequittung "blind" unterschrieben. Er handelt gegen den Treu und Glauben gem. § 242 BGB widersprüchlich, wenn er, obwohl ihm die Kontrolle möglich war, er von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch macht und stattdessen die Angaben auf dem Lieferschein bestätigt, sich dann aber später darauf beruft, die Quittung sei "blind" erteilt worden.
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