Bezeichnung "braunes Schaf" stellt keine Formalbeleidigung dar
OLG Dresden v. 26.3.2019 - 4 U 184/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war langjähriges Mitglied im Jugendhilfeausschuss des Dresdner Stadtrates und Mitglied der FDP. Der Beklagte ist Ortsvereinsvorsitzender und Mitglied des Stadtvorstands Dresden der SPD. Beide Parteien sind aufgrund ihrer politischen Tätigkeit in Dresden bekannt und äußern ihre Auffassung zu verschiedenen politischen Themen auch in sozialen Medien.
In einem Facebook-Eintrag im Zusammenhang mit der Diskussion um den Dresdner Fernsehturm hatte der Beklagte die Klägerin u.a. als "sehr lautes, braunes Schaf" bezeichnet. Die Klägerin sah sich durch diese Äußerung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es sei eine Formalbeleidigung, weil es allein Ansinnen des Beklagten gewesen sei, sie öffentlich zu diffamieren und als Anhängerin des Nationalsozialismus hinzustellen.
Das LG hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, es handele sich hierbei nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um Äußerungen im politischen Meinungskampf, die die Klägerin hinnehmen müsse. Hiergegen richtete sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgte, dem Beklagten zu untersagen, zu behaupten, sie sei "rechtsnational", bediene sich "Quellen Rechtsextremer" und sie als "braunes Schaf" zu betiteln. Die Berufung blieb vor dem OLG ohne Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch wegen der streitgegenständlichen Äußerungen aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 185f. StGB zu.
Die Äußerung, die Klägerin "bediene sich der Quellen Rechtsextremer" ist als Meinungsäußerung einzustufen. Zwar knüpft sie an die Verwertung fremder Äußerungen durch die Klägerin an, die im Wesentlichen auf die Verlinkung und das sog. Liken von Posts gestützt wird. Verbunden wird dies jedoch mit der Einschätzung, die verlinkten und geteilten Äußerungen seien Äußerungen von Personen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzureichen seien. Diese Bewertung prägt die Gesamtäußerung, weil der Schwerpunkt der Vorwürfe nicht in der vermeintlichen Verwertung fremden Gedankenguts, sondern in der Verstärkung "rechtsextremer" Positionen in sozialen Netzwerken liegt. Und der darin liegende Tatsachenkern hat sich als wahr herausgestellt.
Ebenfalls um eine Meinungsäußerung handelt es sich bei der in dem streitgegenständlichen Kommentar enthaltenen Bewertung der Klägerin als "mittlerweile rechtsnational". Der Senat hat dies für die Bezeichnung als "Nazi" bereits mehrfach entschieden, weil dies keine Verbindung zu einer genau definierten Personengruppe ermöglicht und konkretisierende Informationen fehlen, die auf ihre Wahrheit hin überprüft werden könnten (Senat, Beschlüsse vom 12.10.2011 und 1.9.2011 - 4 U 1059/11; vom 3.9.2010, 23 U 1023/10). Für die Bezeichnung als "rechtsnational" kann nichts anderes gelten.
Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass diese Bewertung durch die Äußerung ergänzt wird, die Klägerin sei ein "braunes Schaf". Auch diese Aussage ist im Gesamtkontext zu würdigen, in dem sie gefallen ist. Die Annahme der Klägerin, schon in ihrer Bezeichnung als "Schaf" liege eine Formalbeleidigung, ist ersichtlich fernliegend. Das vom Beklagten verwandte Bild greift eine Formulierung von den "schwarzen und weißen Schafen" auf, die in jeder Organisation zu finden seien. Hierdurch werden indes nicht Menschen auf die geistige Ebene von Schafen herabgewürdigt; die Metapher vom "schwarzen Schaf" verweist vielmehr auf einen Außenseiter, der durch Eigenschaften oder Verhaltensweisen auffällt, die nicht den in der jeweiligen Gruppe geltenden und anerkannten Vorstellungen oder Regeln entsprechen.
Durch die Abwandlung zu "braunes Schaf" macht der Beklagte deutlich, dass sich die Klägerin nach seiner Auffassung diese Außenseiterstellung durch die Übernahme von ihm als rechtsnational bewerteter Positionen "verdient" habe. Eine Formalbeleidigung liegt hierin nicht. Zwar wird die Farbe Braun im politischen Kontext dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Der Bezeichnung als "braunes Schaf" wird aber auch der Durchschnittsleser, der die Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen den Parteien kennt, nicht die Tatsachenbehauptung entnehmen, die Klägerin sei eine aktive Nationalsozialistin oder setze sich für die Ziele der verbotenen NSDAP ein. Er wird diese vielmehr in Verbindung mit der Zuschreibung "rechtsnational" bringen und daraus schließen, dass die Klägerin in den Augen des Beklagten "rechte" Positionen vertritt.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten der Justiz Sachsen veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.
justiz.sachsen.de
Die Klägerin war langjähriges Mitglied im Jugendhilfeausschuss des Dresdner Stadtrates und Mitglied der FDP. Der Beklagte ist Ortsvereinsvorsitzender und Mitglied des Stadtvorstands Dresden der SPD. Beide Parteien sind aufgrund ihrer politischen Tätigkeit in Dresden bekannt und äußern ihre Auffassung zu verschiedenen politischen Themen auch in sozialen Medien.
In einem Facebook-Eintrag im Zusammenhang mit der Diskussion um den Dresdner Fernsehturm hatte der Beklagte die Klägerin u.a. als "sehr lautes, braunes Schaf" bezeichnet. Die Klägerin sah sich durch diese Äußerung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es sei eine Formalbeleidigung, weil es allein Ansinnen des Beklagten gewesen sei, sie öffentlich zu diffamieren und als Anhängerin des Nationalsozialismus hinzustellen.
Das LG hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, es handele sich hierbei nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern um Äußerungen im politischen Meinungskampf, die die Klägerin hinnehmen müsse. Hiergegen richtete sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgte, dem Beklagten zu untersagen, zu behaupten, sie sei "rechtsnational", bediene sich "Quellen Rechtsextremer" und sie als "braunes Schaf" zu betiteln. Die Berufung blieb vor dem OLG ohne Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch wegen der streitgegenständlichen Äußerungen aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 185f. StGB zu.
Die Äußerung, die Klägerin "bediene sich der Quellen Rechtsextremer" ist als Meinungsäußerung einzustufen. Zwar knüpft sie an die Verwertung fremder Äußerungen durch die Klägerin an, die im Wesentlichen auf die Verlinkung und das sog. Liken von Posts gestützt wird. Verbunden wird dies jedoch mit der Einschätzung, die verlinkten und geteilten Äußerungen seien Äußerungen von Personen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzureichen seien. Diese Bewertung prägt die Gesamtäußerung, weil der Schwerpunkt der Vorwürfe nicht in der vermeintlichen Verwertung fremden Gedankenguts, sondern in der Verstärkung "rechtsextremer" Positionen in sozialen Netzwerken liegt. Und der darin liegende Tatsachenkern hat sich als wahr herausgestellt.
Ebenfalls um eine Meinungsäußerung handelt es sich bei der in dem streitgegenständlichen Kommentar enthaltenen Bewertung der Klägerin als "mittlerweile rechtsnational". Der Senat hat dies für die Bezeichnung als "Nazi" bereits mehrfach entschieden, weil dies keine Verbindung zu einer genau definierten Personengruppe ermöglicht und konkretisierende Informationen fehlen, die auf ihre Wahrheit hin überprüft werden könnten (Senat, Beschlüsse vom 12.10.2011 und 1.9.2011 - 4 U 1059/11; vom 3.9.2010, 23 U 1023/10). Für die Bezeichnung als "rechtsnational" kann nichts anderes gelten.
Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass diese Bewertung durch die Äußerung ergänzt wird, die Klägerin sei ein "braunes Schaf". Auch diese Aussage ist im Gesamtkontext zu würdigen, in dem sie gefallen ist. Die Annahme der Klägerin, schon in ihrer Bezeichnung als "Schaf" liege eine Formalbeleidigung, ist ersichtlich fernliegend. Das vom Beklagten verwandte Bild greift eine Formulierung von den "schwarzen und weißen Schafen" auf, die in jeder Organisation zu finden seien. Hierdurch werden indes nicht Menschen auf die geistige Ebene von Schafen herabgewürdigt; die Metapher vom "schwarzen Schaf" verweist vielmehr auf einen Außenseiter, der durch Eigenschaften oder Verhaltensweisen auffällt, die nicht den in der jeweiligen Gruppe geltenden und anerkannten Vorstellungen oder Regeln entsprechen.
Durch die Abwandlung zu "braunes Schaf" macht der Beklagte deutlich, dass sich die Klägerin nach seiner Auffassung diese Außenseiterstellung durch die Übernahme von ihm als rechtsnational bewerteter Positionen "verdient" habe. Eine Formalbeleidigung liegt hierin nicht. Zwar wird die Farbe Braun im politischen Kontext dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Der Bezeichnung als "braunes Schaf" wird aber auch der Durchschnittsleser, der die Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen den Parteien kennt, nicht die Tatsachenbehauptung entnehmen, die Klägerin sei eine aktive Nationalsozialistin oder setze sich für die Ziele der verbotenen NSDAP ein. Er wird diese vielmehr in Verbindung mit der Zuschreibung "rechtsnational" bringen und daraus schließen, dass die Klägerin in den Augen des Beklagten "rechte" Positionen vertritt.
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