Bitte erst lesen: Facebook darf Hinweis beim Teilen eines ungelesenen Beitrags einblenden
LG Karlsruhe 20.1.2022, 13 O 3/22 KfHDas vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren betrifft die Frage der Zulässigkeit eines von Facebook (bzw. Meta Platforms Ireland Ltd., die das Portal für Nutzer außerhalb der USA und Kanadas betreibt - Antragsgegnerin) verwendeten Hinweises an seine Nutzer. Diesen Hinweis schaltet Facebook dem Teilen eines nicht angeklickten (und folglich nicht gelesenen) Posts vor, mit dem der Nutzer gebeten wird, den Beitrag zunächst zu lesen. Die beiden streitgegenständlichen Hinweise lauten wie folgt:
- "Weißt du wirklich, was du da gerade teilst? Damit du umfassend informiert bist, worum es in diesem Artikel geht, nimm dir bitte die Zeit, ihn erst zu lesen."
- "Sieh dir genau an, was du teilst, bevor du es teilst. Um zu wissen, was du teilst, ist es immer eine gute Idee, Artikel erst selbst zu lesen."
Antragstellerin ist die A. M. GmbH, die einen politischen Blog herausgibt und eine Seite auf Facebook unterhält, auf der sie ebenfalls Beiträge publiziert. Sie vertritt die Auffassung, es handele sich um bevormundende und paternalistische Anmaßungen, die bei üblichem Sprachgebrauch Vorbehalte gegenüber dem journalistischen Inhalt formulierten. Darin liege eine Herabsetzung und Behinderung im Wettbewerb der Parteien.
Das LG wies den Antrag ab. Der Beschluss ist anfechtbar und mithin nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Antragstellerin ist nicht gehindert, ihren bzw. den von ihrem Autor verfassten Beitrag auf dem Portal der Antragsgegnerin zu publizieren. Kein Nutzer ist gehindert, ihn zu lesen und/oder ihn zu teilen. Eine auf den Inhalt des Beitrags bezogene Stellungnahme durch die Antragsgegnerin oder durch von ihr beauftragte "Faktenprüfer" liegt ebenfalls nicht vor.
Es erscheint lebensfremd, dass sich ein Nutzer von einem solchen Hinweis von seinem bereits durch einen Klick in die Tat umgesetzten - Entschluss, den Beitrag zu teilen, abschrecken lässt. Es bedarf lediglich eines einzigen weiteren Klicks, um den Beitrag tatsächlich (nach Wunsch sogar ungelesen) zu teilen. Bei einer Auslegung der beiden Hinweise in ihrem Kontext handelt es sich nicht um ein abträgliches Werturteil, sondern um eine neutral gefasste Erinnerung an eigentlich Selbstverständliches, nämlich dass man nur weiterverbreiten sollte, was man selbst inhaltlich zur Kenntnis genommen hat.
Dabei war zu berücksichtigen, dass sich beide Parteien jeweils auf Grundrechte berufen können, so insbesondere die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf berufliche Ausübung ihres jeweiligen Geschäftsmodells. Jedoch verbleibt die Grundrechtsbetroffenheit der Antragstellerin unterhalb der Eingriffsschwelle. Die Antragstellerin besitzt kein rechtlich oder gar grundrechtlich geschütztes Interesse daran, dass die Antragsgegnerin den Nutzern ein um die Anregung zum Nachdenken bereinigtes Nutzererlebnis eröffnet. Daher scheidet auch die - von der Antragstellerin nur angedeutete - Annahme aus, dass eine Herabsetzung ihres Angebots in der Ungleichbehandlung gegenüber anderen Seiten bzw. Anbietern auf dem Portal der Antragsgegnerin besteht.
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