16.01.2018

Bürge kann sich auf Einreden des Hauptschuldners berufen

Der Bürge kann sich nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf ein Leistungsverweigerungsrecht des Hauptschuldners aus einem zwischen diesem und dem Gläubiger geschlossenen Stillhalteabkommen auch dann berufen, wenn sich der Gläubiger darin die Geltendmachung der Ansprüche aus der Bürgschaft ausdrücklich vorbehalten hat.

BGH 28.11.2017, XI ZR 211/16
Der Sachverhalt:
Der im Revisionsverfahren allein noch beteiligte Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-GmbH (Insolvenzschuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 1.12.2011 eröffnet. Die Klägerin gewährte der A. Beteiligung Verwaltung AG (Hauptschuldnerin), mit Darlehensvertrag vom 26.4.2006 u.a. einen Kontokorrentkredit über 4,6 Mio. €. Die Insolvenzschuldnerin und der frühere Beklagte zu 2) übernahmen jeweils selbstschuldnerische Höchstbürgschaften für Ansprüche der Klägerin aus dem Darlehensvertrag. Aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Hauptschuldnerin im Jahr 2009 kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag. Die Höhe der Restforderung der Klägerin aus dem Darlehensvertrag ist streitig.

Die Klägerin nahm sodann die Hauptschuldnerin aus dem Vertrag sowie den früheren Beklagten zu 2) und die Insolvenzschuldnerin als Bürgen auf Zahlung eines Teilbetrags von 1,5 Mio. € in Anspruch. Während des Rechtsstreits wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hauptschuldnerin sowie der Insolvenzschuldnerin eröffnet. Während des Ruhens des Klageverfahrens schlossen die Klägerin, die Hauptschuldnerin und der früherer Beklagte zu 2) ohne Beteiligung der Insolvenzschuldnerin einen außergerichtlichen Vergleich. Dieser beinhaltete u.a. eine aufschiebend bedingte Stillhaltevereinbarung, in der sich die Klägerin verpflichtet, die Darlehensrückzahlungsansprüche nicht mehr gegen die Hauptschuldnerin geltend zu machen und die Klage gegen diese und den früheren Beklagte zu 2) zurückzunehmen. Es ist zwischen den Parteien streitig geblieben, ob sich die Klägerin eine Inanspruchnahme der Insolvenzschuldnerin wirksam vorbehalten hat.

Die Klägerin nahm sodann die Klage aufgrund der Vereinbarung ausschließlich gegen den Beklagten wieder auf und forderte die Feststellung ihrer Forderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Beklagte kann sich für die Insolvenzschuldnerin als Bürgin nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf die zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin geschlossene Stillhaltevereinbarung berufen.

Die Klägerin und die Hauptschuldnerin haben in ihrem Vergleich ein unbefristetes Stillhalteabkommen geschlossen. Die Hauptschuldnerin ist danach zur Zahlungsverweigerung berechtigt und der Klägerin ist es untersagt, ihre Forderung gerichtlich geltend zu machen oder einen anhängigen Prozess weiter zu betreiben. Die Insolvenzschuldnerin kann sich als Bürgin nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB auf dieses Leistungsverweigerungsrecht der Hauptschuldnerin aus dem Stillhalteabkommen berufen, auch wenn sich die Klägerin - was positiv unterstellt wird - die Geltendmachung der Ansprüche aus der Bürgschaft gegen die Insolvenzschuldnerin ausdrücklich vorbehalten hat.

Dies ist zwar umstritten, aber nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Bürge die Einreden des Hauptschuldners wie eigene geltend machen. Dieses Recht hat auch der selbstschuldnerische Bürge. Er kann auch Einreden des Hauptschuldners gegen die Verwertung der Bürgschaft geltend machen. Die Bürgschaft - als akzessorisches Sicherungsmittel - soll dem Gläubiger gegen den Bürgen im Grundsatz keine besseren Rechte geben als gegen den Hauptschuldner.

Der Vorbehalt der Inanspruchnahme des Bürgen in dem Stillhalteabkommen ändert daran nichts, denn im vorliegenden Fall schließen die beiden Parteien das Stillhalteabkommen erst nach Übernahme der Bürgschaft. Gläubiger und Hauptschuldner können nicht ohne Beteiligung des Bürgen über dessen Schutz verfügen. Eine zum Nachteil des Bürgen getroffene Abrede ist als Vertrag zulasten Dritter diesem gegenüber unwirksam. Dies entspricht dem Rechtgedanken aus § 768 Abs. 2 BGB. Der Umstand, dass es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handelt und der Bürge eine Regressmöglichkeit nach § 774 BGB hat, ist ebenso unschädlich. § 774 BGB steht jedem Bürgen zu und dient nicht dem Ausgleich des Verlusts von Einreden des Bürgen.

Dadurch, dass sich die Insolvenzschuldnerin auf die Einrede aus dem Stillhalteabkommen trotz Vorbehalt berufen kann, wird das Abkommen auch nicht insgesamt unwirksam.

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