12.03.2025

Crowdfunding-Darlehen: Aufklärungspflichten gegenüber Kleinanlegern bei qualifizierter Nachrangklausel

Bei einem Crowdfunding-Darlehen mit qualifizierter Nachrangklausel muss ein Kleinanleger deutlich darüber belehrt werden, dass das Totalausfallrisiko auf Grund des qualifizierten Nachrangs wesentlich erhöht ist und insbesondere nicht nur im Fall der Insolvenz, sondern bereits vor Eintritt der Insolvenz besteht. Es ist außerdem deutlich zu erklären, dass ein solches Nachrangdarlehen einer unternehmerischen Beteiligung mit eigenkapitalähnlicher Haftungsfunktion vergleichbar ist.

LG Ravensburg v. 7.2.2025, 2 O 99/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Internetplattform und bietet dort Kapitalanlagen in Form von Schwarmfinanzierungen (= Crowdfunding) an, bei denen sich Anleger an der Finanzierung von Immobilienprojekten schon mit geringen Investitionssummen (ab 100 €) beteiligen können. Der Kläger hatte im Jahr 2020 durch Vermittlung dieser Internetplattform zum Zweck der Kapitalanlage drei Darlehensverträge im Rahmen einer solchen Schwarmfinanzierung abgeschlossen. Die den Darlehensnehmern im Rahmen der Nachrangdarlehensverträge überlassenen Kapitalbeträge wurden bislang nicht zurückgezahlt.

Der Kläger verlangte von der Beklagten die Rückerstattung der Darlehensbeträge Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus den Darlehensverträgen. Er war der Ansicht, dass er von der Beklagten als Vermittlerin im Rahmen des Vertragsabschlusses nicht ausreichend informiert worden sei, insbesondere über die Konsequenzen der Nachrangklauseln und über fehlende Baugenehmigungen. Außerdem habe die Beklagte gegen ihre Pflichten nach § 14 Abs. 1 FinVermV verstoßen. Dieses stelle ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass sich ein Schadensersatzanspruch auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 1 FinVermV ergebe. Letztlich käme ein Zahlungsanspruch auf §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 32, 54 KWG i.V.m. § 1 KWG in Betracht, da die Beklagte verbotene Einlagegeschäfte betrieben oder zumindest Beihilfe zu den verbotenen Einlagegeschäften der jeweiligen Darlehensnehmer geleistet habe.

Das LG hat die auf Schadensersatz i.H.v. 14.500 € gerichtete Klage mit Ausnahme eines geringen Teils des Zinsanspruchs stattgegeben.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Informationspflicht aus dem Anlagevermittlungsvertrag zu.

Ein Anlagevermittler hat im Rahmen des Auskunftsvertrags die Pflicht, dem Anlageinteressenten vollständige und richtige Informationen über alle Umstände zu erteilen, die für die Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Der Anlagevermittler hat verständliche Auskünfte zu Art und Eigenschaften des angebotenen Kapitalanlageprodukts und zu dem Anlagekonzept zu erteilen Er hat zugleich die Chancen und Risiken sowie weitere bedeutsame Aspekte offenzulegen, um dem Anlageninteressenten eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu gewährleisten. Abzustellen ist dabei auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers. Wendet sich ein Verkaufsprospekt auch an Kleinanleger, also an unkundige Anlageinteressenten, ist deren Empfänger- und Verständnishorizont angemessen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 18.9.2012 - XI ZR 344/11).

Infolgedessen hatte die Beklagte ihre Pflichten als Anlagevermittlerin gem. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt. Sie den Kläger weder auf die besonderen Risiken des Nachrangdarlehens hingewiesen noch darauf, dass es sich um hochriskante Firmenbeteiligungen handelte. Außerdem hatte sie die fehlenden Baugenehmigungen verschwiegen. Bei einem Crowdfunding-Darlehen mit qualifizierter Nachrangklausel muss ein Kleinanleger deutlich darüber belehrt werden, dass das Totalausfallrisiko auf Grund des qualifizierten Nachrangs wesentlich erhöht ist und insbesondere nicht nur im Fall der Insolvenz, sondern bereits vor Eintritt der Insolvenz besteht. Es ist außerdem deutlich zu erklären, dass ein solches Nachrangdarlehen einer unternehmerischen Beteiligung mit eigenkapitalähnlicher Haftungsfunktion vergleichbar ist.

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