05.12.2022

Darlehen oder Vorschusszahlung?

Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen.

OLG Brandenburg v. 15.9.2022 - 10 U 54/21
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Ingenieurbüro. Sie war im Jahr 2013 mit Bauleistungen an einem Bauvorhaben der Klägerin. Im Zuge der Zusammenarbeit zahlte die Klägerin an die Beklagte im Mai 2013 für einen PowerVolt Hybridkollektor 32.986 € und im September 2013 für ein Montagesystem an der Geothermieanlage der Klägerin 6.943 €. Am 9.12.2013 unterzeichneten die Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin ein als "Darlehensvertrag" bezeichnetes Schriftstück über ein der Beklagten zu gewährendes "Darlehen" i.H.v. 15.000 € mit Zinsen von jährlich 5 %, mithin 750 €. Im Anschluss zahlte die Klägerin die im Vertrag bestimmte Summe von 15.000 € an die Beklagte.

In den Jahren 2014 bis 2017 unterzeichneten die Parteien jeweils am 9.12. einen im Wesentlichen mit dem "Darlehensvertrag" aus dem Jahr 2013 gleichlautenden "Darlehensvertrag" über 15.000 €. Neben der Zahlung der 15.000 € auf den "Darlehensvertrag" aus dem Jahr 2013 erfolgten jedoch keine weiteren Zahlungen in dieser Höhe von der Klägerin an die Beklagte. Der im Jahr 2017 unterzeichnete "Darlehensvertrag" sah eine Rückzahlung des Betrags von 15.000 € spätestens am 9.12.2018 vor. Eine weitere Verlängerung des "Darlehensvertrags" erfolgt nicht. Die Beklagte zahlte die erhaltene Summe von 15.000 € gleichwohl nicht zurück. Die Beklagte zahlte ferner ab dem Jahr 2014 bis zum Jahr 2017 mit dem Überweisungszweck "Zinsen-Darlehen" jährlich einen Betrag von 750 € an die Klägerin. Die Klägerin ihrerseits zahlte auf jährliche Abrechnungen der Beklagten i.H.v. 750 € netto für "Bauberatung zum BV"  einen Betrag von 892,50 € (brutto von 750 €).

Die Klägerin behauptete, dass sie mit der Beklagten am 9.12.2013 einen Darlehensvertrag geschlossen habe, der dann durch die jährlich folgenden Darlehensvereinbarungen jeweils verlängert worden sei. Insofern müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte jedes Jahr die vereinbarten Zinsen von 750 € an sie überwiesen habe und bei der Überweisung jeweils "Zinsen-Darlehen" angegeben habe. Grund für das im Jahr 2013 gewährte Darlehen seien finanzielle Engpässe auf Seiten der Beklagten gewesen.

Die Beklagte behauptete, die Klägerin habe Zahlung zugesagt, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Parteien einen Darlehensvertrag schlössen. Die Zahlung der 15.000 € solle dann bei der endgültigen Abrechnung des Bauvorhabens mitberücksichtigt werden. Sie, die Beklagte, sei froh gewesen, überhaupt Geld zu erhalten, und habe deshalb den Darlehensvertrag unterzeichnet. Es sei jedoch klar gewesen, dass es sich nicht um ein Darlehen gehandelt habe. Insgesamt lasse das Vorgehen der Klägerin nur den Schluss zu, dass sie sie um ihren Werklohn i.H.v. 15.000 € habe prellen wollen.

Das LG hat der auf Zahlung von 15.750 € gerichteten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Darlehen gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu.

Zwar hatte die Beklagte erstinstanzlich mehrfach vorgebracht, dass sie zwar einen Darlehensvertrag unterzeichnet habe, aber davon ausgegangen sei, dass eine Vorschusszahlung i.H.v. von 15.000 € vereinbart worden sei. Damit hatte sie den Abschluss eines Darlehensvertrags hinreichend bestritten. Allerdings konnte die Beklagte nicht beweisen, dass sie trotz der auch durch sie erfolgten Unterzeichnung des als Darlehensvertrag bezeichneten Schriftstücks dennoch eine vom schriftlichen Darlehensvertrag abweichende Vereinbarung abgeschlossen hatte.

Da die Beklagte einen vom Urkundstext abweichenden Geschäftsinhalt behauptet hatte, trug sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Parteien keinen Darlehensvertrag abgeschlossen hatten. Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen.

Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt zwar voraus, dass der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Diese Voraussetzungen für ein Eingreifen der Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung waren hier allerdings erfüllt. Die maßgeblichen Voraussetzungen regelte die von den Parteien am 9.12.2013 unterzeichnete und mit "Darlehensvertrag" überschriebene Vereinbarung. Die danach darlegungs- und beweisbelastete Beklagte konnte nicht beweisen, dass die Parteien dennoch eine andere Vereinbarung als einen Darlehensvertrag abgeschlossen hatten.

Soweit der der Ehemann der Beklagten geschildert hatte, er habe sich erpresst gefühlt, waren keine Indizien vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin beim Beharren auf der Darlehensvereinbarung etwa durch Erpressung oder Nötigung strafbar gemacht haben könnte. Hinzu kam, dass auch die Beklagte und ihr Ehemann ein überzeugendes Motiv für die Unterzeichnung der Darlehensvereinbarung geschildert hatten. Denn sie waren auf das Geld angewiesen und die Klägerin wollte es nur gegen Unterzeichnung der Darlehensvereinbarung gewähren.

Mehr zum Thema:

Beratermodul ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht:
Das Beratermodul ZIP bündelt die Inhalte einer der führenden Zeitschrift zum Wirtschaftsrecht mit Volltexten zu Gesetzen und Entscheidungen sowie den Kurzkommentaren der EWiR. 4 Wochen gratis nutzen!

Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Brandenburg
Zurück