16.07.2024

Das Wort "Transe" ist ein diskriminierendes Schimpfwort, das einen Unterlassungsanspruch rechtfertigt

Eine klagende Transfrau kann u.a. verlangen, nicht als "Transe" bezeichnet zu werden. Dem Wort kommt ausschließlich eine abwertende Bedeutung zu. Der diskriminierende Verletzungsgehalt steht auf einer Stufe mit dem Schimpfwort "Schwuchtel". Das OLG Frankfurt a.M. hat den vom LG zugesprochenen Unterlassungsanspruch bestätigt.

OLG Frankfurt a.M. v. 9.7.2024 - 16 U 92/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit etwa 40 Jahren eine Transfrau. Ihr Geschlechtseintrag lautet "weiblich". Sie setzt sich gegen Transfeindlichkeit ein und veröffentlicht dazu Beiträge u.a. auf der Plattform X. Der Beklagte betreibt einen Blog. Dort veröffentlichte er einen Artikel mit der Überschrift "Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein".

Hintergrund dieses Artikels war eine vorausgegangene erfolglose Abmahnung des Beklagten durch die Klägerin wegen eines anderen Artikels. Im Rahmen der dortigen anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung hatte die Klägerin nach einem Hinweisbeschluss auf ihre Ansprüche verzichtet. Sie begehrt nun vom Beklagten, es zu unterlassen, in Bezug auf sie die Äußerung "Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein" zu tätigen. Das LG gab dem im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch statt.

Die hiergegen eingelegte Berufung hat nun auch vor dem zuständigen Pressesenat keinen Erfolg. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Klägerin steht unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen ein Unterlassungsanspruch zu. Es liegt eine Meinungsäußerung vor, die zwar nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreitet. Die angegriffene Äußerung versteht ein Durchschnittsleser aber als gezielte Herabsetzung der Klägerin. Dem Wort "Transe" kommt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ausschließlich eine abwertende Bedeutung zu. Es handelt sich um ein Schimpfwort, das in hohem Maße verletzend und diskriminierend ist. Durch dieses Schimpfwort erlangt auch die nachgestellte Wendung "zieht den Schwanz ein" für den Durchschnittsleser eine notwendig sexuelle Konnotation, die gerade im Zusammenhang mit einer als Transfrau bezeichneten Person in besonderem Maße herabsetzend ausfällt. Da der Durchschnittsleser die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Klägerin ihr männliches Geschlechtsteil hat entfernen lassen, wird sie im Sinne eines Sprachspiels in menschenverachtender Weise ins Lächerliche gezogen, da nichts eingezogen werden kann, was nicht vorhanden ist. Diese drastische Herabsetzung wird durch die Formulierung "totalitär tickend" ein weiteres Mal verschärft.

Die Äußerung kann auch nicht als satirisch eingekleidete Wendung gewertet werden. Denn sie enthält weder Signale, die auf Satire hindeuten, noch solche, die sie auch nur ironisch erscheinen lassen.

Das auf Seiten des Beklagten in die Abwägung einzustellende Recht der Meinungsfreiheit überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht. Auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien ist eine derart menschenverachtende Herabwürdigung der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Sie trägt vielmehr Züge einer öffentlich ausgetragenen Privatfehde, bei der der sachliche Kontext weitgehend in den Hintergrund rückt und damit auch ein etwaiges Informationsinteresse des Beklagten. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit impliziert zwar die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit zugleich von Emotionalität und Erregbarkeit, dies jedoch nur in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung.

Soweit die Klägerin im Vorprozess auf Ansprüche gegen die Äußerung "Totalitär tickende Trans-Furie" verzichtet hat, steht dies dem neuerlichen Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht entgegen. Es liegen Formulierungen mit völlig unterschiedlichem Bedeutungsgehalt vor, weshalb die nun angegriffene Äußerung von dem vorherigen Verzicht nicht erfasst wird.

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Rechtsprechung:
Löschung persönlichkeitsrechtsverletzender Tweets
LG Frankfurt/M. vom 14.12.2022 - 2-03 O 325/22
AfP 2023, 184

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