08.02.2012

Der die Zwangsversteigerung nicht betreibende Grundschuldgläubiger muss nicht angefallene Grundschuldzinsen nicht geltend machen

Der die Zwangsversteigerung nicht betreibende Grundschuldgläubiger ist nicht aufgrund des durch die Sicherungsabrede begründeten Treuhandverhältnisses mit dem Schuldner verpflichtet, nicht angefallene Grundschuldzinsen in dem Zwangsversteigerungsverfahren geltend zu machen. Hier hat der Grundschuldgläubiger, anders als bei der Verwertung seines eigenen Grundpfandrechts, mit der Versteigerung und mit der anschließenden Verteilung des Erlöses nichts zu tun.

BGH 16.12.2011, V ZR 52/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Treuhänder (§§ 292, 313 InsO) in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des P (Schuldner). Dieser schloss im Jahr 1997 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Darlehensvertrag über 110.000 DM und bestellte ihr zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens eine brieflose Grundschuld über 110.000 DM nebst 15 Prozent Zinsen an seinem Grundstück. In den Darlehensbedingungen heißt es u.a.: "Die Bank ist nicht verpflichtet, im Zwangsvollstreckungsverfahren einen Grundschuldbetrag geltend zu machen, der über ihre persönlichen Forderungen hinausgeht."

Das Grundpfandrecht wurde an erster Rangstelle in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte kündigte das Darlehen wegen Zahlungsrückstands im August 2008. Der zweitrangige Grundschuldgläubiger beantragte die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Im September 2008 verzichtete die Beklagte gegenüber dem Versteigerungsgericht auf die Geltendmachung dinglicher Zinsen. Der Meistbietende erhielt den Zuschlag mit der Maßgabe, dass die für die Beklagte in dem Grundbuch eingetragene Grundschuld bestehen blieb. Später einigte sich die Beklagte mit dem Ersteher, gegen Zahlung von 54.674 € die Löschung der Grundschuld zu bewilligen. Sie erhielt von dem Ersteher 57.391 €, nämlich zusätzlich zu dem Grundschuldkapital die Grundschuldzinsen für die Zeit ab dem Zuschlag bis zur Zahlung der Ablösungssumme.

Einen die persönliche Forderung übersteigenden Betrag von 3.745 € zahlte die Beklagte an den Gläubiger, der die Zwangsversteigerung betrieben hatte. Die Löschung der Grundschuld wurde im November 2008 in das Grundbuch eingetragen. Der Kläger macht von der Beklagten wegen deren Verzichts auf die Geltendmachung der Grundschuldzinsen in der Zwangsversteigerung (zuletzt) die Zahlung von 34.106 € nebst Zinsen als Schadensersatz geltend.

LG und OLG gaben der Klage lediglich i.H.v. 3.745 € nebst Zinsen statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte hat sich, indem sie auf die Geltendmachung der Grundschuldzinsen in der Zwangsversteigerung verzichtet hat, nicht nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig gemacht.

Die Frage, ob der Gläubiger berechtigt ist, bereits in dem Zwangsversteigerungsverfahren auf die Geltendmachung von (rückständigen und laufenden) Grundschuldzinsen zu verzichten, hat der BGH bisher offen gelassen. In Rechtsprechung und Schrifttum werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der BGH schließt sich - jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall, dass die Zwangsversteigerung durch einen nachrangigen Gläubiger betrieben wird - der Ansicht an, dass der Grundschuldgläubiger zwar das Grundschuldkapital in voller Höhe anmelden muss, dass rückständige und laufende Grundschuldzinsen hiervon jedoch ausgenommen sind, weil der Eigentümer diese nach § 1197 Abs. 2 BGB nicht für sich beanspruchen kann. Eine gegenteilige Verpflichtung des vorrangigen Grundschuldgläubigers ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag nicht.

Maßgeblich ist § 1178 Abs. 1 S. 1 BGB (gem. § 1192 Abs. 1 BGB auch auf die Grundschuld anzuwenden), wonach das Grundpfandrecht u.a. für Rückstände von Zinsen erlischt, sofern es sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die nicht valutierten Grundschuldzinsen zugunsten des Sicherungsgebers geltend zu machen, weil die von ihm bei der Ausübung seines dinglichen Rechts gegenüber dem Sicherungsgeber zu beachtenden Treuepflichten nicht weiter reichen als die durch den Sicherungsvertrag vorrangig begründete Rückgewährpflicht. Das gilt nicht nur für die unterbliebene Einforderung der zwischen dem Zuschlag und der Ablösung des Rechts entstandenen Grundschuldzinsen, sondern auch für den hier gegebenen Fall, dass der Gläubiger bereits in dem Versteigerungsverfahren von der Geltendmachung der zur Tilgung der persönlichen Schuld nicht benötigten dinglichen Zinsen absieht.

Der zum Teil erhobene Einwand, der Sicherungsgeber habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Gläubiger die Grundschuld vollständig - und nicht nur in dem zur Deckung der persönlichen Schuld benötigten Umfang - verwerte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist richtig, dass der Sicherungsnehmer auf Grund des Sicherungsvertrags an sich bestrebt sein muss, im Interesse des Sicherungsgebers das bestmögliche Verwertungsergebnis zu erzielen. Das gilt selbst dann, wenn die Verwertung der Sicherheit einen Erlös verspricht, der über dem Betrag der gesicherten Ansprüche liegt. Diese Pflicht besteht gleichwohl nicht uneingeschränkt, sondern nur im Rahmen dessen, was dem Gläubiger im konkreten Fall an Verwertungsbemühungen zugemutet werden kann, und soweit keine eigenen schutzwürdigen Sicherungsinteressen des Gläubigers entgegenstehen.

Das lässt die Geltendmachung nicht angefallener Grundschuldzinsen durch den Grundschuldgläubiger in einem von einem nachrangigen Gläubiger betriebenen Versteigerungsverfahren, in dem das vorrangige Grundpfandrecht bestehen bleibt, nicht geboten erscheinen. Hier hat der Grundschuldgläubiger, anders als bei der Verwertung seines eigenen Grundpfandrechts, mit der Versteigerung und mit der anschließenden Verteilung des Erlöses nichts zu tun; er ist auch nicht gehalten, nach der Erlösverteilung die der Grundschuld zugrundeliegende persönliche Schuld abzurechnen und einen etwaigen Überschuss an den Sicherungsgeber auszukehren.

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