12.07.2016

Der Fall "Jörg Kachelmann": Geldentschädigung wegen Berichterstattung in den Springer Medien

Liegt keine Pressekampagne vor, die es erlaubt, im Wege der Gesamtbetrachtung eine Gesamtsumme als Geldentschädigung festzusetzen, muss jede einzelne Berichterstattung daraufhin überprüft werden, ob sie den Rahmen des Zulässigen überschritten hat und ob die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten ist. Das ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die dadurch verursachte Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgeglichen werden kann.

OLG Köln 12.7.2016, 15 U 175/15 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Moderator, Journalist und Unternehmer Jörg Kachelmann, einer breiten Öffentlichkeit insbes. durch die Wettervorhersage in Sendungen der ARD bekannt. Er hat gegen Axel Springer SE und Bild GmbH & Co. KG auf Zahlung von Geldentschädigung i.H.v. insgesamt 2,25 Mio. € geklagten. Es ging um Internet- und Printveröffentlichungen in der Zeit von März 2010 bis März 2012 im Zusammenhang mit einem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren. Es handelte sich dabei um wörtliche Veröffentlichungen seines sms- und E-Mail-Verkehrs sowie die Veröffentlichung von Fotos, die ihn etwa beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigten. Von den Vorwürfen wurde der Kläger letztlich freigesprochen.

Das LG verurteilte die Beklagten in erster Instanz dazu, wegen 38 Fällen insgesamt einen Betrag von 635.000 € an den Kläger zu zahlen. Auf die Berufungen der Parteien hat das OLG den Betrag auf insgesamt 395.000 € herabgesetzt. Davon entfallen 215.000 € auf die Springer SE für 14 Printveröffentlichungen und 180.000 € auf die Bild GmbH & Co KG für 12 Onlineveröffentlichungen, wobei die Inhalte teilweise identisch sind. Im Berufungsverfahren hatte der Kläger noch eine Gesamtsumme von 950.000 € begehrt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Es konnte nicht von einer zielgerichteten Pressekampagne gegen den Kläger ausgegangen werden. Über den Verdacht einer Sexualstraftat durfte auch mit Rücksicht auf die Prominenz des Klägers grundsätzlich berichtet werden. Das hatten schließlich nicht nur die Medien der Beklagten, sondern auch Produkte anderer Verlagshäuser getan. Dazu gehörten auch die im Rahmen des Ermittlungsverfahren zu Tage getretenen Umstände aus dem Privat- und Beziehungsleben des Klägers, zumal das Strafgericht durch die Vernehmung von Beziehungszeuginnen zu erkennen gegeben hatte, dass es ihm für die Beweisaufnahme auch auf die privaten Verhältnisse des Klägers angekommen war.

Da keine Pressekampagne vorlag, die es erlaubt hätte, im Wege der Gesamtbetrachtung eine Gesamtsumme als Geldentschädigung festzusetzen, hat der Senat jede einzelne Berichterstattung daraufhin überprüft, ob sie den Rahmen des Zulässigen überschritten hatte und ob die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten war. Das ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die dadurch verursachte Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgeglichen werden kann.

Im Einzelnen wurden dem Kläger insgesamt 235.000 € wegen insgesamt 13 Bildveröffentlichungen zugesprochen. Dazu zählten etwa Bilder, die den Kläger im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidigerin (je 10.000 - 15.000 €), auf dem Weg in den Urlaub und am Ort seiner Hochzeit (je 20.000 €) und als Untersuchungshäftling im Hof der Justizvollzugsanstalt (20.000 - 25.000 €), davon einmal mit nacktem Oberkörper (30.000 €) zeigten. Insbesondere beim letztgenannten Bild war der Kläger unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums vorgeführt worden. Und dies war sogar vorsätzlich geschehen, da das LG den Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits die Veröffentlichung von ähnlichen Bildern verboten gehabt hatte.

Außerdem hat der Kläger einen Anspruch auf eine Entschädigung i.H.v. insgesamt 70.0000 € wegen der Verletzungen seiner Geheimsphäre in sechs Fällen. Das betraf etwa die Veröffentlichung des privaten SMS-Verkehrs (15.000 €) bzw. Angaben zur gesundheitlichen Situation des Klägers (10.000 €). Weiter wurde dem Kläger insgesamt ein Betrag von 40.000 € wegen der Verletzung seiner Intimsphäre in drei Fällen zugesprochen, da die Beklagten intime Details zu seinem Sexualleben veröffentlicht hatten. Insofern folgte der Senat der Vorinstanz nicht, weil die Inhalte auch im Strafverfahren zur Sprache gekommen waren. Schließlich erhält der Kläger 50.000 € wegen unzulässiger Vorverurteilung in vier Fällen. So hatten die Beklagten in verschiedenen Veröffentlichungen eine unzulässige Verdachtsberichterstattung betrieben, die nicht von einem hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen gedeckt war.

Ein Anspruch wegen Falschberichterstattung liegt nicht vor. Zwar hatte es falsche Berichte gegeben, eine Geldentschädigung schied jedoch aus, da der Kläger in seinem eigenen Buch ähnliche Details geschildert hat. Keine Geldentschädigung erhält der Kläger zudem für zahlreiche Berichterstattungen, für die er bislang keine Unterlassungsforderungen gestellt hatte. Daraus ließ sich schließen, dass die Eingriffe für ihn kein besonderes Gewicht gehabt hatten.

Bei der Bemessung der Geldentschädigung hat der Senat eine Gesamtabwägung vorgenommen. Dabei hat er auch berücksichtigt, dass es mit dem Strafverfahren tatsächlich einen Anlass für die Berichterstattung gab und die für den Kläger negativen Folgen des Strafverfahrens in der öffentlichen Wahrnehmung nicht den Beklagten angelastet werden können. Daneben hat der Senat auch den Verbreitungsgrad der Medien der Beklagten, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung und, insbesondere in den Fällen vorsätzlicher Persönlichkeitsrechtsverletzung, den Präventionsgedanken und die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung berücksichtigt.

OLG Köln PM vom 12.7.2016
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