11.08.2011

Der Klage eines Insolvenzgläubigers auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle muss kein Schlichtungsverfahren vorausgehen

Die Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Insolvenzgläubiger die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle betreibt, ist nicht von der vorherigen Durchführung eines Verfahrens der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung abhängig. Den Streitwert einer solchen Klage kann der anmeldende Gläubiger regelmäßig nicht im Voraus ermessen.

BGH 9.6.2011, IX ZR 213/10
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Treuhänderin in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des S. Eine von der Klägerin wegen einer Kontoüberziehung des Schuldners zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung i.H.v. rd. 3.500 € wurde von ihr vorläufig bestritten. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Feststellung ihrer Forderung zur Tabelle.

Das AG setzte den Streitwert der Klage auf 400 € fest und wies die Klage als unzulässig ab, weil vor der Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung des Landes Baden-Württemberg (SchlG BW) durchgeführt worden war. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Insolvenzgläubiger die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle betreibt, ist nicht von der vorherigen Durchführung eines Verfahrens der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung abhängig.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SchlG BW ist die Erhebung der Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert bei Einreichung der Klage 750 € nicht übersteigt, erst zulässig, nachdem von einer Gütestelle i.S.v. § 15a Abs. 1 und 6 EGZPO versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Das Landesgesetz macht damit von der Öffnungsklausel in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGZPO Gebrauch. Vom Erfordernis einer vorherigen Streitschlichtung ausgenommen sind Klagen, die sich aus verschiedenen Gründen für die Schlichtung sachlich nicht eignen (§ 1 Abs. 2 SchlG BW, § 15a Abs. 2 S. 1 EGZPO).

Klagen nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 InsO, mit denen Gläubiger die Feststellung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle betreiben, fallen nicht unter § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SchlG BW. Wird der Forderungsanmeldung eines Gläubigers vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger widersprochen, hat der Gläubiger auf die Feststellung der Forderung zur Tabelle im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. Den Streitwert einer solchen Klage kann der anmeldende Gläubiger regelmäßig nicht im Voraus ermessen. Er bestimmt sich nämlich nicht nach dem Nominalbetrag der geltend gemachten Forderung, sondern nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist (§ 182 InsO). Die voraussichtliche Insolvenzquote hängt aber maßgeblich von Faktoren ab, die noch nicht feststehen und vom anmeldenden Gläubiger meist auch nicht näherungsweise beurteilt werden können.

Das Schlichtungsverfahren ist vornehmlich für Bagatellstreitigkeiten vorgesehen, die keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufwerfen. Feststellungsklagen nach § 180 Abs. 1 InsO können für die Beteiligten aber von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Die mangelnde Eignung des Schlichtungsverfahrens für die Fallgestaltung einer Feststellungsklage nach § 180 Abs. 1 InsO zeigt sich auch darin, dass im Schlichtungsverfahren nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - die Rechtsfolgen herbeigeführt werden können, die mit einer gerichtlichen Feststellung verbunden sind.

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