03.07.2012

Der Weiterverkauf "gebrauchter" - aus dem Internet heruntergeladener - Softwarelizenzen ist zulässig

Ein Softwarehersteller kann sich dem Weiterverkauf seiner "gebrauchten" Lizenzen, die die Nutzung seiner aus dem Internet heruntergeladenen Programme ermöglichen, nicht widersetzen. Das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer derart lizenzierten Programmkopie erschöpft sich mit dem Erstverkauf.

EuGH 3.7.2012, C-128/11
Hintergrund:
Nach der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen erschöpft sich das Recht zur Verbreitung einer Programmkopie in der EU mit dem Erstverkauf dieser Kopie durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung. So verliert der Rechtsinhaber, der eine Kopie in einem Mitgliedstaat der Union vermarktet hat, die Möglichkeit, sich auf sein Verwertungsmonopol zu berufen, um sich dem Weiterverkauf der Kopie zu widersetzen. Im vorliegenden Fall macht die Firma Oracle geltend, der in der Richtlinie vorgesehene Erschöpfungsgrundsatz sei nicht auf Nutzungslizenzen für aus dem Internet heruntergeladene Computerprogramme anwendbar.

Der Sachverhalt:
Oracle entwickelt und vertreibt, insbes. per Download über das Internet, sog. "Client-Server-Software". Dabei lädt der Kunde von der Oracle-Internetseite eine Programmkopie auf seinen Computer. Das durch einen Lizenzvertrag gewährte Nutzungsrecht an einem solchen Programm umfasst die Befugnis, die Kopie dieses Programms dauerhaft auf einem Server zu speichern und bis zu 25 Nutzern dadurch Zugriff zu gewähren, dass die Kopie in den Arbeitsspeicher ihrer Arbeitsplatzrechner geladen wird.

In den Lizenzverträgen ist vorgesehen, dass der Kunde ausschließlich für seine internen Geschäftszwecke ein unbefristetes und nicht abtretbares Nutzungsrecht erwirbt. Im Rahmen eines Software-Pflegevertrags können auch aktualisierte Versionen der Software ("Updates") und Programme zur Fehlerbehebung ("Patches") von der Internetseite heruntergeladen werden.

UsedSoft ist ein deutsches Unternehmen, das mit Lizenzen handelt, die es Oracle-Kunden abgekauft hat. Die UsedSoft-Kunden, die noch nicht im Besitz der Software sind, laden nach dem Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz unmittelbar von der Internetseite von Oracle eine Programmkopie herunter. Kunden, die bereits über das Programm verfügen, können eine Lizenz oder einen Teil der Lizenz für zusätzliche Nutzer hinzuerwerben. In diesem Fall laden die Kunden die Software in die Arbeitsplatzrechner dieser weiteren Nutzer.

Oracle hat UsedSoft vor den deutschen Gerichten verklagt, um Letzterer diese Praxis untersagen zu lassen. Der letztinstanzlich mit diesem Rechtsstreit befasste BGH hat den EuGH ersucht, die Richtlinie in diesem Kontext auszulegen.

Die Gründe:
Der Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts gilt nicht nur dann, wenn der Urheberrechtsinhaber die Kopien seiner Software auf einem Datenträger (CD-ROM oder DVD) vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch Herunterladen von seiner Internetseite verbreitet.

Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden eine - körperliche oder nichtkörperliche - Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig einen entgeltlichen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er die Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht. Das Eigentum wird übertragen, mit der Folge, dass sich der Urheberrechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf der Kopie nicht mehr widersetzen kann. Anderenfalls könnte der Urheberrechtsinhaber bei jedem Weiterverkauf erneut ein Entgelt verlangen, obwohl er schon beim Erstverkauf der betreffenden Kopie eine angemessene Vergütung erzielen konnte. Eine solche Beschränkung des Weiterverkaufs von aus dem Internet heruntergeladenen Programmkopien ginge über das zur Wahrung des geistigen Eigentums Erforderliche hinaus.

Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts erstreckt sich auch auf die Programmkopie in der vom Urheberrechtsinhaber verbesserten und aktualisierten Fassung. Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen nämlich Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und können vom Kunden ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden. Allerdings berechtigt die Erschöpfung des Verbreitungsrechts den Ersterwerber nicht dazu, die Lizenz aufzuspalten und teilweise weiterzuverkaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt.

Ferner ist zu beachten, dass der ursprüngliche Erwerber der Programmkopie die auf seinen Computer heruntergeladene Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar machen muss. Anderenfalls würde er gegen das ausschließliche Recht des Urheberrechtsinhabers auf Vervielfältigung seines Computerprogramms verstoßen. Denn im Gegensatz zum ausschließlichen Verbreitungsrecht erschöpft sich dieses nicht mit dem Erstverkauf. Die Richtlinie erlaubt allerdings jede Vervielfältigung, die für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Solche Vervielfältigungen dürfen nicht vertraglich untersagt werden.

Jeder spätere Erwerber einer Kopie, für die das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers erloschen ist, ist insoweit rechtmäßiger Erwerber in diesem Sinne. Er kann also die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie auf seinen Computer herunterladen. Dieses Herunterladen ist als Vervielfältigung eines Computerprogramms anzusehen, die für die bestimmungsgemäße Nutzung dieses Programms durch den neuen Erwerber erforderlich ist. Folglich kann der neue Erwerber der Nutzungslizenz, wie z.B. ein UsedSoft-Kunde, als rechtmäßiger Erwerber der betreffenden verbesserten und aktualisierten Programmkopie diese von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterladen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 94 vom 3.7.2012
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