Die 2004 erlassene italienische Regelung über die Anpassung der steuerlichen Werte der Aktiva im Bankensektor stellt Beihilfe dar
EuGH 21.6.2012, C-452/10 PDas europäische Recht über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften in zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen, sieht eine steuerneutrale Regelung bei der Einbringung von Unternehmensteilen zwischen Gesellschaften vor. Der Mechanismus der "steuerlichen Neutralität" oder der "unterschiedlichen Bewertung" besteht darin, dass bei einer Einbringung von Aktiva der steuerliche Wert nicht sofort dem Buchwert angepasst wird. Dagegen ist der Mechanismus der "steuerlichen Wertanpassung" ein steuerlicher Vorgang, der darin besteht, den steuerlichen Wert der Aktiva ihrem Buchwert anzupassen, und der zur Berücksichtigung des steuerlichen Wertzuwachses führt, der dann besteuert wird.
Der Sachverhalt:
1990 sah die italienische Regelung vor, dass eine Einbringung von Aktiva steuerlich einem Verkauf von Aktiva gleichgesetzt war und einer Steuer auf den Wertzuwachs unterlag. Das Gesetz 218/90 sollte es den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten ermöglichen, die Rechtsform von Aktiengesellschaften anzunehmen. Zur Erleichterung dieser Vorgänge sah dieses Gesetz eine teilweise steuerneutrale Regelung i.H.v. 85 Prozent des zum Zeitpunkt der Einbringung der Bankaktiva erzielten Wertzuwachses vor. Diese teilweise steuerneutrale Regelung führte zu einer doppelt unterschiedlichen Bewertung, sowohl bei den eingebrachten Aktiva als auch bei den im Tausch erhaltenen Aktien. Bei den einbringenden Körperschaften wurden die restlichen 15 Prozent des Wertzuwachses sofort zum normalen Satz der Körperschaftsteuer besteuert.
Durch ein Gesetz von 1993 wurden sodann die öffentlichen Kreditinstitute, deren Ausstattungsfonds vom Staat gehalten wurde, verpflichtet, die Form von Aktiengesellschaften anzunehmen. Später, im Jahr 2000, wurde eine Regelung der buchmäßigen Neubewertung der Aktiva und eine Regelung der Wertanpassung der steuerlichen Werte an die Buchwerte für die vom Gesetz 218/90 erfassten Gesellschaften und für die anderen Gesellschaften eingeführt. Die Finanzgesetze für die Jahre 2002 und 2004 verlängerten die 2000 eingeführte Regelung der Neubewertung und der Wertanpassung. Mit dem Finanzgesetz für 2004 wurde jedoch die Regelung der steuerlichen Wertanpassung für die Einbringungen der Aktiva von Gesellschaften, die nicht im Rahmen des Gesetzes 218/90 durchgeführt wurden, nicht verlängert.
Die Kommission erließ 2008 eine Entscheidung, wonach die 1990, 2000 und 2001 eingeführten Wertanpassungsregelungen allgemeine steuerliche Maßnahmen seien, die durch die dem Steuersystem zugrunde liegende Logik gerechtfertigt seien. Diese Maßnahmen könnten nicht als staatliche Beihilfen eingestuft werden. Die Ersatzsteuer werde nämlich unter gleichen Bedingungen auf alle Gesellschaften, ob Bankgesellschaften oder nicht, angewandt. Dagegen stellte die Kommission fest, dass das Finanzgesetz 2004 keine allgemeine Maßnahme darstelle, da es bestimmten Kreditinstituten Vorteile im Rahmen allein von Umstrukturierungen auf der Grundlage des Gesetzes 218/1990 vorbehalte. Die anderen Kreditinstitute und die anderen Gesellschaften hätten nicht in den Genuss der gleichen Regelung der steuerlichen Wertanpassung gelangen können.
Infolgedessen war die Kommission der Ansicht, dass die für den Bankensektor geltende Regelung einen selektiven Vorteil enthalte, der sich in einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Unternehmen auswirke und nicht durch die Natur des italienischen Steuersystems gerechtfertigt sei. Daher stelle diese Regelung eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe dar, die von Italien rechtswidrig eingeführt worden sei, und diese Beihilfe müsse von den Empfängerbanken zurückgefordert werden.
Das EuG wies die Klage der Banken BNP Paribas und der BNL, der Empfängerinnen der betreffenden staatlichen Beihilfe, auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission ab. Auf die Rechtsmittel der Banken hob der EuGH das Urteil zwar auf, wies die Klage aber aus anderen Gründen ab.
Die Gründe:
Das EuG hat einen Rechtsfehler begangen, da es keine umfassende Nachprüfung in Bezug auf die Frage vorgenommen hat, ob die Regelung der steuerlichen Neubewertung eine staatliche Beihilfe darstellt; sein Urteil war daher aufzuheben. Der EuGH konnte jedoch in der Sache selbst entscheiden und kam dabei zu dem Schluss, dass die streitige Steuerregelung zugunsten der Banken nicht durch die Logik des italienischen Steuersystems gerechtfertigt war.
Der Begriff der staatlichen Beihilfe umfasst staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Struktur der Regelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen. Der italienische Gesetzgeber hat nacheinander zwei unterschiedliche steuerneutrale Regelungen für die Wertzuwächse, die aufgrund der Einbringung von Aktiva in Gesellschaften erzielt werden, eingeführt, und zwar die eine im Rahmen der Umstrukturierung des Bankensektors und die andere im Rahmen von Einbringungen von Aktiva im Tausch gegen Aktien zwischen den anderen Gesellschaften. 1995 wurde eine Regelung der steuerlichen Wertanpassung den Wertzuwächsen vorbehalten, die durch Einbringung von Aktiva im Tausch gegen Aktien im Rahmen der Umstrukturierung des Bankensektors erzielt wurden.
Die in den Gesetzen Nr. 342/00 und 448/01 vorgesehenen Wertanpassungsregelungen haben es erlaubt, die erzielten Wertzuwächse gegen die Entrichtung einer für alle Unternehmen einheitlichen Ersatzsteuer steuerlich zu berücksichtigen, und dass sie als allgemeine steuerliche Maßnahmen, die durch die dem italienische Steuersystem zugrunde liegende Logik gerechtfertigt sind, zu betrachten sind. Dagegen wurde durch das Finanzgesetz für 2004 die Regelung für die Gesellschaften, die Aktiva aufgrund von im Rahmen des Gesetzes 218/1990 durchgeführten Vorgängen erhalten hatten, nicht verlängert. Die italienische Regierung hat außerdem eingeräumt, dass die Regelung den Banken einen Steuervorteil verschafft habe, während die anderen Gesellschaften nicht in dessen Genuss gelangt seien.
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