Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft
BGH v. 11.3.2025 - II ZB 9/24
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, ist im Handelsregister Abteilung B des AG Charlottenburg eingetragen. Mit einer notariell beglaubigten und in elektronischer Form eingereichten Anmeldung vom 22.12.2023 meldete der Vorstand unter Beifügung eines notariell beurkundeten Beschlusses der Hauptversammlung vom gleichen Tag eine Neufassung der Satzung, u.a. mit einer Änderung der Firma in "v. .de AG", an.
Das AG - Registergericht - lehnte die Eintragung ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem KG ebenso erfolglos wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.
Eine Firma muss nach § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung geeignet sein, damit sie ihre Namensfunktion (§ 17 Abs. 1 HGB) erfüllen kann, und Unterscheidungskraft besitzen. Die Vorschrift gilt gem. § 6 HGB i.V.m. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft. Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt eine Firma dann, wenn sie ihrer Art nach ("ursprünglich") die Gesellschaft von anderen Unternehmen unterscheiden und auf diese Weise individualisieren kann. Die Firma muss geeignet sein, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen unter vielen anderen zu wecken. Sie fehlt bei reinen Gattungsbezeichnungen, insbesondere rein beschreibenden Angaben, die Art und Gegenstand des Unternehmens anzeigen, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen kennzeichnen.
Bei der Bezeichnung der zur Eintragung angemeldeten Firma der Antragstellerin handelt es sich in der Second-Level-Domain um eine Gattungsbezeichnung in Verbindung mit einer Top-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben wird. Bei der Bezeichnung "v. " handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt. Diesem Firmenbestandteil fehlt die Unterscheidungskraft. Es ist umstritten, ob eine solche Firma allein aufgrund der Verbindung des nicht unterscheidungskräftigen Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt.
Teilweise wird angenommen, dass so eine Bezeichnung unabhängig von der fehlenden Unterscheidungskraft des verwendeten Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier ".de" - hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne. Nach anderer Ansicht führt bei einem Gattungsbegriff in der Second-Level-Domain auch der Zusatz einer Top-Level-Domain wie ".de" und die Tatsache, dass bei der Denic eG nur eine Internetadresse mit dem für die Firma gewählten Namen vergeben wird, nicht zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Die Kombination eines unspezifischen, keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese muss sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.
Die erforderliche Unterscheidungskraft erhält eine nicht unterscheidungskräftige Firma nicht deswegen, weil derselbe Domainname nicht noch einmal vergeben werden darf. Durch die gewählte Top-Level-Domain ".de" wird auf die Registrierung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic eG hingewiesen. Werden weitere Unternehmen mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains (".com", ".net") bei der Denic eG registriert, schützt die Top-Level-Domain nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | HGB
§ 18 Firma des Kaufmanns
Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023
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Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, ist im Handelsregister Abteilung B des AG Charlottenburg eingetragen. Mit einer notariell beglaubigten und in elektronischer Form eingereichten Anmeldung vom 22.12.2023 meldete der Vorstand unter Beifügung eines notariell beurkundeten Beschlusses der Hauptversammlung vom gleichen Tag eine Neufassung der Satzung, u.a. mit einer Änderung der Firma in "v. .de AG", an.
Das AG - Registergericht - lehnte die Eintragung ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem KG ebenso erfolglos wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Die Firma "v. .de AG" besitzt nicht die nach § 18 Abs. 1 HGB erforderliche Unterscheidungskraft.
Eine Firma muss nach § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung geeignet sein, damit sie ihre Namensfunktion (§ 17 Abs. 1 HGB) erfüllen kann, und Unterscheidungskraft besitzen. Die Vorschrift gilt gem. § 6 HGB i.V.m. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft. Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt eine Firma dann, wenn sie ihrer Art nach ("ursprünglich") die Gesellschaft von anderen Unternehmen unterscheiden und auf diese Weise individualisieren kann. Die Firma muss geeignet sein, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen unter vielen anderen zu wecken. Sie fehlt bei reinen Gattungsbezeichnungen, insbesondere rein beschreibenden Angaben, die Art und Gegenstand des Unternehmens anzeigen, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen kennzeichnen.
Bei der Bezeichnung der zur Eintragung angemeldeten Firma der Antragstellerin handelt es sich in der Second-Level-Domain um eine Gattungsbezeichnung in Verbindung mit einer Top-Level-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der deutschen zentralen Registrierungsstelle für alle Domains (Denic eG) nur einmal vergeben wird. Bei der Bezeichnung "v. " handelt es sich um eine bloße Gattungsbezeichnung, die Art und Gegenstand des Unternehmens allgemein im Kern anzeigt. Diesem Firmenbestandteil fehlt die Unterscheidungskraft. Es ist umstritten, ob eine solche Firma allein aufgrund der Verbindung des nicht unterscheidungskräftigen Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB besitzt.
Teilweise wird angenommen, dass so eine Bezeichnung unabhängig von der fehlenden Unterscheidungskraft des verwendeten Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier ".de" - hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne. Nach anderer Ansicht führt bei einem Gattungsbegriff in der Second-Level-Domain auch der Zusatz einer Top-Level-Domain wie ".de" und die Tatsache, dass bei der Denic eG nur eine Internetadresse mit dem für die Firma gewählten Namen vergeben wird, nicht zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend. Die Kombination eines unspezifischen, keine Unterscheidungskraft besitzenden Branchen- bzw. Gattungsbegriffs in der Second-Level-Domain mit einer Top-Level-Domain verleiht der Firma nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 HGB. Diese muss sich vielmehr aus der sog. Second-Level-Domain ergeben.
Die erforderliche Unterscheidungskraft erhält eine nicht unterscheidungskräftige Firma nicht deswegen, weil derselbe Domainname nicht noch einmal vergeben werden darf. Durch die gewählte Top-Level-Domain ".de" wird auf die Registrierung durch die deutsche Registrierungsstelle Denic eG hingewiesen. Werden weitere Unternehmen mit derselben Second-Level-Domain mit anderen Top-Level-Domains (".com", ".net") bei der Denic eG registriert, schützt die Top-Level-Domain nicht hinreichend vor einer Verwechselungsgefahr im Geschäftsverkehr.
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§ 18 Firma des Kaufmanns
Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023
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