06.08.2024

Dieselskandal: Zur deliktischen Haftung des Fahrzeugherstellers

Der BGH hat sich vorliegend einmal mehr mit der deliktischen Haftung des Fahrzeugherstellers wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung gegenüber dem Käufer eines Fahrzeugs befasst.

BGH v. 12.3.2024 - VI ZR 381/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch. Der Kläger erwarb am 27.6.2015 bei einem Händler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat Variant Comfortline zu einem Preis von brutto 16.990 €. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor des Typs EA189. Dieser Motor war mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde, und schaltete in diesem Fall in einen Abgasrückführungsmodus mit niedrigem Stickoxidausstoß. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltete der Motor dagegen in einen Abgasrückführungsmodus mit höherem Stickoxidausstoß.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete im Oktober 2015 gegenüber der Beklagten u.a. an, die Abschalteinrichtung bei allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier im Streit stehenden Fahrzeugtyps ansah. Der Kläger ließ das Software-Update im Juli 2016 installieren. Mit seiner Klage begehrt der Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - in erster Linie die ungekürzte Erstattung des Bruttokaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs nebst Delikts- und Rechtshängigkeitszinsen; lediglich hilfsweise verlangt er diese Erstattung unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die von ihm seit dem Kauf mit dem Fahrzeug zurückgelegte Strecke (Berufungsantrag zu 1). Der Kläger begehrt ferner die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klage-und Berufungsantrag zu 2) sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden (Klage- und Berufungsantrag zu 4).

Das LG wies die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 4) als unzulässig, im Übrigen als unbegründet ab. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das OLG die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Erstattung des Bruttokaufpreises, jedoch nur unter Abzug einer Nutzungsentschädigung i.H.v. rd. 8.000 € im Wege der Vorteilsausgleichung, nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie teilweise zu der begehrten Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Die Revision des Klägers, mit der er sich gegen die Teilabweisung seiner Klage wendet hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Soweit die Revision die Teilabweisung der geltend gemachten Zinsen (Berufungsantrag zu 1) aus der zuerkannten Hauptforderung angreift, ist sie mangels Begründung unzulässig Unbegründet ist die Revision, soweit sie sich gegen die Teilabweisung der Klage auf Rückerstattung des von dem Kläger bezahlten Bruttokaufpreises sowie des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf Freistellung von vorgerichtlichen Kosten wendet.

Die dem jeweils zugrundeliegende, von der Revision beanstandete Annahme des OLG, der Kläger müsse sich auf seinen nach § 826 BGB begründeten Schadensersatzanspruch im Wege der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, steht im Einklang mit gefestigter Rechtsprechung des Senats. Die Revision bringt dagegen ohne Erfolg vor, der Beklagten sei "unter Billigkeitserwägungen die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung zu versagen". Eine unangemessene Entlastung der Beklagten liegt in der Vorteilsausgleichung nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen der Revision, die durch die anfängliche Umschaltlogik begründete Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs des Klägers habe auch nach der Durchführung des Software-Updates im Juli 2016 fortbestanden, die Schädigung des Klägers sei durch das Update also "perpetuiert" worden, weil nach dessen Installation - wobei Zweifel bestünden, ob der Mangel technisch überhaupt behebbar sei - "Folgeschäden" nicht auszuschließen oder sogar konkret zu befürchten seien, zumal in ihm ein unzulässiges "Thermofenster" enthalten sei.

Derartige Eigenschaften des Software-Updates, zu deren Vorliegen das OLG keine Feststellungen getroffen hat, mögen für die Beurteilung eine Rolle spielen, ob und inwieweit ein nachträgliches Software-Update geeignet ist, eine schadensersatzrechtlich etwa bedeutsame Differenz zwischen dem objektiven Wert des erworbenen Fahrzeugs und dem dafür bezahlten Kaufpreis nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung oder aber einen so genannten Differenzschaden zu reduzieren. Auf eine solche Wertdifferenz und deren etwaige Reduzierung kommt es für den Anspruch des Klägers auf (wirtschaftlich gesehen) Rückgängigmachung des Vertrags gegenüber der Beklagten aber von vornherein nicht an. Eine Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs, die - läge eine solche vor - mit der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auch in das Software-Update verbunden sein mag, kann der Nutzungsanrechnung, die die Revision hier beanstandet, schon deshalb nicht entgegengehalten werden, weil sich eine solche Gefahr insoweit, wie Nutzungen tatsächlich gezogen worden sind, gerade nicht realisiert hat.

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