DS-GVO: Schmerzensgeld nach Kontaktaufnahme mit dem Vorgesetzten des Schuldners
LG Köln v. 28.9.2022 - 28 O 21/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der B-GmbH als Berater bzw. Verkäufer für PKW- und Bankprodukte tätig. Der Beklagte zu 2) ist ebenfalls in diesem Geschäftsbereich tätig, und zwar in der Verkaufsleitung der Beklagten zu 1). Im April 2021 hatte sich der Kläger an die Beklagten gewandt, um einen PKW zu privaten Zwecken zu kaufen und über die C. zu finanzieren. Auf Wunsch des Klägers erfolgte die Kommunikation dabei über das berufliche E-Mail-Postfach des Klägers. Das Fahrzeug wurde am 11.6.2021 übergeben. Da die Übergabe nicht zufriedenstellend verlief, vermerkte der Kläger dies im Rahmen der ihm zugesandten formalisierten Kundenbefragung. Diese hatte bei der Beklagten zu 1) eine kritische Überprüfung der Arbeit des Beklagten zu 2) zur Folge.
Hierauf kontaktierte Herr L. den Kläger auf seinem geschäftlichen E-Mail Account. Der Kläger teilte mit, dass er zu der Bewertung stehe und teilte überdies auch mit, dass er den nachträglichen Kontakt aufgrund der von ihm vorgenommen Bewertung für unpassend halte und keinen weiteren Kontakt wünsche. Kurz darauf wandte sich die C. an die Beklagte zu 1) und teilte mit, dass der Kläger noch nicht sämtliche Nachweise für die Finanzierung erbracht habe, so dass es noch nicht zu einer Auszahlung kommen könne (sog. Pending). Der Kläger war zuvor über die Notwendigkeit der Nachweise informiert worden. Mit E-Mail vom 14.7.2021 wandte sich der Beklagte zu 2) an den Vorgesetzten des Klägers und informierte diesen über den Autokauf und die Probleme mit der Finanzierung. Es folgten ein Gespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Kläger sowie ein Streitgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), woraufhin Letzterer sich entschuldigte.
Der Kläger hat behauptet, die Offenlegungen des privaten Autokaufs bei einem Konkurrenzunternehmen und der Nebeneinkünfte hätten das Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber zerstört. Er war der Ansicht, ihm stünde ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, dessen Höhe er ins Ermessen des Gerichts stelle, das aber mind. 100.000 € betragen müsse.
Das LG gab der Klage i.H.v. 4.000 € statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes i.H.v. 4.000 € aus Art. 82 DS-GVO.
Die Beklagte zu 1) hat personenbezogene Daten des Klägers i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dadurch verarbeitet, dass sie die streitgegenständliche E-Mail an Herrn L. versandt hatte. Sie musste sich dabei die Handlung ihres Angestellten, des Beklagten zu 2), zurechnen lassen. Zur Verarbeitung i.S.d. DS-GVO zählt auch die "Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung".
Die Offenlegung der Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger an den Vorgesetzten des Klägers war auch rechtswidrig. Sie unterfiel keinem Rechtfertigungstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO. Insbesondere war sie nicht zur Erfüllung des Vertrags mit dem Kläger "erforderlich". Denn der Vorgesetzte des Klägers war in keiner Weise in den Vertrag involviert und für die private Lebensführung des Klägers auch offensichtlich in keiner Weise verantwortlich. Es ist nicht im Ansatz zu erkennen, warum der Gläubiger eines Schuldverhältnisses sich veranlasst sehen dürfte, sich an den Vorgesetzten seines Schuldners zu wenden um diesen dazu zu bringen, auf den Schuldner einzuwirken.
Etwas anderes ergab sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger ebenfalls als Autoverkäufer in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist. Gerade in einem solchen Fall drängt sich vielmehr der Gedanke förmlich auf, dass dem Kläger aus einer Offenlegung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Konkurrenzunternehmen Probleme erwachsen können, was für die Erfüllung des Vertrags nicht förderlich sein dürfte.
Die Beklagte zu 1) war für den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO auch verantwortlich und musste sich das Verhalten ihres Mitarbeiters zurechnen lassen. Eine Exkulpation nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO kam nicht in Betracht. Soweit die Beklagte zu 1) schlicht darauf abstellte, dass der Beklagte zu 2) dem Kläger keinen Schaden habe zufügen wollen, verfing dies nicht. Die Versendung der E-Mail erfolgte zudem vorsätzlich. Eine Schädigungsabsicht setzt Art. 82 DS-GVO nicht voraus.
Letztlich war der Verstoß auch derart gravierend, dass er eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) auslöste, allerdings nur in tenorierter Höhe. Der Vortrag des Klägers zur Zerrüttung seines Arbeitsverhältnisses blieb unsubstantiiert und prozessual unbeachtlich. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds war zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich beim Kläger entschuldigt hatte. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck von Art. 82 DS-GVO das Schmerzensgeld so zu bemessen war, dass es eine abschreckende Wirkung auf die Beklagte ausübte. Dabei war jedoch darauf zu achten, dass auch nach der Konzeption des Art. 82 DS-GVO der Schadensersatz nicht in einen Strafschadensersatz ausartet. In diesem Zusammenhang war für die Kammer entscheidend auf die finanzielle Situation der Beklagten zu 1) abzustellen, nicht hingegen auf die Finanzkraft des dahinterstehenden Konzerns.
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Justiz NRW
Der Kläger ist bei der B-GmbH als Berater bzw. Verkäufer für PKW- und Bankprodukte tätig. Der Beklagte zu 2) ist ebenfalls in diesem Geschäftsbereich tätig, und zwar in der Verkaufsleitung der Beklagten zu 1). Im April 2021 hatte sich der Kläger an die Beklagten gewandt, um einen PKW zu privaten Zwecken zu kaufen und über die C. zu finanzieren. Auf Wunsch des Klägers erfolgte die Kommunikation dabei über das berufliche E-Mail-Postfach des Klägers. Das Fahrzeug wurde am 11.6.2021 übergeben. Da die Übergabe nicht zufriedenstellend verlief, vermerkte der Kläger dies im Rahmen der ihm zugesandten formalisierten Kundenbefragung. Diese hatte bei der Beklagten zu 1) eine kritische Überprüfung der Arbeit des Beklagten zu 2) zur Folge.
Hierauf kontaktierte Herr L. den Kläger auf seinem geschäftlichen E-Mail Account. Der Kläger teilte mit, dass er zu der Bewertung stehe und teilte überdies auch mit, dass er den nachträglichen Kontakt aufgrund der von ihm vorgenommen Bewertung für unpassend halte und keinen weiteren Kontakt wünsche. Kurz darauf wandte sich die C. an die Beklagte zu 1) und teilte mit, dass der Kläger noch nicht sämtliche Nachweise für die Finanzierung erbracht habe, so dass es noch nicht zu einer Auszahlung kommen könne (sog. Pending). Der Kläger war zuvor über die Notwendigkeit der Nachweise informiert worden. Mit E-Mail vom 14.7.2021 wandte sich der Beklagte zu 2) an den Vorgesetzten des Klägers und informierte diesen über den Autokauf und die Probleme mit der Finanzierung. Es folgten ein Gespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Kläger sowie ein Streitgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), woraufhin Letzterer sich entschuldigte.
Der Kläger hat behauptet, die Offenlegungen des privaten Autokaufs bei einem Konkurrenzunternehmen und der Nebeneinkünfte hätten das Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber zerstört. Er war der Ansicht, ihm stünde ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, dessen Höhe er ins Ermessen des Gerichts stelle, das aber mind. 100.000 € betragen müsse.
Das LG gab der Klage i.H.v. 4.000 € statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes i.H.v. 4.000 € aus Art. 82 DS-GVO.
Die Beklagte zu 1) hat personenbezogene Daten des Klägers i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dadurch verarbeitet, dass sie die streitgegenständliche E-Mail an Herrn L. versandt hatte. Sie musste sich dabei die Handlung ihres Angestellten, des Beklagten zu 2), zurechnen lassen. Zur Verarbeitung i.S.d. DS-GVO zählt auch die "Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung".
Die Offenlegung der Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger an den Vorgesetzten des Klägers war auch rechtswidrig. Sie unterfiel keinem Rechtfertigungstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO. Insbesondere war sie nicht zur Erfüllung des Vertrags mit dem Kläger "erforderlich". Denn der Vorgesetzte des Klägers war in keiner Weise in den Vertrag involviert und für die private Lebensführung des Klägers auch offensichtlich in keiner Weise verantwortlich. Es ist nicht im Ansatz zu erkennen, warum der Gläubiger eines Schuldverhältnisses sich veranlasst sehen dürfte, sich an den Vorgesetzten seines Schuldners zu wenden um diesen dazu zu bringen, auf den Schuldner einzuwirken.
Etwas anderes ergab sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger ebenfalls als Autoverkäufer in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist. Gerade in einem solchen Fall drängt sich vielmehr der Gedanke förmlich auf, dass dem Kläger aus einer Offenlegung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Konkurrenzunternehmen Probleme erwachsen können, was für die Erfüllung des Vertrags nicht förderlich sein dürfte.
Die Beklagte zu 1) war für den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO auch verantwortlich und musste sich das Verhalten ihres Mitarbeiters zurechnen lassen. Eine Exkulpation nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO kam nicht in Betracht. Soweit die Beklagte zu 1) schlicht darauf abstellte, dass der Beklagte zu 2) dem Kläger keinen Schaden habe zufügen wollen, verfing dies nicht. Die Versendung der E-Mail erfolgte zudem vorsätzlich. Eine Schädigungsabsicht setzt Art. 82 DS-GVO nicht voraus.
Letztlich war der Verstoß auch derart gravierend, dass er eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) auslöste, allerdings nur in tenorierter Höhe. Der Vortrag des Klägers zur Zerrüttung seines Arbeitsverhältnisses blieb unsubstantiiert und prozessual unbeachtlich. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds war zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich beim Kläger entschuldigt hatte. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck von Art. 82 DS-GVO das Schmerzensgeld so zu bemessen war, dass es eine abschreckende Wirkung auf die Beklagte ausübte. Dabei war jedoch darauf zu achten, dass auch nach der Konzeption des Art. 82 DS-GVO der Schadensersatz nicht in einen Strafschadensersatz ausartet. In diesem Zusammenhang war für die Kammer entscheidend auf die finanzielle Situation der Beklagten zu 1) abzustellen, nicht hingegen auf die Finanzkraft des dahinterstehenden Konzerns.
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Michael Weber, CR 2022, 503
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