eBay-Abbruchjäger: Zur sekundären Darlegungslast des Bieters
OLG Braunschweig v. 13.10.2022 - 7 U 593/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Übereignung eines BMW E65 730d Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises, Fristsetzung zur Herausgabe und für den Fall des erfolglosen Fristablaufes Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz sowie Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten hinsichtlich der Kaufpreiszahlung und die Zahlung von Rechtsanwaltskosten. Der Beklagte hat behauptet, dass die Klägerin lediglich eine "Strohfrau" ihres bei Ebay gesperrten Bruders ... sei, der als sog. "Ebay-Abbruchjäger" handele.
Das LG hat der Klage nur hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltskosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es war der Ansicht, der Klägerin stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf Übergabe und Übereignung Zug um Zug gegen Zahlung von 2.810 € zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich zunächst nicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Unabhängig davon, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei oder nicht, sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Übergabe und Übereignung jedenfalls wegen Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB untergegangen.
Die Klägerin war der Auffassung, eine Unmöglichkeit könne nicht angenommen werden. Allein das fehlende Eigentum führe nicht dazu, dass der Anspruch der Klägerin auf Übergabe und Eigentumsverschaffung gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Eine objektive Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 2. Alt. BGB liege definitiv nicht vor, denn diese sei gleichbedeutend mit genereller Unerfüllbarkeit. Die erste Alternative des § 275 Abs. 1 BGB sei ebenso wenig erfüllt. Die Eigentumsverschaffung sei dem Beklagten auch subjektiv nicht unmöglich. Selbst wenn der Beklagte nicht mehr Eigentümer des Fahrzeuges sei, müsste er nachweisen, dass er die Verfügungsmacht nicht wiedererlangen und insbesondere auch keine Genehmigung des berechtigten Dritten erlangen könne.
Die Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Unerheblich war, ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen war und - falls ja - dem Beklagten die Erfüllung unmöglich geworden war. Einem etwaigen Anspruch der Klägerin stand nämlich der Einwand des Rechtsmissbrauches entgegen, § 242 BGB. Eine rechtsmissbräuchliche "Abbruchjagd" kann auch dann vorliegen, wenn die Bieterin Erfüllung des Vertrages verlangt.
Steht die Behauptung im Raum, ein Nutzer trete nur als "Strohmann" für einen gesperrten "Abbruchjäger" auf, ist auch insoweit Vortrag zum Nutzungsverhalten der beteiligten Personen erforderlich. Hierbei hat der Käufer, dem eine "Abbruchjagd" vorgeworfen wird, eine sekundäre Darlegungslast. Eine solche sekundäre Darlegungslast trifft nach BGH-Rechtsprechung den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.
Die sekundäre Darlegungslast führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Gegner aber seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des primär Darlegungsbelasteten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin lediglich eine "Strohfrau" ihres bei Ebay gesperrten Bruders sei, der als sog. "Ebay-Abbruchjäger" handele. Dieser Vortrag war auch beachtlich, denn im Hinblick auf die vom Beklagten angeführten Indizien konnte seine Behauptung nicht als willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein". aufgestellt angesehen werden. Folglich hatte sich die Klägerin zu diesem Vortrag zu äußern. Da es dem Beklagten naturgemäß nicht möglich ist, Angaben dazu zu machen, nach welchen Kriterien die Klägerin bzw. ihr Bruder ... Angebote abgibt, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung Anbieter beobachtet werden (insbesondere im Hinblick auf Indizien für unberechtigte Abbrüche) und inwieweit das eigene Bieterverhalten davon abhängig gemacht wird, traf die Klägerin insoweit eine sekundäre Darlegungslast.
Dies galt auch zu den Umständen des konkreten Kaufes und zur Nutzung des Accounts der Klägerin durch Dritte, die selbst bei Ebay gesperrt sind, da dies Aspekte zu einem etwaigen "Strohmannverhältnis" betreffen und vom Beklagten nicht recherchiert werden können. Da dem Beklagten zu derartigen Handlungen kein eigener Vortrag möglich war und somit von einer sekundären Darlegungslast der Klägerin auszugehen war, war ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung angeordnet worden. In diesem Termin ist die Klägerin jedoch absichtlich nicht erschienen. Der Klägervertreter hat dazu angegeben, dass die Klägerin davon ausgehe, dass ihr Vortrag ausreichend sei. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin ist von ihm verneint worden. Folglich bestanden auch keine Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten.
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Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Übereignung eines BMW E65 730d Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises, Fristsetzung zur Herausgabe und für den Fall des erfolglosen Fristablaufes Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz sowie Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten hinsichtlich der Kaufpreiszahlung und die Zahlung von Rechtsanwaltskosten. Der Beklagte hat behauptet, dass die Klägerin lediglich eine "Strohfrau" ihres bei Ebay gesperrten Bruders ... sei, der als sog. "Ebay-Abbruchjäger" handele.
Das LG hat der Klage nur hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltskosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es war der Ansicht, der Klägerin stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf Übergabe und Übereignung Zug um Zug gegen Zahlung von 2.810 € zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich zunächst nicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Unabhängig davon, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei oder nicht, sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Übergabe und Übereignung jedenfalls wegen Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB untergegangen.
Die Klägerin war der Auffassung, eine Unmöglichkeit könne nicht angenommen werden. Allein das fehlende Eigentum führe nicht dazu, dass der Anspruch der Klägerin auf Übergabe und Eigentumsverschaffung gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Eine objektive Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 2. Alt. BGB liege definitiv nicht vor, denn diese sei gleichbedeutend mit genereller Unerfüllbarkeit. Die erste Alternative des § 275 Abs. 1 BGB sei ebenso wenig erfüllt. Die Eigentumsverschaffung sei dem Beklagten auch subjektiv nicht unmöglich. Selbst wenn der Beklagte nicht mehr Eigentümer des Fahrzeuges sei, müsste er nachweisen, dass er die Verfügungsmacht nicht wiedererlangen und insbesondere auch keine Genehmigung des berechtigten Dritten erlangen könne.
Die Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. Unerheblich war, ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen war und - falls ja - dem Beklagten die Erfüllung unmöglich geworden war. Einem etwaigen Anspruch der Klägerin stand nämlich der Einwand des Rechtsmissbrauches entgegen, § 242 BGB. Eine rechtsmissbräuchliche "Abbruchjagd" kann auch dann vorliegen, wenn die Bieterin Erfüllung des Vertrages verlangt.
Steht die Behauptung im Raum, ein Nutzer trete nur als "Strohmann" für einen gesperrten "Abbruchjäger" auf, ist auch insoweit Vortrag zum Nutzungsverhalten der beteiligten Personen erforderlich. Hierbei hat der Käufer, dem eine "Abbruchjagd" vorgeworfen wird, eine sekundäre Darlegungslast. Eine solche sekundäre Darlegungslast trifft nach BGH-Rechtsprechung den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.
Die sekundäre Darlegungslast führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Genügt der Gegner aber seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des primär Darlegungsbelasteten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin lediglich eine "Strohfrau" ihres bei Ebay gesperrten Bruders sei, der als sog. "Ebay-Abbruchjäger" handele. Dieser Vortrag war auch beachtlich, denn im Hinblick auf die vom Beklagten angeführten Indizien konnte seine Behauptung nicht als willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein". aufgestellt angesehen werden. Folglich hatte sich die Klägerin zu diesem Vortrag zu äußern. Da es dem Beklagten naturgemäß nicht möglich ist, Angaben dazu zu machen, nach welchen Kriterien die Klägerin bzw. ihr Bruder ... Angebote abgibt, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung Anbieter beobachtet werden (insbesondere im Hinblick auf Indizien für unberechtigte Abbrüche) und inwieweit das eigene Bieterverhalten davon abhängig gemacht wird, traf die Klägerin insoweit eine sekundäre Darlegungslast.
Dies galt auch zu den Umständen des konkreten Kaufes und zur Nutzung des Accounts der Klägerin durch Dritte, die selbst bei Ebay gesperrt sind, da dies Aspekte zu einem etwaigen "Strohmannverhältnis" betreffen und vom Beklagten nicht recherchiert werden können. Da dem Beklagten zu derartigen Handlungen kein eigener Vortrag möglich war und somit von einer sekundären Darlegungslast der Klägerin auszugehen war, war ihr persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung angeordnet worden. In diesem Termin ist die Klägerin jedoch absichtlich nicht erschienen. Der Klägervertreter hat dazu angegeben, dass die Klägerin davon ausgehe, dass ihr Vortrag ausreichend sei. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin ist von ihm verneint worden. Folglich bestanden auch keine Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten.
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