Eigenverwaltung: Verzicht auf Recht zur abgesonderten Befriedigung kann nur gegenüber dem Schuldner erklärt werden
BGH 9.3.2017, IX ZR 177/15Die Beklagte gewährte dem Schuldner ein Darlehen zur Finanzierung einer Maschine. Die Maschine wurde ihr zur Sicherheit übereignet. Am 8.4.2013 kündigte sie das Darlehen wegen rückständiger Raten. Am 31.5.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der Schuldner blieb verwaltungs- und verfügungsbefugt; der Kläger wurde zum Sachwalter bestellt. Im Eröffnungsbeschluss heißt es u.a.:
"Die Insolvenzgläubiger werden aufgefordert, Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) bei dem Sachwalter schriftlich zweifach bis zum 18.7.2013 anzumelden. Die Gläubiger werden aufgefordert, dem Sachwalter unverzüglich mitzuteilen, welche Sicherungsrechte sie an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners in Anspruch nehmen. Dabei sind der Gegenstand, an welchem das Sicherungsrecht beansprucht wird, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechtes sowie die gesicherte Forderung genau zu bezeichnen. Wer diese Mitteilung an den Sachwalter schuldhaft unterlässt oder verzögert, haftet für den daraus entstandenen Schaden."
Mit Schreiben an die Beklagte vom 20.6.2013 erklärte der Kläger mit Zustimmung des Schuldners, die Maschine könne abgeholt werden. Vom Verwertungsrecht werde kein Gebrauch gemacht. Der Termin möge mit dem Schuldner abgestimmt werden. Die Beklagte, die zunächst die Darlehensforderung unter Beschränkung auf den Ausfall angemeldet hatte erklärte mit Schreiben an den Kläger vom 4.9.2013, sie gebe ihr Absonderungsrecht auf und werde nur die persönliche Forderung geltend machen. Der Schuldner erhielt keine Kenntnis von diesem Schreiben.
Mit Vertrag vom 10.2.2014 verkaufte die V. die Maschine im Auftrag und für Rechnung der Beklagten zum Preis von rd. 33.000 € an einen Dritten. Am 6.3.2014 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben an den Kläger vom 10.3.2014 verwies die Beklagte darauf, die Aufgabe des Absonderungsrechts nicht gegenüber dem Schuldner und damit nicht wirksam erklärt zu haben; hilfsweise focht sie ihre Erklärung wegen Irrtums an. Der Kläger verlangt Auskehrung des Veräußerungserlöses von 33.000 € nebst Zinsen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Ein Sicherungsnehmer, dem eine bewegliche Sache zur Sicherheit übereignet worden ist, kann auf seine Rechte aus der Sicherungszweckerklärung verzichten. Er ist dann aus dem Sicherungsvertrag zur Rückübereignung des betreffenden Gegenstandes verpflichtet. In der Insolvenz des Sicherungsgebers kann der Insolvenzverwalter den Anspruch auf Rückübereignung durchsetzen und so eine doppelte Inanspruchnahme der Masse verhindern. Ist Eigenverwaltung angeordnet worden, ist der Schuldner selbst zur Durchsetzung dieses Anspruchs befugt (§ 270 Abs. 1 InsO). Auch der Verzicht auf den Sicherungszweck wäre jedoch dem Schuldner gegenüber zu erklären gewesen, der ihn hätte annehmen müssen. Einen einseitigen Verzicht auf schuldrechtliche Forderungen sieht das Bürgerliche Recht nicht vor. Erforderlich ist vielmehr der Abschluss eines Erlassvertrages. Dem Schuldner gegenüber hat die Beklagte nicht auf ihr Absonderungsrecht verzichtet. Das Schreiben vom 4.9.2013 war an den Kläger gerichtet; der Schuldner hat es nicht erhalten.
Eine Befugnis des Klägers zur Entgegennahme von Erklärungen, die sich auf das Absonderungsrecht beziehen, folgt auch nicht aus § 270c S. 2 InsO. Die Beklagte hat im Schreiben vom 4.9.2013 nicht nur ihr Absonderungsrecht "aufgegeben", sondern auch erklärt, ihre persönliche Forderung im Insolvenzverfahren geltend machen zu wollen. Die letztgenannte Erklärung war dem Kläger als dem Sachwalter gegenüber abzugeben. Gem. § 270c S. 2 InsO sind die Forderungen der Insolvenzgläubiger bei Anordnung der Eigenverwaltung beim Sachwalter anzumelden. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt in der vorbehaltlosen Anmeldung der Forderung aber nicht zugleich ein Verzicht auf die abgesonderte Befriedigung. Die Anmeldung der Forderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers ohne eine Beschränkung auf den Ausfall (vgl. § 28 Abs. 2, § 52 S. 2, § 190 Abs. 1 InsO) wird schon im Regelinsolvenzverfahren nicht als konkludenter Verzicht auf ein Absonderungsrecht gewertet.
Auch ein Insolvenzgläubiger, der zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist, darf zunächst seine ganze Forderung anmelden und feststellen lassen. Die Beschränkung auf den Ausfall erlangt Bedeutung erst im Rahmen der Verteilung (§ 190 InsO). Überdies ordnet § 28 Abs. 2 S. 3 InsO eine Ersatzpflicht des Gläubigers für den Schaden an, der aus einem schuldhaft unterbliebenen Hinweis auf das Absonderungsrecht entsteht. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Anmeldung ohne Beschränkung auf den Ausfall zum Verlust des Absonderungsrechts führen würde.
Hat die Anmeldung der Forderung keinen Einfluss auf das Absonderungsrecht, kann aus der Zuständigkeit des Sachwalters für das Führen der Tabelle gem. § 270c S. 2 InsO keine Annexkompetenz für die Entgegennahme einer Verzichtserklärung folgen. Ein Verzicht auf das Recht auf abgesonderte Befriedigung mit der Folge der vollberechtigten Teilnahme an der Verteilung der Insolvenzmasse kann nur dann anerkannt werden, wenn der belastete Gegenstand als Folge des Verzichts wieder für die Masse frei wird. Adressat der Verzichtserklärung des Absonderungsberechtigten bleibt daher ungeachtet der Zuständigkeit des Sachwalters für die Entgegennahme der Forderungsanmeldung des absonderungsberechtigten Gläubigers der eigenverwaltende Schuldner.
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