28.01.2025

Eilrechtsschutz gegen unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Streaming-Plattform (sog. Copyright-Strike)

Eine unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Streaming-Plattform (sog. Copyright-Strike) mit dem Ziel der Blockade der Inhalte auf der Plattform ist ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des tatsächlich berechtigten Urhebers. Die Rechtsprechung des BGH zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (BGH v. 15.7.2005 - GSZ 1/04) ist auf die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde gegenüber Plattformen übertragbar. Der betroffene Urheber kann von dem Einreicher der unberechtigten Urheberrechtsbeschwerde Unterlassung dieses Verhaltens verlangen.

LG Köln v. 9.1.2025 - 14 O 387/24
Der Sachverhalt:
Der Verfügungskläger ist als Rap-Musiker bekannt unter seinem Künstlernamen "B.". Die Verfügungsbeklagte ist ein Ende 2020/Anfang 2021 gegründetes Tonträgerunternehmen (im Branchenjargon "Label").

Im November 2023 führte der Verfügungskläger Tonaufnahmen durch, bei welchen die vorliegend streitgegenständliche Aufnahme des zuvor unveröffentlichten, neugeschaffenen deutschsprachigen Werkes "I." entstanden ist. Die Aufnahme wurde am 4.10.2024 durch das Tonträgerunternehmen P. C. Q. M. GmbH als Einzelaufnahme (sog. "Single") insbesondere auf den relevanten Streaming-Portalen (z.B. U., W. C., J., Y.) veröffentlicht.

Am 10.10.2024, also knapp eine Woche nach Veröffentlichung, war die Aufnahme auf zwei der wichtigsten Musikstreaming-Portalen, namentlich T. C. und U., jedoch unvermittelt nicht mehr verfügbar. Am 17.10.2024 erhielten der Verfügungskläger die zuvor nur vermutete, aber nicht bestätigte Information, dass die Blockade jedenfalls bei U. auf einen "Copyright Infringement Case" zurückgehe, der von einem Mitarbeiter X. der Verfügungsbeklagten bei U. eingeleitet worden sei.

Das LG erließ im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot gegen die Verfügungsbeklagte, sich eigener sog. "intellectual property rights" (Rechte an geistigem Eigentum) bezüglich Tonaufnahmen von Darbietungen des Antragstellers zu berühmen, die einer Auswertung des Antragstellers an der Musikaufnahme des Titels "I." entgegenstehen sollen.

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das LG die einstweilige Verfügung bestätigt.

Die Gründe:
Es besteht ein Verfügungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB. Die Verfügungsbeklagte hat in das Recht des Verfügungsklägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in rechtswidriger Weise eingegriffen.

Die Kammer hat dazu in der Beschlussverfügung vom 18.11.2024 wie folgt ausgeführt: "Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition des Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGH v. 15. 7. 2005 - GSZ 1/04 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Nun liegt dieser Fall hier zwar mit Blick auf die beteiligten Personen anders, jedoch sind die obigen Erwägungen auch auf die hier erfolgte unberechtigte Rechteberühmung gegenüber einem Verwertungskanal des tatsächlich berechtigten Urhebers bzw. Leistungsschutzrechtsinhabers übertragbar. Denn durch den Aufstieg der Internetplattformen, die überdies regelmäßig die Anforderungen des UrhDaG erfüllen müssen, ist die Rechtebeschwerde gegenüber der Plattform, hier U., funktional mit einer Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern vergleichbar. Die Kammer beobachtet insoweit auch, dass "Copyright-Strikes" zum Teil alleine ohne flankierende Abmahnung vorgenommen werden. Faktisch verschiebt sich damit der Fokus der Auseinandersetzungen bei Rechteberühmungen weg von den oben bereits angesprochenen hergekommenen rechtsförmlichen außergerichtlichen Schreiben (z.B. Berechtigungsanfragen und Abmahnungen) hin zur Nutzung der Beschwerdeverfahren der Plattformen. Diese "Strikes" - seien sie bei U. oder RU. oder anderen Plattformen - zeigen oft unmittelbare Wirkung wie im vorliegenden Fall. Zur Abwendung einer eigenen Haftung der Plattform durch die Regeln des UrhDaG (siehe insbesondere § 1 Abs. 1 und 2 UrhDaG) werden dabei regelmäßig vorsorglich Inhalte blockiert. Diese "Copyright-Strikes" sind deshalb noch erheblich effektiver als eine bloße Schutzrechtsverwarnung, weil sie durch die zu erwartende Sperrreaktion des Plattformbetreibers unmittelbar und ohne ein notwendiges Zutun der zu Unrecht abgemahnten Person Wirkungen entfalten. Demnach ist in einer unberechtigten, pauschalen und nicht nachvollziehbar begründeten Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Online-Plattform erst recht ein Verstoß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheber, Rechteinhaber bzw. Content-Creator anzunehmen.

Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Beschwerde gegenüber U. durch ihren Mitarbeiter X. V. eine solche unberechtigte und pauschale Urheberrechtsbeschwerde eingereicht. Die Antragsgegnerin verfügt nach der Glaubhaftmachung des Antragstellers über keine Rechte an dem hier gegenständlichen Musikstück "I.".

Das frühere Vertragsverhältnis ist Ende des Jahres 2022 durch wirksame außerordentliche Kündigung des Antragstellers beendet worden. Der Antragsgegnerin stehen deshalb jedenfalls für die hier gegenständlichen neuen Werke bzw. Darbietungen des Antragstellers keine Rechte zu.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der direkten zeitlichen Nähe der Urheberrechtsbeschwerde zur Erstveröffentlichung liegt eine Handlung mit Schädigungsabsicht vor. Wie der Antragsteller nachvollziehbar darstellt, wurden durch die Sperre bei U. die ersten Tage der wichtigen ersten Auswertungsphase des neuveröffentlichten Musikstücks behindert. Demnach dürften neben dem oben bereits bejahten Verstoß gegen § 823 Abs. 1 BGB auch die Verwirklichung von § 826 BGB anzunehmen sein.

Mehr zum Thema:

juris Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht:
juris Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht bündelt die führende Literatur für alle Bereiche dieses komplexen Fachgebiets. Sekundenschnell recherchieren Sie in renommierten Kommentaren, aktuellen Fachzeitschriften sowie hilfreichen Hand- und Formularbüchern und greifen auf die relevante Rechtsprechung und Vorschriften zu. 30 Tage testen!
 
Justiz NRW
Zurück