24.03.2025

Eine Verdachtsberichterstattung ohne konkrete Anhörung des Betroffenen ist unzulässig

Die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung setzt grundsätzlich voraus, dass der Betroffene zu den Grundlagen und Zusammenhängen der beabsichtigten Berichterstattung angehört wird. Der Umstand, dass der Betroffene ohne Kenntnis des Inhalts eines erst geplanten Films erklärt hat, keine Stellungnahme abzugeben, lässt die Anhörungspflicht nicht entfallen. Das OLG Frankfurt a.M. verpflichtete die Beklagten, es zu unterlassen, den Verdacht einer Beteiligung des Klägers am Tod von Uwe Barschel zu erwecken.

OLG Frankfurt a.M. v. 20.3.2025 - 16 U 42/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als Geheimagent für deutsche und ausländische Sicherheitsbehörden tätig. Die Beklagten befassten sich im Rahmen einer vierteiligen "Doku-Reihe" mit dem Tod von Uwe Barschel in Genf. Ziel der Serie war es, Theorien und Indizien zu den Umständen und Hintergründen des Todes zu verfilmen. Der Kläger nimmt die Beklagten u.a. auf Unterlassung in Anspruch, durch bestimmte Passagen des Films den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen dem Tod von Uwe Barschel und ihm zu erwecken.

Das LG gab seinem Antrag insoweit statt. Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hatte vor dem Pressesenat des OLG keinen Erfolg. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der in der Berufung noch angegriffenen Aussagen zu. Die Beklagten erwecken mit den angegriffenen Passagen u.a. den Verdacht, dass der Kläger am Tod von Uwe Barschel beteiligt gewesen ist. Dieser Verdacht wird zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich jedoch aus dem Gesamtkontext mehrerer für sich genommen wahrer Tatsachen. Der Zuschauer folgert aus der Zusammenstellung und Anordnung von Angaben von "Zeitzeugen" mit eingeschobenen Texten eine eigene Äußerung der Beklagten.

Die Beklagten sind nicht berechtigt, diesen Verdacht aufzustellen und zu verbreiten. Die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sind nicht eingehalten worden. Die Beklagten haben dem Kläger nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Grundlagen und Zusammenhängen der hier streitigen Verdachtsäußerung eingeräumt. Der Kläger ist zu den näheren konkreten Inhalten des Berichts nicht angehört worden.

Diese Anhörung war hier auch nicht entbehrlich. Zwar hat der Kläger im Vorstadium des Filmes ein Interview mit dem Journalisten der Serie abgelehnt und bekundet, "jede Stellungnahme" abzulehnen. Daraus hätten die Beklagten aber nicht schließen dürfen, dass er auch auf eine Stellungnahme zu Inhalten verzichtet, die er noch nicht kennt. Der Filmbeitrag war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertig konzipiert. Das Interview hat ersichtlich der Informations- und Materialsammlung für den beabsichtigten Bericht gedient.

Der Umstand, dass der Kläger gegen einen Wikipedia-Artikel zu "Uwe Barschel" nicht vorgegangen ist, in dem seine Rolle beleuchtet wird, lässt die Anhörungspflicht ebenfalls nicht entfallen. Der Artikel weist vielmehr maßgebliche inhaltliche Unterschiede zum hiesigen Fernsehbericht auf. Auch der öffentlich zugängliche Gesamtbericht der Staatsanwaltschaft Lübeck über das Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen eines Tötungsdelikts an Uwe Barschel weicht maßgeblich von dem hiesigen Bericht ab.

Soweit die Beklagten auf andere Berichte verweisen mit inhaltsgleichen Äußerungen, hat der Kläger bekundet, diese nicht zu kennen.

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 16 vom 21.3.2025