09.03.2012

Einfache Mehrheit einer GbR kann für die Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz ausreichen

Verlangen Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften bürgerlichen Rechts für die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit, ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt, nach der Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen sind. Gerade die für die Abwicklung von Publikumsgesellschaften bedeutsamen Vorteile kommen allen Gesellschaftern gleichermaßen zu Gute.

BGH 15.11.2011, II ZR 272/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR. Sie wurde im Jahr 1994 zu dem Zweck gegründet, eine Wohnanlage zu errichten und zu bewirtschaften. Der Beklagte trat der Gesellschaft im November 1994 mit einem Betrag von 5.113 € bei. Dies entsprach letztlich einer Beteiligungsquote von 0,042 %.

Der Gesellschaftsvertrag regelte in § 17, dass sämtliche Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden können, soweit nicht das Gesetz oder der Vertrag ausdrücklich eine andere Mehrheit vorschreibt. Bei Abstimmung über die Änderung des Gesellschaftsvertrages bzw. über die Auflösung der Gesellschaft ist eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen, mindestens aber von 51 % aller Gesellschafterstimmen erforderlich und ausreichend.

Nachdem die Klägerin in wirtschaftliche Schieflage geraten war, fasste die Gesellschafterversammlung im Februar 2007 mit der gem. § 17 GV erforderlichen Mehrheit von 3/4 der abgegebenen und mindestens 51 % aller Stimmen den Beschluss, die gesellschaftseigene Immobilie zu veräußern und die Gesellschaft zu liquidieren. Außerdem stimmte sie im Umlaufverfahren mit einfacher Stimmenmehrheit bei einer Beteiligungsquote von rund 61 % der Liquidationseröffnungsbilanz als "Schlussbilanz" zu und wies den Liquidator an, die erforderlichen Nachschüsse einzufordern. Dieser forderte daraufhin vom Beklagten auf Grundlage seiner Beteiligungsquote einen Nachschussbetrag von rund 3.891 €. Der Beklagte war u.a. der Ansicht, der zweite Beschluss sei nicht wirksam zustande gekommen.

AG und LG gaben der Klage statt. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten eine weitere Nachschussforderung gem. § 735 S. 1 u. 2 BGB in der vom AG zugesprochenen Höhe zu.

Entgegen der Auffassung der Revision konnte der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin, dass die Liquidationseröffnungsbilanz als "Schlussbilanz" i.d.S. festgestellt wird, dass der Liquidator angewiesen wird, die zur Berichtigung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erforderlichen Nachschüsse von den Gesellschaftern einzufordern, mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Verlangt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts für die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit, ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt, nach der Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen sind.

Zwar wurde im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass für die Beschlussfassung über die Auseinandersetzungsbilanz die einfache Mehrheit genügt. Für die formelle Legitimation einer auf die Mehrheitsklausel gestützten Mehrheitsentscheidung ist es aber ausreichend, dass sich - wie hier - durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages eindeutig ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll. Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von einer Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist allerdings auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit mit der Folge darstellt, dass sie inhaltlich unwirksam ist.

Es war jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass berechtigte Interessen der Minderheit, die nicht zugestimmt hatten, treuwidrig beeinträchtigt wurden. Die gewählte Verfahrensweise führte dazu, dass die Liquidation rascher abgeschlossen werden kann und die Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch frühzeitigen Ausgleich der voraussichtlich uneinbringlichen Nachschusszahlungen schneller getilgt werden können, so dass weitere finanzielle Belastungen durch anfallende Zinsen vermieden werden. Gerade die für die Abwicklung von Publikumsgesellschaften bedeutsamen Vorteile kommen allen Gesellschaftern gleichermaßen zu Gute. Die Gesellschafter haften nach § 735 S. 2 BGB ohnehin entsprechend ihrer Beteiligung. Sollte sich herausstellen, dass zunächst zu hohe Beiträge eingefordert wurden, weil sich die Ausfälle geringer als erwartet darstellen, ist dies (spätestens) im Rahmen der endgültigen Schlussabrechnung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern zu berücksichtigen.

Linkhinweis:

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