Einmeldung von rückständigen Forderungen an Auskunfteien
OLG Schleswig-Holstein v. 22.11.2024 - 17 U 2/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit der am 17.7.2023 zugestellten Klage erstinstanzlich die Veranlassung der Löschung eines Eintrages bei der Schufa, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veranlassung des Eintrages, die Verurteilung, dass im Wege einer Mitteilung gegenüber der Schufa eine Berichtigung des dortigen Scorewertes zu erfolgen habe sowie die zukünftige Unterlassung der Mitteilung von Forderungen zu einer bestimmten Forderungskontonummer und immateriellen Schadensersatz begehrt. In der Berufungsinstanz standen (nach rechtskräftiger Klageabweisung im Übrigen) noch der Löschungsantrag sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes und außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten im Streit.
Die Beklagte rügte im Berufungsverfahren, das LG habe zu Unrecht ihre Verpflichtung zum Widerruf angenommen. Dieser Anspruch habe nicht auf §§ 1004, 823 BGB gestützt werden können, da die DSGVO ein abschließendes Regelwerk bilde. Eine Öffnungsklausel, die einen Rückgriff auf das nationale Recht eröffnete, fehle und ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 79 Abs. 1 DSGVO. Die Einmeldung sei im Übrigen zulässig gewesen. Das LG habe bei seiner Würdigung, dass dem Kläger keines der drei mit einem Hinweis auf eine Einmeldung versehenen Schreiben zugegangen sei, aber einen verkürzten Blick angestellt. Dafür, dass der Kläger über einen Zeitraum von rund sechseinhalb Jahren kein einziges der zahlreichen Mahnschreiben erhalten haben wolle, habe er keinerlei plausible Erklärung vorgetragen.
Die Berufung der Beklagten vor dem OLG war teilweise erfolgreich. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten den Widerruf des Negativeintrages bei der Schufa in entsprechender Anwendung von §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO verlangen.
Ob die DSGVO einen eigenen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch enthält, ist zwar umstritten und höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Die wohl weit überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nimmt im Ergebnis entsprechende Beseitigungs-/Unterlassungsansprüche an. Lediglich der dogmatische Ansatz ist unterschiedlich. Die Anwendung von §§ 1004, 823 BGB wird durch die DSGVO nicht ausgeschlossen.
Die Einmeldung der streitgegenständlichen Forderungen der Beklagten bei der Schufa war rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit der Einmeldung rückständiger Forderungen an eine Wirtschaftsauskunftei (hier: SCHUFA) bestimmt sich im Ausgangspunkt nach Art. 6 DSGVO. Die in § 31 BDSG für die Zulässigkeit des Scorings enthaltenen Maßstäbe haben insoweit allerdings indizielle Bedeutung. Selbst eine nach dem Maßstab des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BDSG bei Möglichkeit einer Kündigung des zugrunde liegende Vertragsverhältnisses im Grundsatz rechtmäßige Übermittlung von Daten an die Auskunftei darf nur solche fälligen und rückständigen Forderungen betreffen, wegen derer bei Zahlungsrückstand das zugrunde liegende Vertragsverhältnis fristlos gekündigt werden kann. Dies beinhaltet beim Rückstand mit Abschlagszahlungen auch den abgerechneten Saldo, da dieser nur eine umstands- und zeitbedingte Fortentwicklung der Entgeltforderung darstellt.
Nicht erfasst sind hingegen Nebenforderungen, wie etwa "Mahngebühren", "Nichterfüllungsschäden", "Überweisungsgebühren" oder "Verzugskosten". Der Rückstand mit derartigen vom Bestand der Hauptforderung abhängigen Nebenforderungen lässt keine Rückschlüsse auf mangelnde Zahlungsfähigkeit oder mangelnden Zahlungswillen des Schuldners zu. Können nach der Darstellung der Forderungen derartige Nebenforderungen und die Hauptforderung nicht klar voneinander getrennt werden, ist die gesamte Einmeldung unrechtmäßig.
Entgegen der Ansicht des LG kann der Kläger von der Beklagten allerdings nicht die Zahlung von Schmerzensgeld beanspruchen. Zwar verstieß die Datenübermittlung an die Schufa gegen die DSGVO, denn sie war - wie bereits zum Widerrufsanspruch ausgeführt - nicht gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO rechtmäßig. Allerdings war dem Kläger aufgrund des Verstoßes kein Schaden entstanden. Aus den vom Kläger vorgetragenen Fällen ergab sich nicht, dass der durch die Beklagte veranlasste Eintrag bei der Schufa zum Scheitern von Vertragsabschlüssen geführt hatte.
Die Revision war zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BGH erfordert. Die hier behandelte Frage, ob bei der indiziellen Berücksichtigung der Merkmale des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BDSG im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO nur solche Forderungen eingemeldet werden dürfen, die mit den zur Kündigung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses berechtigenden Forderungen ihrer Art nach übereinstimmen, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, hat aber Bedeutung für eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen.
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Landesregierung Schleswig-Holstein
Der Kläger hatte mit der am 17.7.2023 zugestellten Klage erstinstanzlich die Veranlassung der Löschung eines Eintrages bei der Schufa, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veranlassung des Eintrages, die Verurteilung, dass im Wege einer Mitteilung gegenüber der Schufa eine Berichtigung des dortigen Scorewertes zu erfolgen habe sowie die zukünftige Unterlassung der Mitteilung von Forderungen zu einer bestimmten Forderungskontonummer und immateriellen Schadensersatz begehrt. In der Berufungsinstanz standen (nach rechtskräftiger Klageabweisung im Übrigen) noch der Löschungsantrag sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes und außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten im Streit.
Die Beklagte rügte im Berufungsverfahren, das LG habe zu Unrecht ihre Verpflichtung zum Widerruf angenommen. Dieser Anspruch habe nicht auf §§ 1004, 823 BGB gestützt werden können, da die DSGVO ein abschließendes Regelwerk bilde. Eine Öffnungsklausel, die einen Rückgriff auf das nationale Recht eröffnete, fehle und ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 79 Abs. 1 DSGVO. Die Einmeldung sei im Übrigen zulässig gewesen. Das LG habe bei seiner Würdigung, dass dem Kläger keines der drei mit einem Hinweis auf eine Einmeldung versehenen Schreiben zugegangen sei, aber einen verkürzten Blick angestellt. Dafür, dass der Kläger über einen Zeitraum von rund sechseinhalb Jahren kein einziges der zahlreichen Mahnschreiben erhalten haben wolle, habe er keinerlei plausible Erklärung vorgetragen.
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Der Kläger kann von der Beklagten den Widerruf des Negativeintrages bei der Schufa in entsprechender Anwendung von §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO verlangen.
Ob die DSGVO einen eigenen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch enthält, ist zwar umstritten und höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Die wohl weit überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nimmt im Ergebnis entsprechende Beseitigungs-/Unterlassungsansprüche an. Lediglich der dogmatische Ansatz ist unterschiedlich. Die Anwendung von §§ 1004, 823 BGB wird durch die DSGVO nicht ausgeschlossen.
Die Einmeldung der streitgegenständlichen Forderungen der Beklagten bei der Schufa war rechtswidrig. Die Rechtmäßigkeit der Einmeldung rückständiger Forderungen an eine Wirtschaftsauskunftei (hier: SCHUFA) bestimmt sich im Ausgangspunkt nach Art. 6 DSGVO. Die in § 31 BDSG für die Zulässigkeit des Scorings enthaltenen Maßstäbe haben insoweit allerdings indizielle Bedeutung. Selbst eine nach dem Maßstab des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BDSG bei Möglichkeit einer Kündigung des zugrunde liegende Vertragsverhältnisses im Grundsatz rechtmäßige Übermittlung von Daten an die Auskunftei darf nur solche fälligen und rückständigen Forderungen betreffen, wegen derer bei Zahlungsrückstand das zugrunde liegende Vertragsverhältnis fristlos gekündigt werden kann. Dies beinhaltet beim Rückstand mit Abschlagszahlungen auch den abgerechneten Saldo, da dieser nur eine umstands- und zeitbedingte Fortentwicklung der Entgeltforderung darstellt.
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Entgegen der Ansicht des LG kann der Kläger von der Beklagten allerdings nicht die Zahlung von Schmerzensgeld beanspruchen. Zwar verstieß die Datenübermittlung an die Schufa gegen die DSGVO, denn sie war - wie bereits zum Widerrufsanspruch ausgeführt - nicht gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO rechtmäßig. Allerdings war dem Kläger aufgrund des Verstoßes kein Schaden entstanden. Aus den vom Kläger vorgetragenen Fällen ergab sich nicht, dass der durch die Beklagte veranlasste Eintrag bei der Schufa zum Scheitern von Vertragsabschlüssen geführt hatte.
Die Revision war zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BGH erfordert. Die hier behandelte Frage, ob bei der indiziellen Berücksichtigung der Merkmale des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BDSG im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO nur solche Forderungen eingemeldet werden dürfen, die mit den zur Kündigung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses berechtigenden Forderungen ihrer Art nach übereinstimmen, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, hat aber Bedeutung für eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen.
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