Erforderliche Information der Verbraucher über die Modalitäten der variablen Zinssätze für Hypothekendarlehen
EuGH v. 13.7.2023 - C-265/22
Der Sachverhalt:
Zwei Verbraucher schlossen mit der Rechtsvorgängerin von Banco Santander einen Hypothekendarlehensvertrag mit variablem Zinssatz ab. Nach einer Vertragsklausel wird jährlich ein neuer Zinssatz anhand eines "Referenzzinssatzes" - dem IRPH der Kreditinstitute zuzüglich 0,20 Prozentpunkten - oder eines "alternativen Referenzsatzes" - dem IRPH der Banken zuzüglich 0,50 Prozentpunkten - festgesetzt. In dieser Klausel steht desgleichen, dass diese beiden Zinssätze in einem an die Kreditinstitute gerichteten Rundschreiben der Bank von Spanien aus dem Jahr 1990 beschrieben sind.
Diese Verbraucher beim Juzgado de Primera Instancia n.°17 de Palma de Mallorca (Gericht erster Instanz Nr. 17 von Palma de Mallorca, Spanien) Klage erhoben und die Feststellung der Nichtigkeit der streitigen Klausel wegen Missbräuchlichkeit und die Verurteilung von Banco Santander zum Ersatz des Schadens beantragt, der ihnen durch die Anwendung dieser Klausel entstanden sein soll.
Sie halten es für irreführend, dass in Bezug auf die jährliche Anpassung des Zinssatzes auf IRPH verwiesen werde und ein geringer Aufschlag auf die IRPH vorgesehen sei. Diese Darstellung veranlasse prospektive Darlehensnehmer zum Abschluss dieses Darlehens anstatt eines Darlehens, dessen Zinssatz unter Bezugnahme auf den durchschnittlichen Zinssatz des europäischen Interbankenhandels (Euribor) angepasst werden könne, während eine Bezugnahme auf den Euribor bei einem deutlich höheren Aufschlag - selbst in der Größenordnung von 2 % - zur Anwendung eines niedrigeren angepassten Zinssatzes führen würde. Dies ergebe sich daraus, dass die IRPH im Gegensatz zum Euribor auf der Grundlage von Zinssätzen, die Provisionen berücksichtigten, berechnet würden.
Die Verbraucher machen ferner geltend, dass die Klausel deshalb für nichtig zu erklären sei, weil sie in Anbetracht dessen, dass sie einen IRPH als Referenzsatz angebe, die Anwendung eines negativen Korrekturwerts - wie in einem anderen Rundschreiben von 1994 verlangt werde - und keines positiven Korrekturwerts hätte vorsehen müssen.
Banco Santander macht insbesondere geltend, dass die fragliche Klausel individuell ausgehandelt worden und grundsätzlich rechtmäßig sei, da die IRPH offizielle und veröffentlichte Indizes seien und somit den Verbrauchern zugänglich seien.
Das spanische Gericht hebt hervor, dass die Präambel des Rundschreibens von 1994 zwar keine normative Kraft habe, aber zeige, dass es nach Ansicht der Bank von Spanien einen Bedarf dafür gebe, dass die Vermarktung von Produkten, denen ein IRPH als Bezugsgrundlage diene, mit der Anwendung eines negativen Korrekturwerts einhergehen müsse. Die unterbliebene Unterrichtung der Darlehensnehmer über den Inhalt der Präambel des Rundschreibens von 1994 und damit nicht nur über die Merkmale der IRPH, sondern ganz allgemein über die jeweilige Höhe der IRPH und des Marktzinssatzes, könnte gegen den guten Glauben verstoßen und zu einem Missverhältnis zum Nachteil der Verbraucher führen, was die Einstufung der Klausel als missbräuchlich rechtfertige. Ferner könne die unterbliebene Unterrichtung über den Inhalt der Präambel des Rundschreibens von 1994 in Verbindung mit der Anwendung eines positiven Korrekturwerts, der geringfügig niedriger sei als bei Darlehen, deren Zinssätze unter Bezugnahme auf den Euribor festgelegt würden, einen Marketingtrick darstellen, der den Eindruck einer günstigeren Zinsbelastung erwecken solle. Würden die in dieser Präambel enthaltenen Angaben den prospektiven Darlehensnehmer hingegen mitgeteilt, könnten diese in Kenntnis der Sachlage entscheiden. Daher ersucht das spanische Gericht den Gerichtshof insoweit um Auslegung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln.
In seinem Urteil erinnert der EuGH daran, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Allerdings gibt ihm der Gerichtshof Hinweise an die Hand, die das nationale Gericht zu beachten hat.
Die Gründe:
Für die Beurteilung der Transparenz und der etwaigen Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel ist der Inhalt der im Rundschreiben von 1994 enthaltenen Informationen relevant, denen zufolge auf diesen Index unter Berücksichtigung seiner Berechnungsmethode ein negativer Korrekturwert anzuwenden ist, um diesen Zinssatz an den Marktzinssatz anzupassen. Ebenfalls relevant ist, ob diese Informationen einem Durchschnittsverbraucher hinreichend zugänglich sind.
In Bezug auf das Transparenzerfordernis wird festgestellt, dass im vorliegenden Fall zum einen der in Rede stehende Referenzindex durch das Rundschreiben von 1990 festgelegt wurde, das amtlich veröffentlicht wurde. Zum anderen wird in der streitigen Klausel angegeben, dass dieser Index in einem Anhang dieses Rundschreibens beschrieben wird und dieses Rundschreiben von der Bank von Spanien stammt. Das spanische Gericht hat sich zu vergewissern, dass die auf diese Weise erteilten Informationen ausreichten, damit ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die Modalitäten der Berechnung des in der streitigen Klausel genannten Referenzindex tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte.
Das spanische Gericht hat festzustellen, welche Bedeutung die in der Präambel des Rundschreibens von 1994 enthaltenen Informationen für die Verbraucher hatten, um die wirtschaftlichen Folgen des Abschlusses des in Rede stehenden Hypothekendarlehensvertrags richtig beurteilen zu können. Denn diese Informationen, die ihnen nicht zur Kenntnis gebracht wurden, scheinen für den Verbraucher nützlich zu sein, da die Bank von Spanien es für angebracht hielt, die Kreditinstitute auf die Höhe der IRPH im Vergleich zum Marktzinssatz und auf die Notwendigkeit der Anwendung eines negativen Korrekturwerts zur Anpassung der IRPH an diesen Satz hinzuweisen.
Diese Informationen wurden zwar im Spanischen Amtsblatt veröffentlicht, sind aber in der Präambel des Rundschreibens von 1994 enthalten, und nicht in dem Rundschreiben von 1990, auf das die streitige Klausel verwies. Das nationale Gericht hat daher auch zu prüfen, ob zur Erlangung dieser Informationen ein Vorgehen erforderlich war, das von einem Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, da es bereits zur juristischen Recherche gehört.
Was die etwaige Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel betrifft, hat Banco Santander zunächst nachzuweisen, dass die fragliche Klausel - wie behauptet - im Einzelnen ausgehandelt wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wird das nationale Gericht zunächst zu prüfen haben, ob ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben vorliegt, und dann, ob zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis besteht, indem es die Bestandteile des Vertrags unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gegebenen Hinweise prüft.
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EuGH PM Nr. 125 vom 13.7.2023
Zwei Verbraucher schlossen mit der Rechtsvorgängerin von Banco Santander einen Hypothekendarlehensvertrag mit variablem Zinssatz ab. Nach einer Vertragsklausel wird jährlich ein neuer Zinssatz anhand eines "Referenzzinssatzes" - dem IRPH der Kreditinstitute zuzüglich 0,20 Prozentpunkten - oder eines "alternativen Referenzsatzes" - dem IRPH der Banken zuzüglich 0,50 Prozentpunkten - festgesetzt. In dieser Klausel steht desgleichen, dass diese beiden Zinssätze in einem an die Kreditinstitute gerichteten Rundschreiben der Bank von Spanien aus dem Jahr 1990 beschrieben sind.
Diese Verbraucher beim Juzgado de Primera Instancia n.°17 de Palma de Mallorca (Gericht erster Instanz Nr. 17 von Palma de Mallorca, Spanien) Klage erhoben und die Feststellung der Nichtigkeit der streitigen Klausel wegen Missbräuchlichkeit und die Verurteilung von Banco Santander zum Ersatz des Schadens beantragt, der ihnen durch die Anwendung dieser Klausel entstanden sein soll.
Sie halten es für irreführend, dass in Bezug auf die jährliche Anpassung des Zinssatzes auf IRPH verwiesen werde und ein geringer Aufschlag auf die IRPH vorgesehen sei. Diese Darstellung veranlasse prospektive Darlehensnehmer zum Abschluss dieses Darlehens anstatt eines Darlehens, dessen Zinssatz unter Bezugnahme auf den durchschnittlichen Zinssatz des europäischen Interbankenhandels (Euribor) angepasst werden könne, während eine Bezugnahme auf den Euribor bei einem deutlich höheren Aufschlag - selbst in der Größenordnung von 2 % - zur Anwendung eines niedrigeren angepassten Zinssatzes führen würde. Dies ergebe sich daraus, dass die IRPH im Gegensatz zum Euribor auf der Grundlage von Zinssätzen, die Provisionen berücksichtigten, berechnet würden.
Die Verbraucher machen ferner geltend, dass die Klausel deshalb für nichtig zu erklären sei, weil sie in Anbetracht dessen, dass sie einen IRPH als Referenzsatz angebe, die Anwendung eines negativen Korrekturwerts - wie in einem anderen Rundschreiben von 1994 verlangt werde - und keines positiven Korrekturwerts hätte vorsehen müssen.
Banco Santander macht insbesondere geltend, dass die fragliche Klausel individuell ausgehandelt worden und grundsätzlich rechtmäßig sei, da die IRPH offizielle und veröffentlichte Indizes seien und somit den Verbrauchern zugänglich seien.
Das spanische Gericht hebt hervor, dass die Präambel des Rundschreibens von 1994 zwar keine normative Kraft habe, aber zeige, dass es nach Ansicht der Bank von Spanien einen Bedarf dafür gebe, dass die Vermarktung von Produkten, denen ein IRPH als Bezugsgrundlage diene, mit der Anwendung eines negativen Korrekturwerts einhergehen müsse. Die unterbliebene Unterrichtung der Darlehensnehmer über den Inhalt der Präambel des Rundschreibens von 1994 und damit nicht nur über die Merkmale der IRPH, sondern ganz allgemein über die jeweilige Höhe der IRPH und des Marktzinssatzes, könnte gegen den guten Glauben verstoßen und zu einem Missverhältnis zum Nachteil der Verbraucher führen, was die Einstufung der Klausel als missbräuchlich rechtfertige. Ferner könne die unterbliebene Unterrichtung über den Inhalt der Präambel des Rundschreibens von 1994 in Verbindung mit der Anwendung eines positiven Korrekturwerts, der geringfügig niedriger sei als bei Darlehen, deren Zinssätze unter Bezugnahme auf den Euribor festgelegt würden, einen Marketingtrick darstellen, der den Eindruck einer günstigeren Zinsbelastung erwecken solle. Würden die in dieser Präambel enthaltenen Angaben den prospektiven Darlehensnehmer hingegen mitgeteilt, könnten diese in Kenntnis der Sachlage entscheiden. Daher ersucht das spanische Gericht den Gerichtshof insoweit um Auslegung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln.
In seinem Urteil erinnert der EuGH daran, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Allerdings gibt ihm der Gerichtshof Hinweise an die Hand, die das nationale Gericht zu beachten hat.
Die Gründe:
Für die Beurteilung der Transparenz und der etwaigen Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel ist der Inhalt der im Rundschreiben von 1994 enthaltenen Informationen relevant, denen zufolge auf diesen Index unter Berücksichtigung seiner Berechnungsmethode ein negativer Korrekturwert anzuwenden ist, um diesen Zinssatz an den Marktzinssatz anzupassen. Ebenfalls relevant ist, ob diese Informationen einem Durchschnittsverbraucher hinreichend zugänglich sind.
In Bezug auf das Transparenzerfordernis wird festgestellt, dass im vorliegenden Fall zum einen der in Rede stehende Referenzindex durch das Rundschreiben von 1990 festgelegt wurde, das amtlich veröffentlicht wurde. Zum anderen wird in der streitigen Klausel angegeben, dass dieser Index in einem Anhang dieses Rundschreibens beschrieben wird und dieses Rundschreiben von der Bank von Spanien stammt. Das spanische Gericht hat sich zu vergewissern, dass die auf diese Weise erteilten Informationen ausreichten, damit ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die Modalitäten der Berechnung des in der streitigen Klausel genannten Referenzindex tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte.
Das spanische Gericht hat festzustellen, welche Bedeutung die in der Präambel des Rundschreibens von 1994 enthaltenen Informationen für die Verbraucher hatten, um die wirtschaftlichen Folgen des Abschlusses des in Rede stehenden Hypothekendarlehensvertrags richtig beurteilen zu können. Denn diese Informationen, die ihnen nicht zur Kenntnis gebracht wurden, scheinen für den Verbraucher nützlich zu sein, da die Bank von Spanien es für angebracht hielt, die Kreditinstitute auf die Höhe der IRPH im Vergleich zum Marktzinssatz und auf die Notwendigkeit der Anwendung eines negativen Korrekturwerts zur Anpassung der IRPH an diesen Satz hinzuweisen.
Diese Informationen wurden zwar im Spanischen Amtsblatt veröffentlicht, sind aber in der Präambel des Rundschreibens von 1994 enthalten, und nicht in dem Rundschreiben von 1990, auf das die streitige Klausel verwies. Das nationale Gericht hat daher auch zu prüfen, ob zur Erlangung dieser Informationen ein Vorgehen erforderlich war, das von einem Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, da es bereits zur juristischen Recherche gehört.
Was die etwaige Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel betrifft, hat Banco Santander zunächst nachzuweisen, dass die fragliche Klausel - wie behauptet - im Einzelnen ausgehandelt wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wird das nationale Gericht zunächst zu prüfen haben, ob ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben vorliegt, und dann, ob zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis besteht, indem es die Bestandteile des Vertrags unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gegebenen Hinweise prüft.
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