20.09.2011

Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel umfasst auch den bundesweiten Versand von Defekturarzneimitteln

Apotheker, die eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, dürfen auch die von ihnen hergestellten Defekturarzneimittel aufgrund dieser Erlaubnis bundesweit versenden. Es ergeben sich weder aus dem AMG noch aus dem ApoG oder der ApBetrO Anhaltspunkte dafür, nach welchen Gesichtspunkten der regional begrenzte übliche Versorgungs- und Einzugsbereich einer Apotheke zu bestimmen sein könnte.

BGH 14.4.2011, I ZR 129/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das u.a. eine gem. § 21 Abs. 1 AMG zugelassene Injektionslösung "Fluorescein Alcon" zur augenärztlichen Behandlung produziert und vertreibt. Der Beklagte betreibt eine Apotheke in Kiel und ist Inhaber einer Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gem. § 11a ApoG. Er stellt ebenfalls eine Fluorescein-Injektionslösung her, die er in Einmalglasspritzen abfüllt und deutschlandweit versendet.

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Beklagte, der für diese Lösung über keine Zulassung gem. § 21 Abs. 1 AMG verfügt,  aufgrund der Regelung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG i.V.m. der ihm erteilten Erlaubnis gem. § 11a ApoG nicht berechtigt sei, die von ihm hergestellten Einmalglasspritzen auch im Versandwege zu vertreiben.

Die Unterlassungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Ein Apotheker, der eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln hat, darf auch die von ihm hergestellten Defekturarzneimittel aufgrund dieser Erlaubnis bundesweit versenden.

Das OLG war zu Recht davon ausgegangen, dass die in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG gebrauchte Wendung "üblicher Apothekenbetrieb" ungeachtet dessen, dass Arzneimittel und daher auch Defekturarzneimittel jahrzehntelang regelmäßig in der Apotheke selbst abgegeben wurden, keine "empirisch-traditionelle Komponente" enthält. Es ergeben sich weder aus dem AMG noch aus dem ApoG oder der ApBetrO Anhaltspunkte dafür, nach welchen Gesichtspunkten der regional begrenzte übliche Versorgungs- und Einzugsbereich einer Apotheke zu bestimmen sein könnte. Der Gesetzgeber hat jedoch in den Fällen, in denen er eine räumliche Beschränkung des Wirkungskreises von Apothekern - etwa in § 12a ApoG für die Heimversorgung - für notwendig erachtete, ausdrückliche und klar formulierte Regelungen getroffen.

Das Berufungsgericht war auch mit Recht davon ausgegangen, dass sich eine statische Betrachtungsweise nicht mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung rechtfertigen lässt. Zudem sieht der Unionsgesetzgeber die Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken als gleichwertig mit der industriellen Fertigung von Arzneimitteln an, für die ein Zulassungsverfahren notwendig ist. Auch ist eine räumliche Begrenzung des Versands von Defekturarzneimitteln ebenso wenig wie bei Rezepturarzneimitteln zur Qualitätssicherung erforderlich. Das Gesetz sieht es als selbstverständlich an, dass die Qualität eines Arzneimittels durch seine Versendung keine Einbuße erleiden darf, und ordnet, um dies sicherzustellen, an, dass allein diejenigen Apotheken Arzneimittel versenden dürfen, die das in § 11a S. 1 Nr. 2 ApoG u. § 17 Abs. 2 ApBetrO vorgesehene Qualitätssicherungssystem vorhalten.

Der vom OLG vorgenommenen Gesetzesauslegung standen auch keine gesetzessystematischen oder teleologischen Gründe entgegen. Dabei musste berücksichtigt werden, dass das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" bei § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht grundlegend anders ausgelegt werden kann als in den § 13 Abs. 2 Nr. 1, § 52a Abs. 7, § 73 Abs. 3 Nr. 2 AMG, § 11 Abs. 2 ApoG, § 8, 9 ApBetrO. Der § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AMG hat nicht zuletzt deshalb praktische Bedeutung, weil der Apotheker die danach ohne Zulassung zu vertreibenden Defekturarzneimittel, die er nicht von anderen Apotheken beziehen kann, gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs auch ohne gesonderte Herstellungserlaubnis herstellen darf. Somit kann schwerlich angenommen werden, dass der Begriff des üblichen Apothekenbetriebs in den beiden Vorschriften unterschiedlich auszulegen ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück