Erneute Entscheidung zu Beratungspflichten einer Bank bei Abschluss von Zinssatz-Swap-Verträgen
BGH 28.4.2015, XI ZR 378/13Die Klägerin ist eine Gemeinde in NRW mit rund 30.000 Einwohnern. Sie hatte in den Jahren 2006 bis 2008 auf der Grundlage eines im April 2006 vereinbarten und von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes erarbeiteten Rahmenvertrages für Finanztermingeschäfte verschiedene Zinssatz-Swap-Verträge mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine Landesbank, abgeschlossen. So vereinbarten die Parteien u.a. am 6.12.2007 einen "Invers-CMS-Stufen-Swap-Vertrag", in dem sich die Beklagte zu einer Zahlung von Zinsen i.H.v. 3,75% p.a. auf den Nominalbetrag (5 Mio. €) und die Klägerin im ersten Jahr der Laufzeit zur Zahlung von Zinsen i.H.v. 3% p.a. und anschließend zur Zahlung variabler Zinsen auf den Nominalbetrag verpflichtete.
Am 30.1.2008 schlossen die Parteien einen "CHF-Plus-Swap-Vertrag", in dem sich die Beklagte zu einer Zahlung von Zinsen i.H.v. 3% p.a. auf den Nominalbetrag (5 Mio. €) und die Klägerin zur Zahlung von variablen Zinsen verpflichtete, deren Höhe von der Entwicklung des Wechselkurses des Währungspaares Euro und Schweizer Franken abhing. Am 14.2.2008 einigten sich die Parteien über zwei "Flexi-Swap-Verträge", in denen sich die Beklagte jeweils zur Zahlung von Zinsen i.H.d. Drei-Monats-Euribors verpflichtete und die Klägerin entweder Zinsen i.H.v. 4,05% bzw. 4,10% zu zahlen hatte, falls der Drei-Monats-Euribor 6% oder weniger betrug, oder Zinsen i.H.d. jeweiligen Drei-Monats-Euribors. Für die einzelnen Zinsperioden wurden bei den "Flexi-Swap-Verträgen" jeweils wechselnde Bezugsbeträge vereinbart. Die vier Swap-Verträge hatten bei Vertragsschluss für die Klägerin einen anfänglichen negativen Marktwert.
LG und OLG stellten antragsgemäß fest, dass die Klägerin, die über den anfänglichen negativen Marktwert nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei, auf die Zinssatz-Swap-Verträge keine Zahlungen mehr leisten müsse. Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung von über 1,4 Mrd. € blieb erfolglos. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Zinssatz-Swap-Verträge waren selbst dann, wenn sie ausschließlich der Erzielung eines (Spekulations-)Gewinns gedient haben sollten, weder wegen einer Überschreitung des gemeindlichen Wirkungskreises unwirksam noch wegen eines Verstoßes gegen ein etwaiges gemeindliches Spekulationsverbot nichtig. Da das Berufungsgericht schon das Zustandekommen der Beratungsverträge nicht sicher geklärt hatte, konnte nicht abschließend entschieden werden, ob die Beklagte die Klägerin wegen einer Beratungspflichtverletzung so stellen muss, als habe die Klägerin nichts mehr zu zahlen.
Der Senat konnte weitestgehend an seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 zu einem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag anknüpfen (BGH-Urt. v. 22.3.2011, Az.: XI ZR 33/10). Demnach ist eine Bank, die zu einem eigenen Zinssatz-Swap-Vertrag rät, unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts grundsätzlich verpflichtet, den Kunden über das Einpreisen ihrer Kosten und ihres Netto-Gewinns, d.h. über das Einstrukturieren eines anfänglichen negativen Marktwertes, aufzuklären. Das Einpreisen des anfänglichen negativen Marktwertes kann der Kunde, der davon ausgeht, die Bank verdiene ausschließlich bei einem ihr günstigen Verlauf der Zinswette i.H.d. Zinsdifferenz, nicht erkennen. Das gilt unabhängig von der konkreten Gestaltung der Bedingungen des Swap-Vertrages. Die Komplexität des Swap-Vertrages ist vielmehr kein Kriterium, das über das Bestehen oder Nichtbestehen der Aufklärungspflicht entscheidet, so dass die 2011 entwickelte Rechtsprechung nicht nur den CMS Spread Ladder Swap-Vertrag, sondern grundsätzlich alle Swap-Verträge betrifft.
Die Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert umfasst auch die Verpflichtung zur Information über seine Höhe. Denn nur bei Kenntnis der Höhe des anfänglichen negativen Marktwertes kann der Kunde das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung des Swap-Vertrages richtig einschätzen. Die Bank muss jedoch nicht über den anfänglichen negativen Marktwert aufklären, wenn der Swap-Vertrag der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dient. Auch die Einwendung, die Bank habe den Kunden wegen einer Beratungspflichtverletzung so zu stellen, als habe er den Swap-Vertrag nicht abgeschlossen, verjährt genauso wie der ihr zugrundeliegende Anspruch auf Aufhebung der den Kunden belastenden Forderung aus dem Swap-Vertrag. Der Rahmenvertrag bewirkt nicht, dass die Verjährung der Ansprüche aus jeweils im Zusammenhang mit dem Abschluss der Zinssatz-Swap-Verträge zustande gekommenen Beratungsverträgen einheitlich mit dem letzten Geschäft anläuft.
Letztlich war im vorliegenden Fall klarzustellen, dass der Umstand, dass die Klägerin andere für sie günstig verlaufene Zinssatz-Swap-Verträge unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Beratungspflichten nicht rückabwickeln wollte, zwar ein Indiz dafür sein konnte, dass sie die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge auch in Kenntnis der Höhe eines eingepreisten anfänglichen negativen Marktwertes abgeschlossen hätte. Ist aber die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens der Klägerin trotz dieses und etwaiger sonstiger Indizien nicht widerlegt, können Vorteile, die die Klägerin aus anderen Zinssatz-Swap-Verträgen mit der Beklagten gezogen hatte, im Zuge der Vorteilsausgleichung keine Berücksichtigung finden.
Linkhinweise:
- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.