Erneute EuGH-Vorlage zur Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden bei Datenschutzverstößen durch Facebook
BGH v. 10.11.2022 - I ZR 186/17
Der Sachverhalt:
Die in Irland ansässige beklagte Meta Platform Ireland Limited (ehemals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von 'Spiel spielen' oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."
Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter u.a. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende AGB. Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt.
Der in der Revisionsinstanz mit der Sache befasste BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
Der EuGH hat dazu mit Urteil vom 28.4.2022 - C-319/20 entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 DSGVO einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer AGB verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.
Der BGH hat nunmehr das Verfahren erneut ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" i.S.v. Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien.
Die Gründe:
Der Senat ist in seinem ersten Vorlagebeschluss vom 28.5.2020 davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG bestehende Klagebefugnis des Klägers wegen seines im Streitfall allein auf die objektiv-rechtliche Durchsetzung des Datenschutzrechts gerichteten Klagebegehrens nicht den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels VIII der DSGVO und insbesondere nicht den Art. 80 Abs. 1 und 2 DSGVO oder Art. 84 Abs. 1 DSGVO entnehmen lässt. Er hat daher dem EuGH mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die DSGVO in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung trifft, die der Anwendbarkeit der § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG entgegensteht.
Der EuGH hat - abweichend von der vom Senat im Vorlagebeschluss vertretenen Ansicht - entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DSGVO ergeben kann. Die in Art. 80 Abs. 2 DSGVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, besteht allerdings nur für den Fall, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gem. der DSGVO seien "infolge einer Verarbeitung" verletzt worden. Es ist fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn - wie im Streitfall - die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO ergebenden Informationspflichten verletzt worden sind. Die erneute Vorlage an den EuGH dient der Klärung dieser Frage.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
EuGH: Datenschutzrechtliche Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden
EuGH vom 28.04.2022 - C-319/20
CR 2022, 434
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BGH PM Nr. 159 vom 10.11.2022
Die in Irland ansässige beklagte Meta Platform Ireland Limited (ehemals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von 'Spiel spielen' oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."
Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter u.a. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende AGB. Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt.
Der in der Revisionsinstanz mit der Sache befasste BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
Der EuGH hat dazu mit Urteil vom 28.4.2022 - C-319/20 entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 DSGVO einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer AGB verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.
Der BGH hat nunmehr das Verfahren erneut ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" i.S.v. Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien.
Die Gründe:
Der Senat ist in seinem ersten Vorlagebeschluss vom 28.5.2020 davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG bestehende Klagebefugnis des Klägers wegen seines im Streitfall allein auf die objektiv-rechtliche Durchsetzung des Datenschutzrechts gerichteten Klagebegehrens nicht den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels VIII der DSGVO und insbesondere nicht den Art. 80 Abs. 1 und 2 DSGVO oder Art. 84 Abs. 1 DSGVO entnehmen lässt. Er hat daher dem EuGH mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die DSGVO in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung trifft, die der Anwendbarkeit der § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG entgegensteht.
Der EuGH hat - abweichend von der vom Senat im Vorlagebeschluss vertretenen Ansicht - entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DSGVO ergeben kann. Die in Art. 80 Abs. 2 DSGVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, besteht allerdings nur für den Fall, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gem. der DSGVO seien "infolge einer Verarbeitung" verletzt worden. Es ist fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn - wie im Streitfall - die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO ergebenden Informationspflichten verletzt worden sind. Die erneute Vorlage an den EuGH dient der Klärung dieser Frage.
Rechtsprechung:
EuGH: Datenschutzrechtliche Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden
EuGH vom 28.04.2022 - C-319/20
CR 2022, 434
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