12.05.2022

Erste BGH-Entscheidung in Klageserie gegen Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen

Der BGH hat sich vorliegend mit verschiedenen Rechtsfragen zu Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen befasst. Es handelt sich hierbei um das erste von zahlreichen beim VIII. Zivilsenat des BGH anhängigen Verfahren, in denen Ansprüche gegen ein Energieversorgungsunternehmen geltend gemacht werden, welches in einem Berliner Wohngebiet über 700 Kunden mit Fernwärme beliefert.

BGH v. 6.4.2022 - VIII ZR 295/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte beliefert die Kläger seit 2009 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen i.S.v. § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.

Im Januar 2019 entschied das KG in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln - also auch die den Bereitstellungspreis betreffende - nach § 139 BGB unwirksam seien.

Unter Berufung auf dieses Urteil verlangten nachfolgend mehrere ihrer Kunden von der Beklagten die Rückerstattung überhöhter Wärmeentgelte. Ab Mai 2019 legte die Beklagte ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte. Auch vorliegend begehrten die Kläger von der Beklagten mit ihrer Klage die Rückerstattung in den Jahren 2015 bis 2018 vermeintlich überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise i.H.v. rd. 2.000 € nebst Zinsen, die Feststellung der Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklauseln sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur einseitigen Änderung der Preisanpassungsklausel nicht berechtigt gewesen sei.

Das KG gab der Klage teilweise statt. Es ging davon aus, dass die Unwirksamkeit nach § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nur die Änderungsklausel zum Arbeitspreis, nicht aber auch diejenige zum Bereitstellungspreis erfasse, und gab der Zahlungsklage deshalb lediglich i.H.v. rd. 5 € statt. Überdies stellte es fest, dass die Beklagte zur einseitigen Anpassung der Preisänderungsbestimmung zum Arbeitspreis ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei; eine solche Änderung sei nur mit Zustimmung des jeweiligen Kunden möglich.

Das KG ließ der Revision zulässigerweise nur beschränkt auf die Fragen der Wirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis und der Berechtigung der Beklagten zur einseitigen Anpassung der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis zu. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.

Die Gründe:
Bei in Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln zum Arbeitspreis einerseits und zum Bereitstellungs- beziehungsweise Grundpreis andererseits handelt es sich im Regelfall und auch vorliegend um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind. Nach Maßgabe des § 306 Abs. 1 BGB - als der bei Formularbestimmungen gegenüber § 139 BGB vorrangigen Bestimmung - führt deshalb die Unwirksamkeit einer dieser Preisänderungsklauseln nicht zugleich zur Unwirksamkeit der anderen Anpassungsklausel. Da die von der Beklagten in ihren Vertragsbedingungen vorgesehene Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis als solche den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht, können die Kläger mithin vorliegend keine Rückzahlung des insoweit geleisteten Wärmeentgelts verlangen. Ihre hierauf gerichtete Revision blieb deshalb ohne Erfolg.

Keinen Bestand konnte des Berufungsurteil hingegen haben, soweit hierin eine Befugnis der Beklagten zur Anpassung der für unwirksam befundenen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis allgemein verneint worden war. Vielmehr sind Fernwärmeversorgungsunternehmen im Fall einer unwirksamen Preisänderungsklausel gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV i.V.m. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV grundsätzlich berechtigt und ggf. sogar verpflichtet, diese auch während eines laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig an die Angemessenheits- und Transparenzanforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen. Denn nur so kann für die typischerweise langfristig angelegten Wärmeversorgungsverhältnisse durchgängig eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung und damit ein angemessener Ausgleich der Interessen von Versorger und Kunden gewährleistet werden.

Dies hatte der Senat grundlegend bereits mit Urteil vom 26.1.2022 (VIII ZR 175/19) entschieden. Davon ausgehend bedarf es vorliegend zunächst weiterer Feststellungen dazu, ob die von der Beklagten ab Mai 2019 verwendete Änderungsklausel nunmehr den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht. Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil deshalb insoweit aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurückzuverweisen.

Hintergrund:
Weitere Rechtsfragen (etwa zur Wirksamkeit der ursprünglichen Anpassungsklausel zum Arbeitspreis oder zur Anwendung der sog. Dreijahreslösung), die vorliegend aufgrund der beschränkten Revisionszulassung bzw. aufgrund mangelnder Entscheidungserheblichkeit nicht zu beantworten waren, wird der Senat voraussichtlich zeitnah in kommenden Entscheidungen zu dieser Klageserie behandeln.

Mehr zum Thema:
  • Rechtsprechung: BGH vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19 - Anpassung von unwirksamen Preisänderungsklauseln durch Energieversorger an Gesetzeslage (ZIP 2022, 901)
  • Kommentierung: 2. Preisänderungsklauseln --- Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Kommentar, 13. Auflage
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BGH PM Nr. 60 vom 12.5.2022
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