EU-Kommission reformiert Kartellverfahren und erweitert Rolle des Anhörungsbeauftragten
Die Maßnahmen sollen die Transparenz und Fairness von Wettbewerbsverfahren steigern. Die Bekanntmachung enthält Orientierungshilfen zu bewährten Vorgehensweisen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Parteien stets darüber informiert sind, was sie in den verschiedenen Phasen einer kartellrechtlichen Untersuchung zu erwarten haben. Die folgenden Vorgehensweisen wurden im Jahr 2010 eingeführt:
EU-Kommission PM vom 17.10.2011
- frühere Einleitung des förmlichen Verfahrens;
- Treffen zum Stand des Verfahrens in besonders wichtigen Verfahrensphasen;
- Offenlegung der Hauptunterlagen bereits in der Untersuchungsphase;
- öffentliche Bekanntgabe der Einleitung und des Abschlusses eines Verfahrens sowie der Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte;
- Orientierungshilfen zur praktischen Durchführung von Verpflichtungsverfahren.
Die Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen sieht gegenüber dem 2010 vorgelegten früheren Entwurf u.a. folgende Neuerungen vor:
- In der Mitteilung der Beschwerdepunkte werden die Parteien über die wichtigsten Parameter für die Verhängung einer eventuellen Geldbuße informiert.
- Die Treffen zum Stand des Verfahrens werden auf Kartellsachen ausgeweitet, und unter bestimmten Umständen werden auch die Beschwerdeführer einbezogen.
- Die Möglichkeiten von Beschwerdeführern oder Dritten, vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Zugang zu den "Hauptunterlagen", wie etwa Wirtschaftsstudien, zu erhalten, werden verbessert.
- Beschlüsse über die Abweisung von Beschwerden werden vollständig oder als Zusammenfassung veröffentlicht.
Neue Aufgaben des Anhörungsbeauftragten in der Untersuchungsphase:
- Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Vertraulichkeit der Mitteilungen zwischen den Unternehmen und ihren externen Rechtsberatern.
- Tätigwerden, wenn ein Unternehmen der Auffassung ist, nicht über seine Stellung in dem betreffenden Verfahren informiert worden zu sein.
- Parteien können den Anhörungsbeauftragen anrufen, wenn sie ihrer Ansicht nicht zur Beantwortung von Fragen verpflichtet sein sollten, die sie dazu zwingen könnten, einen Verstoß einzuräumen.
- Tätigwerden bei Meinungsverschiedenheiten über die Verlängerung von Fristen für die Antwort auf Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 3 der Kartellrechtsverordnung 1/2003.
Weitere Beispiele für wichtige Entwicklungen:
- Die Rolle des Anhörungsbeauftragten bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Anhörung wird gestärkt.
- Der Anhörungsbeauftragte erstellt während des gesamten Verfahrens, auch während der Untersuchungsphase, Berichte über die tatsächliche Ausübung der Verfahrensrechte.
- Im Rahmen des neuen Mandats des Anhörungsbeauftragten sind die Parteien ausdrücklich dazu befugt, ihn in Kartellverpflichtungsverfahren anzurufen.
Linkhinweis:
- Auf den Webseiten der EU-Kommission finden Sie ein Memo mit weiteren ausführlichen Informationen hier.
- Den Text des Maßnahmenpakets (in englischer Sprache) finden Sie hier.