EuGH-Vorlage zum Vertrieb von parallel importierten und umverpackten Arzneimitteln
LG Hamburg v. 27.2.2020 - 312 O 177/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der exklusiven Nutzungsrechte an Wortmarken, die sie für das Arzneimittel "V. 400 mg Filmtabletten" und "V. 200 mg Filmtabletten" nutzt. Die Beklagte vertreibt in Deutschland in erster Linie re- und parallelimportierte Arzneimittel von Herstellern aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Sie bietet u.a. als Parallelimport das Arzneimittel "V. 200 mg Filmtabletten" in Packungen mit einer Dose mit 30 Filmtabletten und mit 90 Filmtabletten sowie das Arzneimittel "V. 400 mg Filmtabletten" in Packungen mit einer Dose mit 30 Filmtabletten und mit 60 Filmtabletten an.
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte die Originalarzneimittel "V. 200 mg Filmtabletten" und "V. 400 mg Filmtabletten" der Klägerin parallel importieren und jeweils in einer von der Beklagten an die Klägerin übersandten neuen äußeren Umhüllung/Umverpackung vertreiben darf oder ob die Beklagte vielmehr die geöffnete originale Umverpackung aus dem Konzern der Klägerin unter Anbringung einer neuen Vorrichtung gegen Manipulation weiter vertreiben muss. Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II VO (EU) 2017/1001 zu. Ihre Markenrechte seien nicht i.S.d. Art. 15 II VO (EU) 2017/1001 erschöpft, weil es der Beklagten möglich sei, die Originalverpackung mit aufzuklebenden Etiketten zu versehen, die auch den Barcode als individuelles Erkennungsmerkmal i.S.d. Art. 3 Nr. 2 a) VO (EU) 2016/161 aufweise.
Das LG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 9 II sowie Art. 15 II VO (EU) 2017/1001 vorgelegt.
Die Gründe:
Der Erfolg der Klage hängt davon ab, wie Art. 54 lit. o), 47a der Richtlinie 2001/83/EG bzw. Art. 5 Nr. 3 VO EU 2016/161 auszulegen sind. Wenn das Umpacken durch die Beklagte in neue Umverpackungen gegen die vom EuGH aufgestellten Grundsätze u.a. in der Entscheidung Bristol-Myers-Squibb (Urteil vom 11.7.1996, Az. C-427/93) verstößt, kann der Klägerin der vorliegend geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II UMV zustehen. Wenn die Berufung der Klägerin auf ihre Markenrechte allerdings zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führen kann, kann die Verteidigung der Beklagten erfolgreich sein. Wenn sich aus Art. 5 Nr. 3 VO EU 2016/161 eine Verpflichtung der Beklagten ergibt, den Barcode unmittelbar auf die Arzneimittelverpackung aufzudrucken, kann dies die Verwendung einer neuen äußeren Umhüllung gebieten.
Erste Frage:
Kann es zu einer künstlichen Abschottung der Märkte i.S.d. EuGH-Rechtsprechung führen, wenn die nach Art. 54 lit. o), Art. 47a RL 2001/83/EG vorgesehenen Sicherheitsmerkmale einer originalen äußeren Umhüllung/Originalverpackung unter Beibehaltung dieser Originalverpackung durch den Parallelhändler unter Beachtung des Art. 47a I b) RL 2001/83/EG nur in der Weise ersetzt werden können, dass sichtbare Öffnungsspuren verbleiben, nachdem die ursprünglich vorhandenen Sicherheitsmerkmale teilweise oder vollständig entfernt und/oder überdeckt wurden?
Zweite Frage:
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage bedeutsam, ob die Öffnungsspuren erst dann sichtbar werden, wenn das Arzneimittel von Großhändlern und/oder Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zugelassen oder berechtigt sind, z.B. Apotheken, in Erfüllung ihrer Verpflichtung nach den Artikeln 10, 24 und 30 VO (EU) 2016/161 gründlich überprüft wurde oder bei einer oberflächlichen Überprüfung übersehen werden können?
Dritte Frage:
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage bedeutsam, ob die Öffnungsspuren erst sichtbar werden, wenn die Verpackung eines Arzneimittels z. B. durch den Patienten geöffnet wird?
Vierte Frage:
Ist Art. 5 Nr. 3 VO (EU) 2016/161 dahin auszulegen, dass der Barcode, der das individuelle Erkennungsmerkmal im Sinne von Art. 3 Ziffer 2 Buchstabe a) der VO (EU) 2016/161 enthält, unmittelbar auf der Verpackung aufgedruckt sein muss, also ein Aufbringen des individuellen Erkennungsmerkmals mit einem zusätzlichen äußeren Aufkleber auf der äußeren Originalverpackung durch einen Parallelhändler nicht Art. 5 Nr. 3 VO (EU) 2016/161 entspricht?
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Die Klägerin ist Inhaberin der exklusiven Nutzungsrechte an Wortmarken, die sie für das Arzneimittel "V. 400 mg Filmtabletten" und "V. 200 mg Filmtabletten" nutzt. Die Beklagte vertreibt in Deutschland in erster Linie re- und parallelimportierte Arzneimittel von Herstellern aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Sie bietet u.a. als Parallelimport das Arzneimittel "V. 200 mg Filmtabletten" in Packungen mit einer Dose mit 30 Filmtabletten und mit 90 Filmtabletten sowie das Arzneimittel "V. 400 mg Filmtabletten" in Packungen mit einer Dose mit 30 Filmtabletten und mit 60 Filmtabletten an.
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte die Originalarzneimittel "V. 200 mg Filmtabletten" und "V. 400 mg Filmtabletten" der Klägerin parallel importieren und jeweils in einer von der Beklagten an die Klägerin übersandten neuen äußeren Umhüllung/Umverpackung vertreiben darf oder ob die Beklagte vielmehr die geöffnete originale Umverpackung aus dem Konzern der Klägerin unter Anbringung einer neuen Vorrichtung gegen Manipulation weiter vertreiben muss. Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II VO (EU) 2017/1001 zu. Ihre Markenrechte seien nicht i.S.d. Art. 15 II VO (EU) 2017/1001 erschöpft, weil es der Beklagten möglich sei, die Originalverpackung mit aufzuklebenden Etiketten zu versehen, die auch den Barcode als individuelles Erkennungsmerkmal i.S.d. Art. 3 Nr. 2 a) VO (EU) 2016/161 aufweise.
Das LG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 9 II sowie Art. 15 II VO (EU) 2017/1001 vorgelegt.
Die Gründe:
Der Erfolg der Klage hängt davon ab, wie Art. 54 lit. o), 47a der Richtlinie 2001/83/EG bzw. Art. 5 Nr. 3 VO EU 2016/161 auszulegen sind. Wenn das Umpacken durch die Beklagte in neue Umverpackungen gegen die vom EuGH aufgestellten Grundsätze u.a. in der Entscheidung Bristol-Myers-Squibb (Urteil vom 11.7.1996, Az. C-427/93) verstößt, kann der Klägerin der vorliegend geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Art. 9 II UMV zustehen. Wenn die Berufung der Klägerin auf ihre Markenrechte allerdings zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führen kann, kann die Verteidigung der Beklagten erfolgreich sein. Wenn sich aus Art. 5 Nr. 3 VO EU 2016/161 eine Verpflichtung der Beklagten ergibt, den Barcode unmittelbar auf die Arzneimittelverpackung aufzudrucken, kann dies die Verwendung einer neuen äußeren Umhüllung gebieten.
Erste Frage:
Kann es zu einer künstlichen Abschottung der Märkte i.S.d. EuGH-Rechtsprechung führen, wenn die nach Art. 54 lit. o), Art. 47a RL 2001/83/EG vorgesehenen Sicherheitsmerkmale einer originalen äußeren Umhüllung/Originalverpackung unter Beibehaltung dieser Originalverpackung durch den Parallelhändler unter Beachtung des Art. 47a I b) RL 2001/83/EG nur in der Weise ersetzt werden können, dass sichtbare Öffnungsspuren verbleiben, nachdem die ursprünglich vorhandenen Sicherheitsmerkmale teilweise oder vollständig entfernt und/oder überdeckt wurden?
Zweite Frage:
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage bedeutsam, ob die Öffnungsspuren erst dann sichtbar werden, wenn das Arzneimittel von Großhändlern und/oder Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zugelassen oder berechtigt sind, z.B. Apotheken, in Erfüllung ihrer Verpflichtung nach den Artikeln 10, 24 und 30 VO (EU) 2016/161 gründlich überprüft wurde oder bei einer oberflächlichen Überprüfung übersehen werden können?
Dritte Frage:
Ist es für die Beantwortung der ersten Frage bedeutsam, ob die Öffnungsspuren erst sichtbar werden, wenn die Verpackung eines Arzneimittels z. B. durch den Patienten geöffnet wird?
Vierte Frage:
Ist Art. 5 Nr. 3 VO (EU) 2016/161 dahin auszulegen, dass der Barcode, der das individuelle Erkennungsmerkmal im Sinne von Art. 3 Ziffer 2 Buchstabe a) der VO (EU) 2016/161 enthält, unmittelbar auf der Verpackung aufgedruckt sein muss, also ein Aufbringen des individuellen Erkennungsmerkmals mit einem zusätzlichen äußeren Aufkleber auf der äußeren Originalverpackung durch einen Parallelhändler nicht Art. 5 Nr. 3 VO (EU) 2016/161 entspricht?