Fehlende Aktivlegitimation des Admins einer sog. "Gruppe"
OLG Köln v. 10.3.2022 - 15 U 182/20
Der Sachverhalt:
Mit seiner im Juni 2019 eingereichten Klageschrift nahm der Kläger als (angeblich) registrierter Nutzer sowie (angeblicher) Administrator einer sog. "Gruppe" namens "A" die Beklagte, eine Betreiberin eines sog. sozialen Netzwerks, wegen der vermeintlich unzulässigen "Löschung" dieser "Gruppe" am 28.2.2019 in Anspruch. Mit der Klage verlangte der Kläger die Wiederherstellung der "Gruppe", Zahlung eines Geldbetrages sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Auslöser der Löschung der hier streitgegenständlichen "Gruppe" soll nach den Behauptungen der Beklagten ein Post mit gezielter Herabwürdigung und unterschwelliger Drohung gewesen sein. Dieser war als sog. "fixierter Beitrag" veröffentlicht, was zur Folge hatte, dass er in der Chronik der "Gruppe" (ungeachtet zeitlich aktuellerer Beiträge) stets an oberster Stelle angezeigt wurde und somit von nahezu allen Gruppenmitgliedern eingesehen werden konnte.
Seit April/Mai 2018 verwendet die Beklagte im Hinblick auf das Inkrafttreten der DSGVO angepasste Nutzungsbedingungen, Sonderbedingungen u.a. für Gruppen und Gemeinschaftsstandards. Die bereits früher angemeldeten Nutzer stimmten diesen neuen Bedingungen über eine sog. Pop-Up-Maske zu, wenn sie nicht - was als einzige Alternative angeboten wurde - ihr Konto löschen wollten. Die Entscheidung konnte nur bis zum 25.5.2018 durch ein "Wegklicken" des Fensters aufgeschoben werden.
Der Kläger war der Ansicht, die "erzwungene" Änderung der Nutzungsbedingungen im Jahr 2018 sei unwirksam und daher seien für ihn noch die früheren Bedingungen der Beklagten maßgeblich, die zu "Gruppen" und deren Deaktivierung unstreitig keinerlei explizite Regularien enthielten. Die neuen Bedingungen mit ihrem nur pauschalen Verweis u.a. auf die sog. "Gemeinschaftsstandards" und die - nach Ansicht des Klägers intransparent geregelte - Verantwortlichkeit der Administration für sämtliche Inhalte in "Gruppen" sei ohnehin gem. § 307 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.
Aus der - hier erfolgten - rechtswidrigen Löschung der "Gruppe" folge - weil man die seitens der Nutzer nach den Vertragsbedingungen der Beklagten gewährte Lizenz an allen Inhalten trotz mangelnder Gegenleistung ungehindert weiter nutze - ein Ersatzanspruch (auch) des Klägers aus §§ 280, 249 BGB, der nach § 287 ZPO in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr bzw. je nach Wert der Daten zu schätzen sei bzw. es bestehe zumindest ein Bereicherungsanspruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der primär geltend gemachte Wiederherstellungsanspruch mit Blick auf die streitgegenständliche "Gruppe" unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 ff. BGB.
Der Kläger ist im konkreten Fall bereits nicht aktivlegitimiert. Selbst wenn man dann einem Administrator einer "Gruppe" einen aus dem eigenen Account abgeleiteten vertraglichen Abwehranspruch auch gegen eine (unterstellt) rechtswidrige Löschung einer von ihm administrierten "Gruppe" zusprechen würde, setzt ein solcher Anspruch schon denklogisch zumindest voraus, dass die natürliche Person im Zeitpunkt der (unterstellt) vertragswidrigen Löschung mit einem tatsächlich auch noch fortbestehenden Konto/Account (Vertragsverhältnis) ein User der Beklagten und gleichzeitig auch Administrator der betroffenen "Gruppe" war und mithin in diesen (eigenen) vertraglichen Rechten selbst unmittelbar durch den faktischen Eingriff der Beklagten in die "Gruppe" und deren, aus den einzelnen Userverträgen abzuleitenden "Rechten" damit "betroffen" ist. Das war hier aber nicht der Fall.
Im Zeitpunkt der Löschung der "Gruppe" war der Kläger, zuletzt in der "Gruppe" bis zum Zeitpunkt der Löschung nur mit dem Account unter der Bezeichnung "B" tätig. Das dahinterstehende Vertragsverhältnis war aber unstreitig seit dem 6.3.2021 beendet und dieser Account unstreitig vom Kläger selbst gelöscht/deaktiviert worden. Soweit der Kläger geltend gemacht hatte, dass er diese Deaktivierung allein wegen der oben angesprochenen Nutzungsbedingungen der Beklagten vorgenommen habe, um nicht weiter mehrere Accounts zu führen, änderte das nichts, weil diese Deaktivierung dennoch damals auf seine freie Willensentscheidung zurückzuführen war und er (stattdessen) seinen (wieder) "neu" angelegten Account mit der ihm von der Beklagten zugewiesenen "ursprünglichen" URL "G" nutzen wollte, wozu ihn aber ausdrücklich niemand "gezwungen" hatte.
Die Beklagte ist zuletzt auch nicht etwa über § 242 BGB daran gehindert, sich auf die vorgenannten Umstände und die formalen Account-Unterschiede im hiesigen Verfahren zu berufen. Denn es stand dem Kläger frei, nicht stetig neue Accounts anzulegen und Accounts zu wechseln bzw. zu deaktivieren, sondern im Bedarfsfall seinen (dann "durchgehenden" und "einheitlichen") Account gegen etwaige vertragswidrige Eingriffe seitens der Beklagten zu verteidigen, wie es zahlreiche andere Klägerinnen und Kläger in anderen beim Senat anhängigen Verfahren auch getan haben und weiter tun. Dem Kläger hier aus der Mehrzahl eingerichteter Accounts im Wege einer Art "Gesamtbetrachtung" allein aufgrund seiner Eigenschaft als natürliche Person auch eine Art "Gesamtberechtigung" zuzusprechen, (unterstellte) Verletzungshandlungen aus einem beliebigen Nutzervertrag "einheitlich" in dem jeweils gerade für ihn aktuell genutzten Account zuzusprechen, ist rechtlich jedenfalls nicht veranlasst.
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Justiz NRW
Mit seiner im Juni 2019 eingereichten Klageschrift nahm der Kläger als (angeblich) registrierter Nutzer sowie (angeblicher) Administrator einer sog. "Gruppe" namens "A" die Beklagte, eine Betreiberin eines sog. sozialen Netzwerks, wegen der vermeintlich unzulässigen "Löschung" dieser "Gruppe" am 28.2.2019 in Anspruch. Mit der Klage verlangte der Kläger die Wiederherstellung der "Gruppe", Zahlung eines Geldbetrages sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Auslöser der Löschung der hier streitgegenständlichen "Gruppe" soll nach den Behauptungen der Beklagten ein Post mit gezielter Herabwürdigung und unterschwelliger Drohung gewesen sein. Dieser war als sog. "fixierter Beitrag" veröffentlicht, was zur Folge hatte, dass er in der Chronik der "Gruppe" (ungeachtet zeitlich aktuellerer Beiträge) stets an oberster Stelle angezeigt wurde und somit von nahezu allen Gruppenmitgliedern eingesehen werden konnte.
Seit April/Mai 2018 verwendet die Beklagte im Hinblick auf das Inkrafttreten der DSGVO angepasste Nutzungsbedingungen, Sonderbedingungen u.a. für Gruppen und Gemeinschaftsstandards. Die bereits früher angemeldeten Nutzer stimmten diesen neuen Bedingungen über eine sog. Pop-Up-Maske zu, wenn sie nicht - was als einzige Alternative angeboten wurde - ihr Konto löschen wollten. Die Entscheidung konnte nur bis zum 25.5.2018 durch ein "Wegklicken" des Fensters aufgeschoben werden.
Der Kläger war der Ansicht, die "erzwungene" Änderung der Nutzungsbedingungen im Jahr 2018 sei unwirksam und daher seien für ihn noch die früheren Bedingungen der Beklagten maßgeblich, die zu "Gruppen" und deren Deaktivierung unstreitig keinerlei explizite Regularien enthielten. Die neuen Bedingungen mit ihrem nur pauschalen Verweis u.a. auf die sog. "Gemeinschaftsstandards" und die - nach Ansicht des Klägers intransparent geregelte - Verantwortlichkeit der Administration für sämtliche Inhalte in "Gruppen" sei ohnehin gem. § 307 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.
Aus der - hier erfolgten - rechtswidrigen Löschung der "Gruppe" folge - weil man die seitens der Nutzer nach den Vertragsbedingungen der Beklagten gewährte Lizenz an allen Inhalten trotz mangelnder Gegenleistung ungehindert weiter nutze - ein Ersatzanspruch (auch) des Klägers aus §§ 280, 249 BGB, der nach § 287 ZPO in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr bzw. je nach Wert der Daten zu schätzen sei bzw. es bestehe zumindest ein Bereicherungsanspruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der primär geltend gemachte Wiederherstellungsanspruch mit Blick auf die streitgegenständliche "Gruppe" unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 ff. BGB.
Der Kläger ist im konkreten Fall bereits nicht aktivlegitimiert. Selbst wenn man dann einem Administrator einer "Gruppe" einen aus dem eigenen Account abgeleiteten vertraglichen Abwehranspruch auch gegen eine (unterstellt) rechtswidrige Löschung einer von ihm administrierten "Gruppe" zusprechen würde, setzt ein solcher Anspruch schon denklogisch zumindest voraus, dass die natürliche Person im Zeitpunkt der (unterstellt) vertragswidrigen Löschung mit einem tatsächlich auch noch fortbestehenden Konto/Account (Vertragsverhältnis) ein User der Beklagten und gleichzeitig auch Administrator der betroffenen "Gruppe" war und mithin in diesen (eigenen) vertraglichen Rechten selbst unmittelbar durch den faktischen Eingriff der Beklagten in die "Gruppe" und deren, aus den einzelnen Userverträgen abzuleitenden "Rechten" damit "betroffen" ist. Das war hier aber nicht der Fall.
Im Zeitpunkt der Löschung der "Gruppe" war der Kläger, zuletzt in der "Gruppe" bis zum Zeitpunkt der Löschung nur mit dem Account unter der Bezeichnung "B" tätig. Das dahinterstehende Vertragsverhältnis war aber unstreitig seit dem 6.3.2021 beendet und dieser Account unstreitig vom Kläger selbst gelöscht/deaktiviert worden. Soweit der Kläger geltend gemacht hatte, dass er diese Deaktivierung allein wegen der oben angesprochenen Nutzungsbedingungen der Beklagten vorgenommen habe, um nicht weiter mehrere Accounts zu führen, änderte das nichts, weil diese Deaktivierung dennoch damals auf seine freie Willensentscheidung zurückzuführen war und er (stattdessen) seinen (wieder) "neu" angelegten Account mit der ihm von der Beklagten zugewiesenen "ursprünglichen" URL "G" nutzen wollte, wozu ihn aber ausdrücklich niemand "gezwungen" hatte.
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