24.08.2020

Fehlerhafte Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Verbraucherdarlehensvertrag

Sind die Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Verbraucherdarlehensvertrag fehlerhaft, verliert der Darlehensgeber den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB. Das Anlaufen der Widerrufsfrist bleibt davon unberührt.

BGH v. 28.7.2020 - XI ZR 288/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im März 2016 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 32.400 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 13.400 € hinausgehenden Kaufpreisteils schlossen die Parteien mit Datum vom 10.3.2016 einen Darlehensvertrag über 19.000 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95 % p.a. und einer Laufzeit von 48 Monaten. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu jeweils 200 € und einer Abschlussrate von 11.200 € erbracht werden. Der neunseitige Darlehensvertrag enthält unter der Überschrift "Darlehensvertrag" den Zusatz "Ratenkredit mit festem Zinssatz und Zusatzvereinbarung". Ferner heißt es auf Seite 1 des Darlehensvertrags unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens":

"Im Falle der vorzeitigen Darlehensrückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1 Prozent bzw., wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet." Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 2 des Darlehensvertrags.

Bestandteil des Darlehensvertrags waren ferner die Allgemeinen Darlehensbedingungen (Stand 06/2015) der Beklagten, die u.a. folgende Klauseln enthielten:

"IX. Allgemeine Bestimmungen
5. Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten."

Mit Schreiben vom 3.8.2017 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Mit der Klage beantragte der Kläger zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Anzahlung i.H.v. 13.400 €, die bis zum Widerruf am 3.8.2017 erbrachten Zahlungen i.H.v. 3.400 € und seine weiteren Zahlungen nach Widerruf i.H.v. 4.000 € jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs zurückzuzahlen, und festzustellen, dass er der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag seit dem Widerruf vom 3.8.2017 keine weiteren vertragsgemäßen Zins- und Tilgungsleistungen mehr schulde. Die Beklagte hat im Wege der Hilfswiderklage beantragt, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet sei, an sie Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger nach dem Kauf und dem Verkehrswert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an sie im Rahmen der Rückabwicklung zu zahlen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat den streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen.

Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Zu den Pflichtangaben gehört nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 13.6.2014 bis 20.3.2016 geltenden Fassung (a.F.) die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsinformation. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Revision hat sie ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, erfüllt.

Insoweit kann sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. berufen, weil die in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EG-BGB a.F. entspricht. In den fortlaufend paginierten und dem Kläger zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen wird er auf Seite 2 deutlich auf das ihm nach § 495 BGB zustehende Widerrufsrecht hingewiesen. Die Beklagte hat auch den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag auf der Grundlage des Vertragszinses mit 1,56 € rechnerisch richtig angegeben.

Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte auch die erforderliche Pflichtangabe gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB a.F. über das Recht des Darlehensnehmers, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, ordnungsgemäß erteilt. Auf das dem Kläger nach § 500 Abs. 2 BGB a.F. zustehende Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens ist er auf Seite 1 des Darlehensvertrages klar und verständlich hingewiesen worden. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher versteht die dortigen Angaben zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens dahin, dass ihm ein solches Recht dem Grunde nach voraussetzungslos zusteht.

Dagegen hat die Beklagte die nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F. erforderlichen Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht ordnungsgemäß erteilt. Dieser Verstoß lässt aber das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB a.F. unberührt. Die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung führt jedoch nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, ohne das Anlaufen der 14- tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB a.F. zu berühren. Insoweit hat die Erteilung einer ordnungsgemäßen Pflichtangabe nur Bedeutung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung geltend zu machen.
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