09.08.2017

Festpreis-Klausel in den AGB des Auftraggebers eines Einheitspreis-Bauvertrags unwirksam

Die in AGB des Auftraggebers eines Einheitspreis-Bauvertrags enthaltene Klausel "Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich." benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam.

BGH 20.7.2017, VII ZR 259/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt Restwerklohn für Erd-, Mauer- und Betonarbeiten bei dem Neubau einer Tageseinrichtung für Menschen mit Behinderung. Die Parteien schlossen im September 2013 über diese Arbeiten einen Einheitspreisvertrag, der unter Ziffer 3. lautet:

"Vertragsgrundlagen: Auftrags-LV laut Anlage, Bauzeitenplan R. GmbH, Allgemeine Vertragsbedingungen, Zusätzliche technische Vorschriften Ziffer 5". Auf Seite 2 des "Deckblatts der Auftragserteilung Angaben zum Auftrags-LV" heißt es unter "Sonstige Vereinbarungen": 1. Die VOB ist Vertragsbestandteil." Auf der nächsten Seite ("Auftragserteilung - Vorspanntext zum Auftrags-LV") vereinbarten die Parteien unter der Überschrift "Allgemeine Vertragsbedingungen" Folgendes:

"1. Vertragsgrundlagen

  • 1.1 der schriftlich abgeschlossene Werkvertrag
  • 1.2 das Leistungsverzeichnis des Architekten einschließlich der dort aufgeführten zusätzlichen technischen Vorschriften
  • 1.3 diese allgemeinen Vertragsbedingungen
  • 1.4 die Baupläne und die zusätzlichen Angaben des Architekten und der Sonderfachleute
  • 1.5 die VOB Teile B und C in der jeweils neuesten Fassung
  • 1.9 subsidiär gelten die Bestimmungen des BGB über den Werkvertrag

Bei Widersprüchen gilt für die Auslegung vorstehende Reihenfolge.

3. Vergütung

  • 3.1 Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich."

Im Vergleich zu den im Auftrags-Leistungsverzeichnis angegebenen Mengen kam es zu Mehr- und Minderleistungen. Hieraus errechnete die Klägerin eine "Umsatzreduzierung" i.H.v. rd. 140.000 €, wobei sie Massenänderungen von weniger als 10 % außer Betracht ließ. Ihre Schlussrechnung von Dezember 2014 i.H.v. rd. 1,17 Mio. € (netto) enthielt in Position 10 im Hinblick auf die Umsatzreduzierung einen "Umlagenausgleich", den die Beklagte in ihrer Schlusszahlung nicht berücksichtigte. Die Klägerin macht unter Berufung auf § 2 Abs. 3 VOB/B - soweit in der Revision noch von Interesse - diesen Betrag i.H.v. rd. 8.400 € sowie weiteren rd. 440 € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend.

LG und OLG wiesen die Klage insoweit ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gem. § 2 Abs. 3 VOB/B nicht verneint werden. Die Parteien haben diese Bestimmung wirksam in ihren Vertrag einbezogen.

Ziffer 3.1 der Allgemeinen Vertragsgrundlagen ist gem. § 307 BGB unwirksam. Bei dieser Prüfung ist auch im Individualprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Kunden begünstigt, § 305c Abs. 2 BGB. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die vom OLG getroffene Auslegung möglicherweise die am nächsten liegende und allen Interessen am besten gerecht werdende Auslegung ist. Entgegen der Auffassung des OLG erlaubt die Klausel eine nicht völlig fernliegende, sondern auch ernsthaft in Betracht zu ziehende Auslegung, nach der durch sie auch Ansprüche auf Anpassung der Vergütung nach § 313 BGB wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen sein sollen.

Der Wortlaut von Ziffer 3.1 erfasst auch diese Fälle. Zwar trifft es zu, dass sich der Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage als gesetzliche Ausformung des Gedankens von Treu und Glauben darstellt. Gleichwohl kommt als typische Anpassung des Vertrags gerade eine Anpassung der Vergütung in Betracht, so dass es dem entgegensteht, wenn die Preise für die gesamte Vertragsdauer verbindlich bleiben sollen. Auch die systematische Stellung von Ziffer 3.1 unter der Überschrift "Vergütung" steht deshalb der Annahme nicht entgegen, dass eine Preisanpassung nach § 313 BGB, die gerade die Vergütung betrifft, nicht gemeint sein könne.

Auch der vom OLG herangezogene Umstand, dass rechtlicher Anknüpfungspunkt für § 313 BGB keine bloßen Mengenabweichungen von mehr als 10 % sind, ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Klausel diese Fälle keinesfalls umfassen solle. Der Bezug zu § 2 Abs. 3 VOB/B oder zu Mengenabweichungen von mehr als 10 % findet sich gerade nicht im Wortlaut der Klausel; die Auslegung des umfassenden Wortlauts hat lediglich ergeben, dass sie (auch) der Anpassungsmöglichkeit des § 2 Abs. 3 VOB/B entgegensteht. Hieraus kann nichts dafür geschlossen werden, welche weiteren Preisänderungen ebenfalls nicht eintreten sollen.

Schließlich vermag auch die Verwendung des zusätzlichen Begriffs "grundsätzlich" die Reichweite der Klausel nicht einzuschränken. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass dieser Begriff verschiedene Bedeutungen haben kann. Außerhalb der juristischen Terminologie wird er häufig auch im Sinne von "ausnahmslos" verwendet, was hier zu Lasten der Beklagten angenommen werden muss. Der Ausschluss des Anspruchs auf Anpassung des Preises unter den Voraussetzungen von § 313 BGB benachteiligt die Klägerin in unangemessener Weise, weil sie in Fällen, in denen ihr dies unzumutbar wäre, an dem unveränderten Vertragspreis festgehalten würde. Ziffer 3.1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ist daher gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit von Ziffer 3.1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen führt dazu, dass § 2 Abs. 3 VOB/B anwendbar ist.

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