Gefälschter Überweisungsbeleg und seine Folgen
OLG Celle v. 17.11.2020 - 3 U 122/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Kunde der beklagten Bank und unterhält bei ihr u.a. ein Girokonto, für das die "Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr" der Beklagten gelten. Zahlungen von diesem Konto mit einem vom Kläger in Papierform eingereichten Überweisungsträger sind üblich. Der Beklagten liegen entsprechende Unterschriftsproben mit einer Kontovollmacht als Unterschriftskarte vor. Dabei haben die Parteien bezüglich der Vollmachtsart vereinbart, dass nur jeweils ein Bevollmächtigter gemeinsam mit einem anderen Bevollmächtigten im Geschäftsverkehr mit der Bank den Kläger vertreten kann. Zeichnungsbefugt sind danach der Verbandsgeschäftsführer sowie zwei weitere Mitarbeiter des Klägers.
Bei einer Filiale der Beklagten war ein auf den 29.1.2019 datierter SEPA-Überweisungsbeleg eingegangen, der die Anweisung einer Überweisung von dem Konto des Klägers auf das Konto eines Herrn R. in Höhe von 19.831 € enthielt. Auf dem Überweisungsbeleg fanden sich rechts unten ein Name in Druckbuchstaben sowie links daneben eine Unterschrift, die bei näherem Hinsehen ebenfalls den Namen wiederspiegelte und die - jedenfalls grob - mit der tatsächlichen Unterschrift des Verbandsgeschäftsführers, wie sie sich aus der bei der Beklagten vorliegenden Unterschriftenkarte ergab, übereinstimmte. Tatsächlich war der Überweisungsbeleg jedoch gefälscht.
Noch vor Ausführung der Überweisung meldete sich wegen dieses Überweisungsträgers am 31.1.2019 ein Mitarbeiter der Beklagten aus der Geschäftsstelle telefonisch beim Kläger. Es kam zu einem Gespräch mit dem dort für solche Anfragen zuständigen Leiter der Verwaltung. In der Folge des Gesprächs wurde die Überweisung getätigt. Nachdem die Fälschung aufgefallen war, konnte die Buchung und Zahlung vom Konto des Klägers bei der Beklagten nicht mehr rückabgewickelt werden.
Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Zahlung von 19.831 €, hilfsweise die "Stornierung" der Buchung mit dem o.g. Betrag. Das LG hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 19.831 € aus § 675u Satz 2 BGB.
Zwar ist der Anspruch aus § 675u Satz 2 BGB bei der Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet. Der Zahler hat aber nicht nur dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist, sondern auch, wenn das Konto ohne die Rückbuchung einen Habensaldo aufweist bzw. eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da das Konto des Klägers im Haben geführt wurde und wird.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des ohne Autorisierung abgebuchten Betrages ist nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch bei nicht autorisierter Zahlung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet, so dass es auf eine Erkennbarkeit der Fälschung nicht ankommt. Es verbietet sich daher, über die Regelung des § 676c Nr. 1 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zu unterlaufen. Selbst wenn man annehmen wollte, dass es dem Zahlungsdienstleister im Einzelfall möglich ist, darzulegen und zu beweisen, dass es sich um ein außerhalb seines Einflussbereichs liegendes und auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbares Ereignis handelte, das zu der Durchführung der nicht autorisierten Überweisung führte, läge hier nach dem eigenen Vortrag der Beklagten in der Fälschung des Überweisungsauftrags kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des ohne Autorisierung abgebuchten Betrages ist auch nicht aufgrund eines eigenen (Mit-)Verschuldens ausgeschlossen. Ein dem Erstattungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB entgegenstehender Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB kommt bei anderen Zahlungsverfahren als der Nutzung eines Zahlungsinstrumentes zur Vermeidung von sonst auftretenden Wertungswidersprüchen allenfalls bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers in Betracht. Es ist hier bereits zweifelhaft, kann aber im Ergebnis offenbleiben, ob ein "Zahlungsinstrument" i.S. dieser Vorschrift vorliegt; jedenfalls fehlt es an der Haftungsvoraussetzung der (mindestens) groben Fahrlässigkeit.
Zwar könnte ein Verschulden des Klägers darin zu sehen sein, dass er sich den fraglichen Überweisungsträger nicht in Kopie hat zufaxen oder -mailen lassen, um die darauf befindliche(n) Unterschrifte(n) selbst zu überprüfen. Dieses Verschulden wäre auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden, weil bei einer Kontrolle unstreitig sofort aufgefallen wäre, dass sich anstatt der nach der Kontovollmacht notwendigen Zeichnung durch zwei Bevollmächtige lediglich eine Unterschrift unter dem Überweisungsbeleg befand. Dennoch hat der Mitarbeiter der Beklagten - womöglich infolge eines Missverständnisses und/oder weil er zu Unrecht von einer Alleinvollmacht des Geschäftsführers ausging - auf ausdrückliche Nachfrage falsch über die Existenz zweier Unterschriften auf dem Überweisungsträger informiert, so dass dessen Entscheidung, die Beklagte nicht zur Übersendung einer Kopie des Überweisungsträgers aufzufordern, auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage basierte.
Niedersächsisches Landesjustizportal
Der Kläger ist Kunde der beklagten Bank und unterhält bei ihr u.a. ein Girokonto, für das die "Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr" der Beklagten gelten. Zahlungen von diesem Konto mit einem vom Kläger in Papierform eingereichten Überweisungsträger sind üblich. Der Beklagten liegen entsprechende Unterschriftsproben mit einer Kontovollmacht als Unterschriftskarte vor. Dabei haben die Parteien bezüglich der Vollmachtsart vereinbart, dass nur jeweils ein Bevollmächtigter gemeinsam mit einem anderen Bevollmächtigten im Geschäftsverkehr mit der Bank den Kläger vertreten kann. Zeichnungsbefugt sind danach der Verbandsgeschäftsführer sowie zwei weitere Mitarbeiter des Klägers.
Bei einer Filiale der Beklagten war ein auf den 29.1.2019 datierter SEPA-Überweisungsbeleg eingegangen, der die Anweisung einer Überweisung von dem Konto des Klägers auf das Konto eines Herrn R. in Höhe von 19.831 € enthielt. Auf dem Überweisungsbeleg fanden sich rechts unten ein Name in Druckbuchstaben sowie links daneben eine Unterschrift, die bei näherem Hinsehen ebenfalls den Namen wiederspiegelte und die - jedenfalls grob - mit der tatsächlichen Unterschrift des Verbandsgeschäftsführers, wie sie sich aus der bei der Beklagten vorliegenden Unterschriftenkarte ergab, übereinstimmte. Tatsächlich war der Überweisungsbeleg jedoch gefälscht.
Noch vor Ausführung der Überweisung meldete sich wegen dieses Überweisungsträgers am 31.1.2019 ein Mitarbeiter der Beklagten aus der Geschäftsstelle telefonisch beim Kläger. Es kam zu einem Gespräch mit dem dort für solche Anfragen zuständigen Leiter der Verwaltung. In der Folge des Gesprächs wurde die Überweisung getätigt. Nachdem die Fälschung aufgefallen war, konnte die Buchung und Zahlung vom Konto des Klägers bei der Beklagten nicht mehr rückabgewickelt werden.
Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Zahlung von 19.831 €, hilfsweise die "Stornierung" der Buchung mit dem o.g. Betrag. Das LG hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 19.831 € aus § 675u Satz 2 BGB.
Zwar ist der Anspruch aus § 675u Satz 2 BGB bei der Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet. Der Zahler hat aber nicht nur dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist, sondern auch, wenn das Konto ohne die Rückbuchung einen Habensaldo aufweist bzw. eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da das Konto des Klägers im Haben geführt wurde und wird.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des ohne Autorisierung abgebuchten Betrages ist nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch bei nicht autorisierter Zahlung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet, so dass es auf eine Erkennbarkeit der Fälschung nicht ankommt. Es verbietet sich daher, über die Regelung des § 676c Nr. 1 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zu unterlaufen. Selbst wenn man annehmen wollte, dass es dem Zahlungsdienstleister im Einzelfall möglich ist, darzulegen und zu beweisen, dass es sich um ein außerhalb seines Einflussbereichs liegendes und auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbares Ereignis handelte, das zu der Durchführung der nicht autorisierten Überweisung führte, läge hier nach dem eigenen Vortrag der Beklagten in der Fälschung des Überweisungsauftrags kein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung des ohne Autorisierung abgebuchten Betrages ist auch nicht aufgrund eines eigenen (Mit-)Verschuldens ausgeschlossen. Ein dem Erstattungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB entgegenstehender Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB kommt bei anderen Zahlungsverfahren als der Nutzung eines Zahlungsinstrumentes zur Vermeidung von sonst auftretenden Wertungswidersprüchen allenfalls bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers in Betracht. Es ist hier bereits zweifelhaft, kann aber im Ergebnis offenbleiben, ob ein "Zahlungsinstrument" i.S. dieser Vorschrift vorliegt; jedenfalls fehlt es an der Haftungsvoraussetzung der (mindestens) groben Fahrlässigkeit.
Zwar könnte ein Verschulden des Klägers darin zu sehen sein, dass er sich den fraglichen Überweisungsträger nicht in Kopie hat zufaxen oder -mailen lassen, um die darauf befindliche(n) Unterschrifte(n) selbst zu überprüfen. Dieses Verschulden wäre auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden, weil bei einer Kontrolle unstreitig sofort aufgefallen wäre, dass sich anstatt der nach der Kontovollmacht notwendigen Zeichnung durch zwei Bevollmächtige lediglich eine Unterschrift unter dem Überweisungsbeleg befand. Dennoch hat der Mitarbeiter der Beklagten - womöglich infolge eines Missverständnisses und/oder weil er zu Unrecht von einer Alleinvollmacht des Geschäftsführers ausging - auf ausdrückliche Nachfrage falsch über die Existenz zweier Unterschriften auf dem Überweisungsträger informiert, so dass dessen Entscheidung, die Beklagte nicht zur Übersendung einer Kopie des Überweisungsträgers aufzufordern, auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage basierte.