Gekündigter Pauschalpreisvertrag am Bau: Sachprüfung des Gerichts wegen der Höhe der geltend gemachten Werklohnforderung
BGH 25.8.2016, VII ZR 193/13Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH (Schuldnerin). Er fordert vom Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns. Der Beklagte beauftragte die Schuldnerin im März 2006 per Generalunternehmervertrag unter Einbeziehung der VOB/B (2002) mit der Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern zu einem Nettopauschalpreis von rd. 2 Mio. €. Im Vertrag ist u.a. folgende Regelung enthalten: "Sofern sich während der Bauzeit die Höhe der gesetzlichen Mehrwertsteuer ändert, erstellt der AN für die bis zum Zeitpunkt der Mehrwertsteueränderung erbrachten und berechenbaren Teilleistungen eine Abrechnung entsprechend den steuerlichen Vorschriften. Für die nach diesem Zeitpunkt noch zu erbringenden Teilleistungen erfolgt die Berechnung der Mehrwertsteuer mit den dann geltenden Sätzen."
Im Zeitraum von Juni 2006 bis April 2007 erbrachte die Schuldnerin einen Großteil der vertraglichen Leistungen, bevor sie am 3.4.2007 einen Insolvenzantrag stellte. Der Beklagte kündigte daraufhin am 11.4.2007 den Vertrag mit sofortiger Wirkung. Am 1.6.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Parteien erstellten nach einer Begehung am 3.5.2007 eine als "Bautenstandbericht" überschriebene Liste, hinsichtlich derer streitig ist, ob diese lediglich den Bautenstand dokumentieren sollte oder eine Mängelliste darstellte. Der Kläger legte am 21.6.2007 eine Schlussrechnung und am 17.8.2010 eine korrigierte Schlussrechnung über die von der Schuldnerin erbrachten Leistungen vor, aus der er nach Abzügen für näher bezeichnete Mängel und der vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen noch einen Betrag i.H.v. rd. 210.000 € geltend macht.
LG und OLG gaben der Klage ganz überwiegend statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zuerkannt werden.
Rechtlich verfehlt ist insbesondere die Auffassung des OLG, der Beklagte habe die Richtigkeit der vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation nicht hinreichend bestritten. Laut BGH-Rechtsprechung muss das Gericht, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben. Entgegen der Auffassung des OLG ist für ein solches Bestreiten dagegen nicht zu verlangen, dass der Auftraggeber eine vollständige Gegenrechnung vornimmt.
Danach hat der Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger erstellten Schlussrechnung hinreichend bestritten. Er hat unter Vorlage verschiedener Angebote einzelner Handwerksunternehmer geltend gemacht, dass die für die erbrachten Leistungen angesetzten Einheitspreise überhöht seien. Hiermit hat der Beklagte den an ein substantiiertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen genügt. Das OLG war daher gehalten, über die vom Kläger geltend gemachte Forderung Beweis zu erheben. Das Berufungsurteil konnte danach nicht bestehen bleiben. Es war aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Die Begründung, mit der das OLG die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Kosten für die Restfertigstellung und für die Mängelbeseitigung zurückgewiesen hat, ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht tragfähig. Die vom OLG geforderte Darlegung des Umfangs der Mängelbeseitigungskosten einerseits und der Fertigstellungsmehrkosten andererseits ist nur geboten, wenn lediglich die Voraussetzungen für einen Anspruch des Beklagten auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 S. 2 VOB/B (2002), nicht jedoch für einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (2002) vorliegen. Dies hat das OLG bislang nicht festgestellt.
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