08.09.2011

Gen-Honig darf nicht ohne vorherige Zulassung in den Verkehr gebracht werden

Honig und Nahrungsergänzungsmittel, die den Pollen eines genetisch veränderten Organismus (GVO) enthalten, sind aus GVO hergestellte Lebensmittel, die nicht ohne vorherige Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Dieser Pollen stellt selbst keinen GVO mehr dar, wenn er seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat und in keiner Weise genetisches Material übertragen kann.

EuGH 6.9.2011, C-442/09 u.a.
Der Sachverhalt:
Das Unternehmen Monsanto hatte im Jahr 1998 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais des Typs MON 810 erhalten. Dieser beinhaltet ein Gen eines Bakteriums, das zur Bildung von Toxinen führt, durch die die Larven eines parasitären Schmetterlings, die bei einem Befall die Entwicklung der Pflanze gefährden, getötet werden.

Dem beklagten Freistaat Bayern gehören verschiedene Grundstücke, auf denen in den vergangenen Jahren zu Forschungszwecken MON 810-Mais angebaut wurde. Der Kläger ist Betreiber einer Liebhaberimkerei und produziert in der Nähe dieser Grundstücke Honig zum Verkauf und für den Eigenbedarf. Bis zum Jahr 2005 produzierte er auch Pollen zum Verkauf als Lebensmittel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Im Jahr 2005 wurden im Maispollen, der vom Kläger in den Bienenstöcken geerntet worden war, DNA von MON 810-Mais sowie genetisch veränderte Proteine festgestellt. Außerdem wurden vereinzelt im Honig sehr geringe Mengen der DNA nachgewiesen. Die Bienenstöcke befanden sich 500 m entfernt von den Grundstücken des Beklagten.

Der Kläger war der Ansicht, dass das Vorhandensein von Spuren des genetisch veränderten Maises dazu führe, dass seine Imkereiprodukte nicht mehr verkehrs- und gebrauchsfähig seien. Weitere Liebhaberimkereien schlossen sich ihm an. Der Bayerische VGH hat dargelegt, dass der streitige Pollen zu dem Zeitpunkt, zu dem er in den Honig oder in die Nahrungsergänzungsmittel auf der Grundlage von Pollen gelange, seine Fähigkeit zur Befruchtung verloren habe. Er wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob der bloße Umstand, dass in den fraglichen Imkereiprodukten genetisch veränderter Maispollen vorhanden ist, der seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat, zur Folge hat, dass das Inverkehrbringen dieser Produkte einer Zulassung bedarf.

Der EuGH stellte fest, dass die Zulassungspflicht unabhängig vom Anteil des genetisch veränderten Materials in dem fraglichen Erzeugnis besteht.

Die Gründe:
Der streitgegenständliche Pollen kann nur dann als genetisch veränderter Organismus (GVO) eingestuft werden, wenn er einen "Organismus" i.S.d. Richtlinie und der Verordnung Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel darstellt, d.h. eine "biologische Einheit, die fähig ist", "sich zu vermehren" oder "genetisches Material zu übertragen". Infolgedessen muss der Bayerische VGH, da feststeht, dass der in Rede stehende Pollen jede konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat, im weiteren Verfahren prüfen hat, ob er in anderer Weise fähig ist, "genetisches Material zu übertragen", wobei er die verfügbaren wissenschaftlichen Daten gebührend zu berücksichtigen und jede wissenschaftlich erwiesene Form der Übertragung von genetischem Material in Betracht zu ziehen hat.

Ein Stoff wie der Pollen einer genetisch veränderten Maissorte, der seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat und in keiner Weise fähig ist, in ihm enthaltenes genetisches Material zu übertragen, wird nicht mehr von diesem Begriff erfasst. Produkte wie Honig und Nahrungsergänzungsmittel, die solchen Pollen enthalten, stellen aber gleichwohl Lebensmittel i.S.d. Verordnung dar, die Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden. Infolgedessen war der Pollen im vorliegenden Fall als "hergestellt aus GVO" anzusehen.

Hinsichtlich des Honigs war der Pollen kein Fremdstoff und keine Verunreinigung, sondern ein normaler Bestandteil und deshalb als "Zutat" einzustufen. Demzufolge war er vom Geltungsbereich der Verordnung erfasst und musste vor seinem Inverkehrbringen der darin vorgesehenen Zulassungsregelung unterworfen werden. Für die Anwendung dieser Zulassungsregelung auf ein Lebensmittel, das aus GVO hergestellte Zutaten enthält, kommt es nicht darauf an, ob der Pollen dem Honig absichtlich hinzugefügt oder zufällig eingetragen wurde.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 79 v. 6.9.2011
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