30.03.2017

Gerichtsstand bei Versicherer mit Sitz im Ausland

Der Regelungsbereich der Übergangsvorschrift in Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG erfasst nicht die Gerichtsstandsregelung des § 215 VVG. Die Passage "aus dem Versicherungsvertrag" ist insofern weit auszulegen, als sie alle Ansprüche umfasst, bei denen das Bestehen, Nichtbestehen oder Nichtmehrbestehen eines Versicherungsverhältnisses auch nur die Rolle einer klagebegründenden Behauptung spielt.

BGH 8.3.2017, IV ZR 435/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte Anfang 2006 bei der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in Liechtenstein, der Tochterunternehmen eines österreichischen Versicherungskonzerns ist, eine "Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung" gegen Zahlung einer Einmalprämie von 20.000 € abgeschlossen. Dem Vertragsschluss ging eine Beratung des Klägers durch einen Untervermittler voraus, der dem Kläger unter Verwendung von zwei Broschüren das Versicherungsprodukt, das eine komplexe und risikobehaftete Anlagestrategie für das verwaltete Anlagevermögen vorsah, erläutert hatte.

Die Anlage entwickelte sich in der Folge jedoch nicht wie erhofft. Vielmehr war in der Zwischenzeit fast der vollständige Verlust des eingesetzten Kapitals eingetreten. Daraufhin machte der Kläger geltend, dass er durch den Untervermittler unzureichend über Kosten und Risiken sowie die Renditeaussichten der Kapitalanlage unterrichtet worden sei. Diese Pflichtverletzung müsse sich die Beklagte gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Zudem hafte die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung. Seine auf Prämienrückzahlung gerichtete Klage erhob der Kläger beim LG, in dessen Bezirk sich sein Wohnsitz befindet.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. erklären lassen und das geltend gemachte Rückforderungsbegehren auch hierauf gestützt. Das LG wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab. Das OLG hob das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Recht angenommen, dass die deutschen Gerichte gem. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig sind.

Die nationalen Zuständigkeitsvorschriften werden hier nicht durch die Regelungen der EuGVVO 2001 oder des LugÜ 2007 verdrängt, die jeweils nach Maßgabe ihres Art. 4 Abs. 1 nicht anwendbar sind. Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach mittelbar aus den nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, hier aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich der Kläger auf keine vertraglichen Rechte beruft. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG setzt zwar nach seinem Wortlaut eine Klage "aus dem Versicherungsvertrag" voraus.

Dieser Begriff ist aber, wenn es - wie hier - um einen Versicherungsvertrag geht, insofern weit auszulegen, als er alle Ansprüche umfasst, bei denen das Bestehen, Nichtbestehen oder Nichtmehrbestehen eines Versicherungsverhältnisses auch nur die Rolle einer klagebegründenden Behauptung spielt. Sie erstreckt sich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anbahnung, dem Abschluss, der Durchführung oder der Rückabwicklung eines Versicherungsvertrags. Dies betrifft auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, sofern diese im Zusammenhang mit einem Versicherungsvertrag stehen, wie etwa Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Widerspruch oder aus deliktischer Haftung.

Das Berufungsgericht hatte im Ergebnis richtig erkannt, dass § 215 Abs. 1 S. 1 VVG auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist, obgleich der Vertragsschluss noch vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts erfolgte. § 215 VVG wurde im Zuge dieser Reform zum 1.1.2008 als Nachfolgevorschrift zu § 48 VVG a.F. in das neue Versicherungsvertragsgesetz aufgenommen. Umstritten ist, ob und in welchem Umfang die Vorschrift von Art. 1 EGVVG erfasst wird. Der Senat teilt dabei die Ansicht, wonach § 215 VVG nicht dem Regelungsbereich von Art. 1 Abs. 1 u. 2 EGVVG unterfällt. Das ergibt allein die Auslegung der intertemporalen Kollisionsnorm. Art. 1 Abs. 1 EGVVG erfasst entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die zivilprozessualen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes. Greift Art. 1 Abs. 1 EGVVG nicht ein, ist auch für eine Anwendung von Art. 1 Abs. 2 EGVVG kein Raum. Schon sein Wortlaut zeigt, dass er auf den vorherigen Absatz aufbaut.

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