30.09.2024

Gesellschafter sowohl der Schuldnerin als auch der darlehensgewährenden Gesellschaft

Eine Rechtshandlung, mit der eine Schuldnerin für eine Forderung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung gewährt, ist nicht allein deswegen gegenüber dem Gesellschafter der Schuldnerin anfechtbar, weil dieser zugleich maßgeblich an der das Darlehen gewährenden Gesellschaft beteiligt ist und deswegen die Gewährung der Finanzierungshilfe veranlassen konnte.

BGH v. 19.9.2024 - IX ZR 173/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 10.3.2020 am 16.6.2020 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der w. GmbH (Schuldnerin). Seit dem 15.11.2018 war die A. B. GmbH mit einem Anteil von 50 % am Stammkapital der Schuldnerin beteiligt. An der A. B. GmbH waren am 4.9.2019 der Beklagte zu 1) mit 43 % und der Beklagte zu 2) mit 6 % beteiligt. Im Juni 2018 gewährte die C. AG der Schuldnerin einen Kreditrahmen über 300.000 €, den die Schuldnerin vollständig in Anspruch nahm. Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs trat die Schuldnerin im Wege der Globalzession sämtliche Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen Drittschuldner an die C. AG ab. Außerdem übernahm die A. A. GmbH im Wege des Schuldbeitritts am 27.6.2018 die Haftung für die Erfüllung der Verpflichtungen der Schuldnerin als Gesamtschuldner.

An der A. A. GmbH waren zum 4.9.2019 der Beklagte zu 1) mit 47,50 % (davon mit 10 % treuhänderisch für einen Dritten) und der Beklagte zu 2) mit 5 % beteiligt. Weiter beteiligt mit 5 % der Stimmanteile war die A. H. GmbH, an der wiederum die Beklagten zu 1) und zu 2) zu je 50 % und ab April 2020 der Beklagte zu 1) zu 51 % und der Beklagte zu 2) zu 49 % beteiligt waren. Der Beklagte zu 1) war zudem seit dem 7.10.2008, der Beklagte zu 2) seit dem 10.9.2019 im Handelsregister als Geschäftsführer der A. A. GmbH eingetragen. Über das Vermögen der A. A. GmbH wurde am 1.2.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach einer von ihm erstellten Zessionsabrechnung kehrte der Kläger im Juni 2021 Zahlungen von Kunden der Schuldnerin i.H.v. 53.059,71 € aufgrund der Globalzession an die C. AG aus. Weitere an die C. AG auszukehrende 3.961,54 € verrechnete der Kläger mit Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung gegen die C. AG. Den Gesamtbetrag von 57.021,15 € verlangt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner im Wege der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO erstattet. Er macht geltend, dass die auch an der sicherungsgebenden A. A. GmbH beteiligten Beklagten bei Zusammenrechnung ihrer Beteiligungen einen beherrschenden Einfluss auf diese ausgeübt hätten.

Das LG gab der Klage antragsgemäß statt; das OLG wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend die entsprechende Anwendbarkeit von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO auf Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Doppelsicherheiten und das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung bejaht.

Gem. § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der Gesellschafter hat dann nach § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Unmitelbar anwendbar sind § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO nur auf Rechtshandlungen der Schuldnerin, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen.

Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers - wie hier - erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist der Gesellschafter in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet.

In der Rechtsprechung des BGH ist weiter geklärt, dass die Befreiung des Gesellschafters von der übernommenen Sicherheit die Gesellschaftsgläubiger benachteiligt, wenn das durch den Gesellschafter besicherte Darlehen entgegen der Vorstellung des Gesetzes aus Mitteln der Gesellschaft getilgt wird. Tilgt eine Gesellschaft ein von ihr selbst und ihrem Gesellschafter besichertes Darlehen gegenüber dem Darlehensgeber, liegt die Gläubigerbenachteiligung bei der Anfechtung der Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung in dem Abfluss der Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen, weil der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet ist. Dies gilt gleichermaßen für einen Anfechtungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO.

Daraus folgt jedoch - wie das OLG zutreffend gesehen hat - im Streitfall kein Anfechtungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO gegenüber den Beklagten. Ein sowohl an der eine Finanzierungshilfe annehmenden Gesellschaft als auch an der hilfeleistenden GmbH maßgeblich beteiligter Gesellschafter ist nicht allein deswegen Gegner eines Insolvenzanfechtungsanspruchs aus § 135 Abs. 2 InsO, weil er an der hilfeleistenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist und deswegen die Gewährung der Finanzierungshilfe veranlassen konnte.

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Kleindiek in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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