28.11.2024

Gesellschafterdarlehensrecht trotz fehlender Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der darlehensnehmenden GmbH & Co. KG

Die fehlende Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der darlehensnehmenden GmbH & Co. KG steht einer Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf den Gesellschafter der Komplementär-GmbH nicht entgegen.

BGH v. 7.11.2024 - IX ZR 216/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 5.3.2018 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH. Der Beklagte ist Verwalter in dem am 10.11.2014 beantragten und am 20.2.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Beide Unternehmen gehörten zur sog. A. Gruppe. Alleingesellschafter der A. GmbH und zugleich bis 4.5.2016 deren Alleingeschäftsführer war H. A. . Komplementärin der Schuldnerin war die A. Beteiligungs GmbH (Komplementär-GmbH), an der H. A. zu 10 % und B. A. zu 90 % beteiligt waren. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH waren B. A. und bis zum 12.8.2014 auch H. A. . Die Komplementär-GmbH war am Kapital der Schuldnerin nicht beteiligt. Einziger Kommanditist der Schuldnerin war B. A. .

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 20.2.2015 meldete die A. GmbH bei dem Beklagten eine Forderung i.H.v. rd. 90.000 € mit der Bezeichnung "Darlehen" im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle an. Es wurde geltend gemacht, die angemeldete Forderung beruhe auf einem mit der Schuldnerin am 1.7.2010 geschlossenen Darlehensvertrag. Der Beklagte widersprach der Forderung (auch) im Hinblick auf den geltend gemachten Rang, weil sie gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig sei. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. GmbH erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Darlehensforderung im Rang des § 38 InsO.

LG und OLG wiesen die Feststellungsklage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die streitbefangene Forderung aus einer Rechtshandlung folgt, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO).

Es ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein Darlehen, welches der das Darlehen nehmenden GmbH & Co. KG von dem nur an der Komplementär-GmbH beteiligten Gesellschafter (selbst oder über eine dritte Gesellschaft, an der er maßgeblich beteiligt ist) gewährt wird, dem Gesellschafterdarlehensrecht unterfällt. Der BGH hat sich noch nicht abschließend geäußert. Für die Frage einer maßgeblichen Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft hat er allerdings die Stellung als (Allein-)Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der als GmbH & Co. KG verfassten Darlehensgeberin unabhängig von einer Kapitalbeteiligung der GmbH an der KG für ausreichend gehalten. Der Senat hat für diesen Fall angenommen, dass die Komplementär-GmbH und damit auch deren Alleingesellschafterin einen bestimmenden Einfluss auf die Handlungen der das Darlehen gebenden GmbH & Co. KG ausüben konnten.

Geht es wie hier um die mittelbare Beteiligung an der darlehensnehmenden Gesellschaft, entscheidet nicht der bestimmende Einfluss. Die mit Urteil vom 15.11.2018 (IX ZR 39/18, ZIP 2019, 182 Rn. 9) entwickelten Grundsätze können deshalb nicht ohne weiteres herangezogen werden. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass die Darlehensgewährung an eine GmbH & Co. KG vorbehaltlich abweichender Regelungen dem mittelbar über die Komplementär-GmbH Beteiligten nicht über ein (abgeleitetes) Gewinnbezugsrecht zugutekommt, wenn es an einer Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der KG fehlt. Gleichwohl ist die Annahme einer Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen entspricht (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO), auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen.

§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO erfasst Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Leitbild für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 2 InsO ist daher der Begriff des Gesellschafterdarlehens aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 1 InsO. Wer Gesellschafter i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 1 InsO ist, richtet sich in erster Linie nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben. Gesellschafter sind daher alle an der Schuldnerin unmittelbar beteiligten formalen Gesellschafter. Ein Kapitalanteil an der Gesellschaft ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorausgesetzt. Dieser Befund wird gestützt durch die Gesetzessystematik, insbesondere durch den Regelungszusammenhang mit § 39 Abs. 5 InsO. Nach dieser Vorschrift unterliegt ein geschäftsführender Gesellschafter auch bei gänzlich fehlender Beteiligung am Haftkapital dem Gesellschafterdarlehensrecht.

Sinn und Zweck des Gesellschafterdarlehensrechts erfordern keine einschränkende Auslegung des Wortlauts des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Variante 1 InsO. Zwar liegt der tragende Grund der Nachrangigkeit darin, dass der Gesellschafter eine Geschäftstätigkeit (fremd-)finanziert, die ihm mittelbar über seine Stellung als Gesellschafter zugutekommt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es zwingend eines Kapitalanteils bedarf. Das für die Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts erforderliche Eigeninteresse kann auch in einer Lenkung der Geschäftstätigkeit zum Ausdruck kommen. Für die hier zu beurteilende mittelbare Beteiligung über die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gilt nichts anderes. Da es für die unmittelbare Gesellschafterstellung keines Kapitalanteils bedarf, steht die fehlende Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der darlehensnehmenden GmbH & Co. KG einer Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf den Gesellschafter der Komplementär-GmbH nicht entgegen. Ist dieser zugleich in maßgeblicher Weise an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt, ist deren Darlehensrückzahlungsanspruch vorbehaltlich eines Eingreifens des Kleinbeteiligtenprivilegs nachrangig.

Vorliegend bestand danach eine hinreichende Verbindung zur darlehensnehmenden Schuldnerin. H. A. war als Gesellschafter der Komplementär-GmbH mittelbarer Gesellschafter der Schuldnerin. Das Kleinbeteiligtenprivileg greift zu seinen Gunsten nicht ein, weil er als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch die Geschäfte der Schuldnerin führte.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | InsO
§ 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger
Ries/Kleindiek in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Rechtsprechung (siehe Gründe)
Zur Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts bei einer lediglich tatsächlichen bestimmenden Einflussnahme durch ein Organ
BGH vom 15.11.2018 - IX ZR 39/18
ZIP 2019, 182

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