Gläubiger kann Beschluss über Beantragung der Aufhebung der Eigenverwaltung nicht nach § 78 Abs. 1 InsO anfechten
BGH 21.7.2011, IX ZB 64/10Über das Vermögen der F-GmbH wurde auf Eigenantrag das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit mit dem Ziel, die Gesellschaft in Eigenverwaltung mit Hilfe eines Insolvenzplans zu sanieren, eröffnet. In der ersten Gläubigerversammlung beschlossen 40 anwesende Gläubiger mit einem Forderungsbetrag von mehr als 72 Mio. € gegen 56 anwesende Gläubiger mit einem Forderungsbetrag von knapp 35 Mio. € die Aufhebung der Eigenverwaltung, wobei die Summenmehrheit von 67,51 % sich im Wesentlichen aus den Forderungen der Kreditinstitute zusammensetzte.
Ein leitender Angestellter der F-GmbH mit einer Forderung von 7.806 € hatte noch in der Gläubigerversammlung die Aufhebung dieses Beschlusses beantragt. Er war u.a. der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss der Gläubigerversammlung den gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger widerspreche, weil es nach Aufhebung der Eigenverwaltung zur Zerschlagung der Schuldnerin kommen würde.
AG und LG wiesen den Antrag als unbegründet ab. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde war nicht statthaft.
Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde setzt gem. § 7 InsO voraus, dass bereits das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war, was hier allerdings nicht der Fall war. Gegen den Beschluss der Gläubigerversammlung, nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen, stand dem überstimmten Gläubiger weder ein Rechtsmittel zu, noch konnte er die Aufhebung des Beschlusses gem. § 78 Abs. 1 InsO verlangen. Sein entsprechender Antrag war mithin unstatthaft, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den seinen Antrag als unbegründet zurückweisenden Beschluss des AG war deswegen unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde wurde auch nicht dadurch eröffnet, dass das Beschwerdegericht nach §§ 6, 78 Abs. 2 InsO ein Beschwerderecht angenommen hatte. Denn ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht eröffneter Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des Gerichts der ersten Beschwerde nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der Erstbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen.
Zwar ist in der Literatur streitig, ob die Entscheidung der Gläubigerversammlung, nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu beantragen, die vom Insolvenzgericht angeordnete Eigenverwaltung aufzuheben, gem. § 78 Abs. 1 InsO auf Antrag eines überstimmten Gläubigers darauf überprüft werden kann, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. Nach Ansicht des Senats steht dem steht dem einzelnen Gläubiger allerdings kein Widerspruchsrecht nach § 78 InsO zu.
Der Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf einen unabhängigen Insolvenzverwalter ist nach der Gesetzessystematik, aber auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Insolvenzverfahren der Regelfall. Ob die Verwaltung der Masse durch den Insolvenzverwalter oder den Schuldner in Eigenverwaltung erfolgt, ist allein vom Gläubigerwillen, nicht aber von dem angestrebten Verfahrensergebnis, von der beabsichtigten Form der Masseverwertung oder von der subjektiven Würdigkeit des Schuldners abhängig. Die Vorschriften über die Eigenverwaltung enthalten nämlich einen deutlichen Vorrang der Gläubigerautonomie vor den Einflussmöglichkeiten des Schuldners oder des Insolvenzgerichts.
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