Gläubigerbenachteiligung bei der Kündigung eines unverzinslichen Darlehens wegen Vermögensverfalls
BGH 12.1.2017, IX ZR 130/16Der Beklagte ist Verwalter in dem auf Antrag vom 25.6.2012 am 10.9.2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der U-KG (Schuldnerin). Die Klägerin gewährte der Schuldnerin im Jahr 1994 im Rahmen einer Wohnungsbauförderung ein Aufwendungsdarlehen über umgerechnet rd. 1 Mio. €. Das Darlehen war erst nach der Tilgung von Fremdmitteln, spätestens nach Ablauf von 30 Jahren seit Bezugsfertigkeit des von der Schuldnerin zu errichtenden Objekts zu tilgen und zu verzinsen.
Am 8.8.2012 kündigte die Klägerin das Darlehen zum 31.8.2012 aus wichtigem Grund. Zur Begründung führte sie aus, der Fördernehmer sei zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr in der Lage; eine positive Fortführungsprognose sei u.a. vor dem Hintergrund des laufenden Insolvenzantragsverfahrens nicht mehr erkennbar.
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Klägerin die mit rd. 1 Mio. € bezifferte Darlehensrestschuld zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte focht die Kündigung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO an, zinste die geltend gemachte Forderung nach § 41 Abs. 2 InsO ab und stellte nur einen Teilbetrag von rd. 640.000 € zur Tabelle fest. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Darlehensforderung in voller Höhe zur Insolvenztabelle.
LG und KG gaben der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens mit Recht nur in Höhe des nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinsten Betrags zur Insolvenztabelle festgestellt.
Die Klägerin hat ihre Forderung auf Rückzahlung des gewährten Aufwendungsdarlehens durch die mit Wirkung zum 31.8.2012 ausgesprochene Kündigung noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin fällig gestellt. Gleichwohl kann sich die Klägerin nicht auf die Fälligstellung vor Verfahrenseröffnung berufen, weil der Beklagte die Kündigung des Darlehens wirksam angefochten hat. Die Kündigung des Darlehens war eine Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts. Sie benachteiligte, wie von § 129 Abs. 1 InsO vorausgesetzt, die Insolvenzgläubiger. Die insoweit genügende mittelbare, durch später hinzutretende Umstände mitverursachte Benachteiligung der Insolvenzgläubiger trat hier ein, weil infolge der Kündigung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nicht nur die nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinste, sondern die volle Darlehensforderung der Klägerin zu berücksichtigen war und die dadurch erhöhte Schuldenmasse zu einer geringeren Befriedigungsquote der übrigen Insolvenzgläubiger führte.
Die Kündigung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Dieser Antrag war der Klägerin, wie sich aus der Begründung der Kündigung ergibt, bekannt. Entgegen der Ansicht des KG hat die Darlehenskündigung der Klägerin eine Befriedigung ermöglicht. Die Tatbestandsalternative des Ermöglichens einer Befriedigung in den §§ 130, 131 InsO setzt nicht voraus, dass der Anfechtungsgegner eine Befriedigung nachfolgend tatsächlich erlangt hat. Eine tatbestandliche Voraussetzung des Ermöglichens ist die nachfolgende Deckung nicht. Es genügt vielmehr, dass die angefochtene Rechtshandlung die Möglichkeit einer Deckung geschaffen hat.
Die danach genügende Möglichkeit einer Deckung hat die Klägerin durch die Kündigung des Darlehens erlangt. Die Kündigung führte zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs. Dadurch wurde die Klägerin in die Lage versetzt, diesen Anspruch ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung einzufordern und von der Schuldnerin Zahlung zu verlangen, mithin eine Deckung zu erlangen, die sie nach den vertraglichen Vereinbarungen ohne die Kündigung erst viele Jahre später hätte beanspruchen können.
Angefochten und nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig gemacht wird nicht die Rechtshandlung selbst, sondern ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung. Die Anfechtbarkeit der Darlehenskündigung hat deshalb zur Folge, dass die durch die Kündigung herbeigeführte Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs außer Betracht zu bleiben hat. Insoweit gilt nichts anderes als im Falle der anfechtbaren Begründung einer Schuld. Der Insolvenzverwalter kann dem Begehren der Klägerin, ihre Forderung in vollem Umfang zur Insolvenztabelle festzustellen, die Anfechtbarkeit der Kündigung entgegenhalten. Die Forderung gilt wie andere nicht fällige Forderungen erst aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 41 Abs. 1 InsO als fällig.
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