Gläubigerbenachteiligung wird durch Barrückzahlung eines zuvor vom Schuldner überwiesenen Betrags nicht wieder rückgängig gemacht
BGH 10.9.2015, IX ZR 215/13Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 13.11.2009 am 29.3.2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des M (Schuldner). Der Schuldner war Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die gegenüber der Bank erhebliche Kreditverbindlichkeiten begründet hatte. Diese Verbindlichkeiten stellte die Bank nach einem negativ verlaufenen Kreditgespräch mit dem Schuldner am 2.10.2006 zum 31.10.2006 fällig. Für diese Verbindlichkeiten hatte sich der Schuldner selbstschuldnerisch verbürgt. Am 4.10.2006 überwies der Schuldner einen Betrag von 5.000 € von seinem bei der S geführten privaten Girokonto auf ein gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau geführtes Direktkonto bei der I. Von diesem Konto wurde der Betrag durch die Beklagte oder vom Schuldner selbst auf ihr privates Konto bei der S weitergeleitet.
Am 20.10.2006 kündigte der Schuldner seine Lebensversicherung zum 1.11.2006 und wies den Versicherer an, den Rückkaufswert von rd. 23.600 € auf das Girokonto der Beklagten zu zahlen. Der Betrag ging dort am 3.11.2006 ein. Die Beklagte hob - ihren Angaben zufolge - hiervon 25.000 € ab und händigte den Betrag dem Schuldner in bar aus. In gleicher Weise will sie schon zuvor mit den 5.000 € verfahren sein, die ursprünglich von dem Girokonto des Schuldners herrührten. Der Kläger hält beide Leistungen an die Beklagte für anfechtbar, §§ 133, 134 InsO.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Mit der gegebenen Begründung können die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gem. § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO nicht verneint werden.
Die auf Anweisung des Schuldners erfolgten Überweisungen auf das Konto der Beklagten i.H.v. insgesamt rd. 28.600 € haben infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO bewirkt. Durch die Überweisungen an die Beklagte hat sich der Schuldner zum Nachteil seiner Gläubiger finanzieller Mittel i.H.v. 28.600 € entäußert, ohne dafür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Insbesondere ist die Gläubigerbenachteiligung nicht durch die erfolgte Rückgabe der Überweisungsbeträge in bar an den Schuldner nachträglich beseitigt worden. Eine zunächst eingetretene Benachteiligung kann zwar nachträglich dadurch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. Von der Zweckbestimmung her muss es sich jedoch um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln.
Vorliegend ist die Gläubigerbenachteiligung durch den verschleierten "Umtausch" eines pfändbaren Auszahlungsanspruchs gegen das Kreditinstitut in einen für die Gläubiger nur schwer ausfindig zu machenden Bargeldbetrag nicht rückgängig gemacht, sondern gerade vertieft worden. Zweck der Überweisung der dem Schuldner zustehenden Beträge auf das Girokonto der Beklagten war es, den Zugriff der Gläubiger auf die Mittel des Schuldners zu erschweren und die drohende Pfändung von Konten des Schuldners leerlaufen zu lassen. Demzufolge handelt es sich nicht um eine Rückgewähr der weggeschafften Mittel zur vorweggenommenen Befriedigung eines individuellen Rückgewähranspruchs aus § 143 InsO. Mit der Rückgabe ist entsprechend dem vorgefassten Plan des Schuldners und der Beklagten die mit der Umleitung der Beträge auf ein Konto der Beklagten bezweckte Gläubigerbenachteiligung erst vollendet worden.
Im zweiten Rechtsgang wird das OLG insbesondere die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO zu prüfen haben. Sollten diese vorliegen, ist die Beklagte nach § 143 Abs. 1 InsO zur Zahlung von 28.600 € an den Kläger verpflichtet. Dass die Beklagte die ihr überlassenen Geldmittel an den Schuldner weitergeleitet hat, entlastet sie nicht. Ist der Anfechtungsgegner nicht in der Lage, der ihn nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO treffenden Verpflichtung nachzukommen, hat er nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB Wertersatz zu leisten. Nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO gilt der Mangel des rechtlichen Grundes als von Anfang an bekannt, so dass die Beklagte als Anfechtungsgegnerin wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterliegt und so zu behandeln ist, als wäre der Rückgewähranspruch gegen ihn im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Handlung (§ 140 InsO) rechtshängig geworden.
Die Beklagte beruft sich erfolglos darauf, aus der Entgegennahme der Gelder des Schuldners und der Weiterleitung als uneigennützige Treuhänderin keinen eigenen Vorteil gezogen zu haben. Versagte der Wertersatzanspruch gegen einen uneigennützigen Treuhänder, könnte der Schuldner durch Einsatz einer solchen Person, sein Vermögen verheimlichen und Beiseite schaffen, indem er es zunächst auf einen Treuhänder überträgt und sich sodann unter möglichst undurchsichtigen und unkontrollierbaren Umständen wieder zurückgewähren lässt. So ließe sich die der Gläubigergleichbehandlung verpflichtete Insolvenzanfechtung auf einfachstem Wege unterlaufen. Es wäre ein widersinniges Ergebnis, wenn eine als Treuhänder eingesetzte Person ihm vor Verfahrenseröffnung von dem Schuldner zwecks Vereitelung eines Zugriffs vorübergehend übertragene Vermögenswerte vor oder nach Verfahrenseröffnung ohne Anfechtungsrisiko heimlich zurückgewähren könnte. Damit würden sogar Fälle eines kollusiven Zusammenwirkens von Schuldner und Treuhänder allgemein der Anfechtung entzogen.
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