Grundsätze der Streitwertfestsetzung in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs
OLG Frankfurt a.M. v. 21.7.2021 - 6 W 53/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger - ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs - machte gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PAngV geltend.
Das LG setzte den Streitwert auf 1.000 € fest. Zur Begründung hat es ausgeführt, in den letzten Jahren habe sich immer mehr bemerkbar gemacht, dass Wettbewerbsvereine Abmahnungen nicht im Interesse eines wettbewerbsrechtlich ausgeglichenen Marktes, sondern ausschließlich im eigenen betrieblichen Interesse verfolgt haben bzw. verfolgten. Hierfür würden oftmals utopisch hohe Streitwertangaben vorgegeben, die durch die obergerichtliche Rechtsprechung häufig bestätigt würden, was zu einer erheblichen Belastung des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs geführt habe. Im vorliegenden Fall könne von einer geringen Bedeutung gemäß § 51 Abs. 3 GKG ausgegangen werden, da es sich bei den von der Beklagten angebotenen Produkten um solche handele, die einen Wert von teilweise deutlich unter 50 € besäßen.
Die gegen die Streitwertfestsetzung gerichtete Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese die Festsetzung auf 3.000 € begehrten, hatte vor dem OLG Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Die Streitwertfestsetzung des LG auf einen Wert von 1.000 € ist mit § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG nicht vereinbar.
Die Festsetzung des Streitwertes in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs folgt der Systematik des § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG. Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist ("soweit nichts anderes bestimmt ist") gem. § 51 Abs. 2 GKG die Bedeutung der Sache für den Kläger, wie sie sich aus seinem Antrag ergibt. Wie stets ist damit grundsätzlich das sog. "Angreiferinteresse" maßgeblich. "Bedeutung der Sache" ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist.
Diesen Anforderungen ist die Streitwertfestsetzung des LG auf 1.000 € nicht gerecht geworden. Das LG hat - trotz einer Fülle von Angaben in der Antragsschrift - das Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG nicht bestimmt, sondern hat bei der Streitwertfestsetzung nur § 51 Abs. 3 GKG berücksichtigt.
Der Kläger hat - um bei einer zu hohen Angabe dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG zu entgehen - keine konkrete Streitwertangabe gemacht. Er hat indes auf zahlreiche Entscheidungen und Literatur zur Höhe des Streitwertes verwiesen und zum Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG ausgeführt, dass Gegenstand der Klage das Vorenthalten für den Verbraucher aufgrund europarechtlicher Vorgaben wesentlicher Informationen ist. Der Verbreitungsgrad im Internet sei groß. Die fehlende Grundpreisangabe habe erheblicher Auswirkungen für den Verbraucher, da er ohne Angabe des Grundpreises nicht vergleichen könne und damit nicht ermitteln könne, ob die angebotenen Produkte nicht ggf. in anderer Verpackungsgröße bei einem Mitwerber günstiger zu erwerben sei. Im Übrigen gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises kein geringfügiger Verstoß sei, indem er diesen Wettbewerbsverstoß gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 PAngV sogar ausnahmsweise als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet habe.
Diese Angaben, die offensichtlich rechtlich und tatsächlich zutreffend sind, rechtfertigen ohne Weiteres die vom Kläger mit der Beschwerde begehrte Festsetzung auf 3.000 €. Das LG übersieht, dass das Unterlassungsbegehren ein bereits fälliger, wenn auch in die Zukunft gerichteter Anspruch ist. Es sollen weitere drohende Verletzungen oder die Aufnahme von Verhaltensweisen verhindert werden. Bei der Wertermittlung ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt bei Einreichung der Klage abzustellen (§ 40 GKG; § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO). Daraus folgt aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf Seiten des Klägers und der Beklagten unter Berücksichtigung einer bereits begangenen Verletzungshandlung abgestellt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben können.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch umfasst daher eine mutmaßliche Vielzahl des Verkaufs von Getränken in der Zukunft, nicht nur den konkreten Verkauf. Dem wird eine Festsetzung eines Unterlassungsstreitwerts i.H.v. 1.000 € ersichtlich nicht gerecht. Auch der Wert der angebotenen Gegenstände, die angegriffen werden, kann kein Anknüpfpunkt für eine derartige niedrige Festsetzung sein, da der Unterlassungsanspruch mit dem beantragten Antrag sich nicht auf den Wert der konkreten Produkte beschränkt, sondern auch andere, teurere Spirituosen betreffen könnte. Zwar beschränkt sich der Antrag auf die konkrete Verletzungsform. Vom Kernbereich der Unterlassungsverpflichtungen wären indes auch höherpreisige Spirituosen umfasst. Im Übrigen übersieht das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht, indem es auf den Wert von "teilweise deutlich unter 50 €" abstellt, dass nach dem zugrunde zu legenden Klägervortrag die Beklagte bei Amazon, einer Internetplattform mit Millionen-Reichweite, zum Verletzungszeitpunkt 820 unterschiedliche Produkte anbot. Weiterhin verfügt sie über einen eigenen Internetshop mit bundesweitem Versand. Entgegen dem durch das LG erweckten Eindruck handelt es sich daher nicht um einen Kleinhändler, der zufällig in die Fänge eines Wettbewerbsverbandes geraten ist, sondern um einen normalen Marktteilnehmer.
Justiz Hessen online
Der Kläger - ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs - machte gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PAngV geltend.
Das LG setzte den Streitwert auf 1.000 € fest. Zur Begründung hat es ausgeführt, in den letzten Jahren habe sich immer mehr bemerkbar gemacht, dass Wettbewerbsvereine Abmahnungen nicht im Interesse eines wettbewerbsrechtlich ausgeglichenen Marktes, sondern ausschließlich im eigenen betrieblichen Interesse verfolgt haben bzw. verfolgten. Hierfür würden oftmals utopisch hohe Streitwertangaben vorgegeben, die durch die obergerichtliche Rechtsprechung häufig bestätigt würden, was zu einer erheblichen Belastung des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs geführt habe. Im vorliegenden Fall könne von einer geringen Bedeutung gemäß § 51 Abs. 3 GKG ausgegangen werden, da es sich bei den von der Beklagten angebotenen Produkten um solche handele, die einen Wert von teilweise deutlich unter 50 € besäßen.
Die gegen die Streitwertfestsetzung gerichtete Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese die Festsetzung auf 3.000 € begehrten, hatte vor dem OLG Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Die Streitwertfestsetzung des LG auf einen Wert von 1.000 € ist mit § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG nicht vereinbar.
Die Festsetzung des Streitwertes in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs folgt der Systematik des § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG. Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist ("soweit nichts anderes bestimmt ist") gem. § 51 Abs. 2 GKG die Bedeutung der Sache für den Kläger, wie sie sich aus seinem Antrag ergibt. Wie stets ist damit grundsätzlich das sog. "Angreiferinteresse" maßgeblich. "Bedeutung der Sache" ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist.
Diesen Anforderungen ist die Streitwertfestsetzung des LG auf 1.000 € nicht gerecht geworden. Das LG hat - trotz einer Fülle von Angaben in der Antragsschrift - das Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG nicht bestimmt, sondern hat bei der Streitwertfestsetzung nur § 51 Abs. 3 GKG berücksichtigt.
Der Kläger hat - um bei einer zu hohen Angabe dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG zu entgehen - keine konkrete Streitwertangabe gemacht. Er hat indes auf zahlreiche Entscheidungen und Literatur zur Höhe des Streitwertes verwiesen und zum Interesse des Klägers nach § 51 Abs. 2 GKG ausgeführt, dass Gegenstand der Klage das Vorenthalten für den Verbraucher aufgrund europarechtlicher Vorgaben wesentlicher Informationen ist. Der Verbreitungsgrad im Internet sei groß. Die fehlende Grundpreisangabe habe erheblicher Auswirkungen für den Verbraucher, da er ohne Angabe des Grundpreises nicht vergleichen könne und damit nicht ermitteln könne, ob die angebotenen Produkte nicht ggf. in anderer Verpackungsgröße bei einem Mitwerber günstiger zu erwerben sei. Im Übrigen gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises kein geringfügiger Verstoß sei, indem er diesen Wettbewerbsverstoß gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 PAngV sogar ausnahmsweise als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet habe.
Diese Angaben, die offensichtlich rechtlich und tatsächlich zutreffend sind, rechtfertigen ohne Weiteres die vom Kläger mit der Beschwerde begehrte Festsetzung auf 3.000 €. Das LG übersieht, dass das Unterlassungsbegehren ein bereits fälliger, wenn auch in die Zukunft gerichteter Anspruch ist. Es sollen weitere drohende Verletzungen oder die Aufnahme von Verhaltensweisen verhindert werden. Bei der Wertermittlung ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt bei Einreichung der Klage abzustellen (§ 40 GKG; § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO). Daraus folgt aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf Seiten des Klägers und der Beklagten unter Berücksichtigung einer bereits begangenen Verletzungshandlung abgestellt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben können.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch umfasst daher eine mutmaßliche Vielzahl des Verkaufs von Getränken in der Zukunft, nicht nur den konkreten Verkauf. Dem wird eine Festsetzung eines Unterlassungsstreitwerts i.H.v. 1.000 € ersichtlich nicht gerecht. Auch der Wert der angebotenen Gegenstände, die angegriffen werden, kann kein Anknüpfpunkt für eine derartige niedrige Festsetzung sein, da der Unterlassungsanspruch mit dem beantragten Antrag sich nicht auf den Wert der konkreten Produkte beschränkt, sondern auch andere, teurere Spirituosen betreffen könnte. Zwar beschränkt sich der Antrag auf die konkrete Verletzungsform. Vom Kernbereich der Unterlassungsverpflichtungen wären indes auch höherpreisige Spirituosen umfasst. Im Übrigen übersieht das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht, indem es auf den Wert von "teilweise deutlich unter 50 €" abstellt, dass nach dem zugrunde zu legenden Klägervortrag die Beklagte bei Amazon, einer Internetplattform mit Millionen-Reichweite, zum Verletzungszeitpunkt 820 unterschiedliche Produkte anbot. Weiterhin verfügt sie über einen eigenen Internetshop mit bundesweitem Versand. Entgegen dem durch das LG erweckten Eindruck handelt es sich daher nicht um einen Kleinhändler, der zufällig in die Fänge eines Wettbewerbsverbandes geraten ist, sondern um einen normalen Marktteilnehmer.