16.02.2021

Grundsätze zum Bereicherungsausgleich bei Anweisungsfällen

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Bereicherungsausgleich bei Anweisungsfällen gelangen nur dann zur Anwendung, wenn zwei Leistungsbeziehungen - ein Deckungsverhältnis und ein Valutaverhältnis - vorliegen, innerhalb derer jeweils eine Leistung geschuldet ist, und die beiden geschuldeten Leistungen aufgrund einer Anweisung an den Angewiesenen durch eine einzige Zuwendung an den Zuwendungsempfänger erfüllt werden sollen. Ein Anweisungsfall in diesem Sinne liegt dagegen nicht vor, wenn der Gläubiger seinen Schuldner anweist, zur Erfüllung einer einzigen Leistungsverpflichtung eine Zahlung auf das Konto eines Dritten vorzunehmen.

BGH v. 5.11.2020 - I ZR 193/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im April 2013 einen als Kooperationsvertrag bezeichneten Vertrag abgeschlossen, der J. H. , den Ehemann der Beklagten, als ihren Vertrags-partner bezeichnete. Danach sollte J. H. für die Klägerin, ein Versicherungsmaklerunternehmen, als selbständiger Versicherungsmakler tätig werden und von ihr Provisionen für die Vermittlung von Versicherungsverträgen erhalten. Der Klägerin wurde später eine "Zusatzerklärung zum Kooperationsvertrag" zugeleitet. Diese hat folgenden Wortlaut:

"J. H. stimmt ausdrücklich zu, dass (die Klägerin) die Courtage ... zu 100% schuldbefreiend direkt an das hinterlegte Konto (es folgen der Name und die Daten zu einem Konto der Beklagten) ausbezahlen darf.

Die Haftung für die vermittelten Verträge, insbesondere die Stornohaftung trägt neben allen anderen Rechten und Pflichten des Kooperationsvertrags dennoch weiterhin allein J. H. ."


Darunter befinden sich zwei Unterschriften, die ausweislich der in Druckschrift darunter angebrachten Namen von J. H. und der Beklagten stammen. Die Klägerin zahlte auf das Konto der Beklagten vorschüssige Provisionen in von ihr näher dargelegter Höhe aus.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe mit J. H. den Kooperationsvertrag und die Zusatzvereinbarung abgeschlossen. Infolge von Stornierungen seien Abschluss- und Bestandscourtagen i.H.v. 27.759 € rechtsgrundlos auf das Konto der Beklagten geflossen. Die Beklagte hafte ihr als Inhaberin des Kontos auf Rückzahlung der Courtagen, soweit diese infolge von Stornierungen entfallen seien. Die Beklagte hat behauptet, sie habe ihrem Schwiegersohn B. He. für ihr Konto Kontovollmacht erteilt und ihm die Kontounterlagen ausgehändigt. Er habe unter dem Namen ihres Ehemannes bei der Klägerin von ihm akquirierte Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen eingereicht.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung der 27.759 € in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das OLG die Klägerin zunächst darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, ihre Berufung zurückzuweisen. Nachdem sich die Klägerin das Vorbringen der Beklagten hilfsweise zu eigen gemacht hatte, hat das OLG die Beklagte zur Zahlung von 27.759 € verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Urteil des OLG insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:
Die Klägerin kann die Rückzahlung der hier in Rede stehenden Beträge nicht unter dem Gesichtspunkt der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) unmittelbar von der Beklagten verlangen. Das OLG hatte angenommen, die Klägerin könne einen Anspruch direkt gegen die Beklagte geltend machen, weil auf die Nichtleistungskondiktion zurückgegriffen werden könne. Ein solcher Anspruch der Klägerin werde nicht durch einen Anspruch aus einer Leistungskondiktion gesperrt. Die Klägerin habe weder aus eigener Sicht noch aus der Sicht der Beklagten mit den Überweisungen Leistungen an die Beklagte oder anderen Schwiegersohn erbringen wollen, sondern ausschließlich an ihren vermeintlichen Vertragspartner J. H. , der jedoch nichts erlangt habe, weil er nicht Mitinhaber des Kontos gewesen sei.

In Fällen einer Leistung kraft Anweisung, wie sie hier jedenfalls bei äußerlicher Betrachtung vorliege, vollziehe sich der Bereicherungsausgleich zwar grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses. Ausnahmsweise könne der Leistende aber direkt gegen den Empfänger vorgehen, wenn es an einer wirksamen Anweisung fehle und diese aus der Sicht des Leistenden dem Anweisenden auch nicht zuzurechnen sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Die Weisung, Zahlungen auf das Konto der Beklagten vorzunehmen, sei der Klägerin unter dem Namen des Ehemanns der Beklagten, tatsächlich aber von dem Schwiegersohn der Beklagten erteilt worden, der mit der Klägerin nicht in einem Vertragsverhältnis gestanden habe. Der Ehemann der Beklagten habe diese Täuschung über die Identität des Partners des Kooperationsvertrags und des Autors der Anweisung nicht veranlasst.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung allerdings nicht stand. Das Berufungsgericht hat es für die Heranziehung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Bereicherungsausgleich bei Anweisungsfällen rechtsfehlerhaft genügen lassen, dass eine - möglicherweise unwirksame - Anweisung des Gläubigers zur Zahlung auf das Konto eines Dritten vorliegt und damit lediglich eine einzige Leistungsverpflichtung erfüllt werden soll. Die Grundsätze zum Bereicherungsausgleich bei Anweisungsfällen gelangen nämlich nur dann zur Anwendung, wenn zwei Leistungsbeziehungen - ein Deckungsverhältnis und ein Valutaverhältnis - vorliegen, innerhalb derer jeweils eine Leistung geschuldet ist, und die beiden geschuldeten Leistungen aufgrund einer Anweisung an den Angewiesenen durch eine einzige Zuwendung an den Zuwendungsempfänger erfüllt werden sollen. Ein Anweisungsfall in diesem Sinne liegt dagegen nicht vor, wenn der Gläubiger seinen Schuldner anweist, zur Erfüllung einer einzigen Leistungsverpflichtung eine Zahlung auf das Konto eines Dritten vorzunehmen.
BGH online
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