Haftung bei Schäden durch fehlerhafte Lieferung von Heizöl
BGH 8.12.2015, VI ZR 139/15Ein Nachbar der Kläger hatte für diese und weiter Anwohner bei der Beklagten zu 1) Heizöl bestellt. Diese ließ im August 2006 mit ihrem bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeug- und betriebshaftpflichtversicherten Tanklastwagen das bestellte Öl anliefern. Das Fahrzeug wurde dabei von einem bei dem Beklagten zu 1) angestellten Fahrer gefahren. Dieser stellte den Tanklastwagen vor dem Haus der Kläger auf einer öffentlichen Straße ab und verband den Öltank des Fahrzeugs mit Hilfe eines Schlauchs mit dem Öleinfüllstutzen am Haus der Kläger. Daraufhin ging er mit dem Kläger zu 2) in den Keller, um die Befüllung der Öltanks zu überwachen.
Wegen vermeintlicher Störungen gingen beide nach oben, öffneten die Haustür und sahen, dass aus einem Verbindungsschlauch an einer Stelle zwischen Messeinheit und Schlauchtrommel des Tanklastwagens in einer Art Fontäne Öl herausspritzte. Der Fahrer stellte die Betankungsanlage ab, das Öl war jedoch bereits auf die Hausfassade des Anwesens der Kläger gespritzt und in das Erdreich vor dem Haus eingedrungen. Infolge des Öffnens der Tür war Öl in den Hausflur gelangt, durch ein geöffnetes gekipptes Küchenfenster auch in die Küche. Auch die Straße vor dem Haus der Kläger war mit Öl verschmutzt.
Die Kläger hatten den ihnen entstandenen Schaden unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 StVG sowie von § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG geltend gemacht. Sie waren der Ansicht, für jede Anspruchsgrundlage bestehe ein Direktanspruch, denn die Betätigung der Be- und Entladevorrichtung eines Sonderfahrzeugs gehöre zum Gebrauch des Fahrzeugs i.S.v. § 10 AKB. LG und OLG gaben der Klage auf Zahlung von Schadensersatz teilweise - i.H.v. 72.251 € - statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG.
Zwar könnten die BGH-Entscheidungen zu Schäden beim Füllen von Heizungstanks (vgl. Urt. v. 23.5.1978, Az.: VI ZR 150/76, 6.6.1978, Az.: VI ZR 156/76, 13.12.1994, Az.: VI ZR 283/93, 14.6.1993, Az.: III ZR 135/92), in denen die Zuordnung der Schadensentstehung zum Betrieb eines Kfz verneint wurde, so verstanden werden, dass das maßgebliche Kriterium der Differenzierung das Stehen oder Fahren des Kfz während der Arbeitsfunktion darstellt. Dies ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Erforderlich ist nämlich stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde.
Gemessen daran ist eine Verbindung mit dem "Betrieb" des Kfz i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG beim stehenden Fahrzeug auch dann gegeben, während das Kfz in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel entladen wird, und zwar auch dann, wenn das Entladen mit Hilfe einer speziellen Entladevorrichtung des Kfz erfolgt. Daher haftet der Halter auch in diesen Fällen für die Gefahr, die das Kfz beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierhin fällt nicht nur die Gefahr durch das entladende Kfz als solches, sondern auch diejenige, die von den Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgeht. So hat etwa der Halter eines Tanklastzuges für Unfälle einzustehen, die sich bei der Anlieferung von Öl dadurch ergeben, dass Öl auf die Straße läuft, weil der Schlauch undicht ist, oder jemand über den Auslassschlauch stolpert.
Nach diesen Grundsätzen war bei gebotener Einzelfallbetrachtung der Schaden der Kläger auf den Betrieb des Tankwagens des Beklagten zu 1) zurückzuführen. Dafür genügte es allerdings nicht, dass der Motor des Kfz für den Betrieb der Ölpumpe eingesetzt worden war. Es war vielmehr maßgeblich, dass der Tankwagen im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Haus der Kläger abgestellt war und eine undichte Stelle in einem Schlauchstück vor der Schlauchtrommel beim Entladen eine Ölfontäne verursacht hatte, die sowohl zu einer Ölverschmutzung der öffentlichen Straße als auch zur Beschädigung des Hausgrundstücks der Kläger führte.
Die Kläger haben gegen die Beklagte zu 2), die Kfz-Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1), auch einen Direktanspruch auf der Grundlage von § 3 Nr. 1 PflVG a.F. i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG. Da sich der Schadensfall im August 2006 ereignet hatte, war für den Direktanspruch nicht § 115 VVG, sondern noch § 3 Nr. 1 PflVG a.F. anwendbar. Maßgeblich war hierbei, dass das Entladen von Öl aus einem Tanklastwagen mittels einer auf ihm befindlichen Entladevorrichtung zum "Gebrauch" des Kfz gehört und diese Auslegung mit der 1. und 5. KH-Richtlinie in Einklang steht.
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