30.03.2015

Haftung des Rechtsanwalts: Kapitalanlage in unzulässigem Einlagengeschäft als Treuhänder aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages

Die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses unerlässlicher Funktion ist sittenwidrig, wenn der Funktionsträger sich für dieses System hat einspannen lassen und es zugleich zumindest leichtfertig unterlassen hat, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern. Eine herausgehobene und für das Vertriebssystem unerlässliche Funktion liegt etwa vor, wenn eine Person als Zeichnungsvertrauen schaffender anwaltlicher Treuhänder auftritt.

BGH 10.2.2015, VI ZR 569/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin schloss mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, im Oktober 2009 einen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Kündigung eines Rentenversicherungsvertrags und die Verwendung des hieraus resultierenden Abrechnungsbetrags in Höhe von 6.977,73 €. Dieser Betrag wurde von dem Beklagten treuhänderisch vereinnahmt und (nach Abzug der Treuhandkosten) an die Klägerin ausgezahlt. Das restliche Kapital leitete der Beklagte vereinbarungsgemäß an die F-GmbH) weiter. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte der doppelte Betrag an die Klägerin ausgezahlt werden.

Die F-GmbH verfügte nicht über eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Am 26.1.2010 wurde ihr von der BaFin das Betreiben eines Einlagengeschäfts gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG untersagt. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz i.H.v. rd. 3.500 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Das AG wies die Klage ab. Das LG verurteilte den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung der Klageforderung Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die F-GmbH titulierten Forderung. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die vom LG getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme sittenwidrigen Handelns des Beklagten.

Laut BGH-Rechtsprechung ist die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses unerlässlicher Funktion sittenwidrig, wenn der Funktionsträger sich für dieses System hat einspannen lassen und es zugleich zumindest leichtfertig unterlassen hat, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern. Eine herausgehobene und für das Vertriebssystem unerlässliche Funktion liegt etwa vor, wenn eine Person als Zeichnungsvertrauen schaffender anwaltlicher Treuhänder auftritt. Nach den Feststellungen des LG war dies vorliegend der Fall. Das LG hat allerdings bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Beklagte von Seiten der F-GmbH in ihr Vertriebssystem hat einspannen lassen.

Die Feststellungen des LG sind auch nicht ausreichend, um hieraus eine Unzulässigkeit des Vertriebssystems der F-GmbH zu folgern. Offen bleiben kann insoweit, ob ein solches Anlagemodell ein Einlagengeschäft in Form der Annahme fremder Gelder als Einlagen (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Fall 1 KWG) darstellt. Denn jedenfalls stellt es sich als Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Fall 2 KWG) dar. Diese Alternative setzt - ohne dass es auf die subjektive Zweckrichtung ankommt - lediglich voraus, dass Gelder angenommen werden, diese Gelder unbedingt rückzahlbar sind und es sich um Gelder des Publikums handelt. Im Streitfall sollte die F-GmbH Gelder in Form von Buchgeld von dem im Namen und für Rechnung der Klägerin handelnden Beklagten annehmen. Dabei handelte es sich um Gelder des Publikums; die Klägerin ist offensichtlich kein mit der F-GmbH verbundenes Unternehmen.

Zudem waren die Gelder auch unbedingt - einschließlich eines hundertprozentigen Zuschlags nach zehn Jahren - an die Klägerin zurückzuzahlen, da der Rückzahlungsanspruch unabhängig vom Geschäftserfolg der F-GmbH bestehen sollte. Das Betreiben eines Einlagengeschäfts ohne Erlaubnis ist aber nur dann unzulässig, wenn es gewerbsmäßig oder in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 32 Abs. 1 S. 1 KWG). Hierzu fehlen entsprechende Feststellungen des LG. Für die Annahme eines Sittenverstoßes in subjektiver Hinsicht ist grundsätzlich die Feststellung erforderlich, dass der Schädiger Kenntnis von den Tatumständen hatte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Vertriebssystems genügt jedoch, dass Funktionsträger es leichtfertig unterlassen haben, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern.

Das LG hat ausgeführt, dem Beklagten sei vorzuwerfen, dass er nicht in dem gebotenen Maße die rechtlichen Rahmenbedingungen des angebotenen Anlagemodells geprüft habe. Für ihn als Rechtsanwalt hätte es sich aufdrängen müssen, dass es sich dabei um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handelt. Zur Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände im Übrigen hat das LG darüber hinaus keine Feststellungen getroffen, weshalb auch aus diesem Grund das Urteil keinen Bestand haben konnte.

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