Handelssachen: Verweisung des Rechtsstreits wegen nur teilweiser funktioneller Zuständigkeit
LG Darmstadt v. 1.3.2024 - 18 O 34/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie war mit Gesellschaftsvertrag vom 28.2.2019 vom Beklagten und dessen Sohn A. mit jeweils 50 % Beteiligung gegründet worden. Der Beklagte war vom 19.9.2019 bis 30.09.2021 Geschäftsführer der Klägerin. Am 30.8.2019 bzw. 29.6.2020 veräußerten der Beklagte und A. einen Teil ihrer jeweiligen Geschäftsanteile an die B-GmbH. Als Übergabestichtage wurden der 1.9.2019 bzw. der 1.7.2020, frühestens jedoch die jeweiligen Tage der entsprechenden Einreichung der neuen Gesellschafterliste vereinbart. Mit Abtretungsvereinbarung vom 18.7.2023 trat die B-GmbH Ansprüche aus einem Garantieverstoß im Zusammenhang mit den Kaufverträgen an die Klägerin ab.
Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe für den Zeitraum 1.8.2019 bis 30.9.2021 ein Anspruch i.H.v. 24.982,33 € aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer zu und für den Zeitraum vom 28.2.2019 bis 31.8.2020 i.H.v. 20.773 € aus abgetretenem Recht aus Kaufvertrag gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Verkäufer, wobei sich die geltend gemachten Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG und Garantiehaftung zeitlich und der Höhe nach überschneiden würden. Es sei sachdienlich, die Ansprüche einheitlich zu behandeln, insbesondere, weil sie sich teilweise nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich überschneiden würden. Es werde eingeräumt, dass eine teilweise funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach vorherrschender Meinung nicht möglich sei.
Der Beklagte hat die örtliche und funktionale Zuständigkeit des LG Darmstadt - Kammer für Handelssachen - gerügt und einen Antrag auf Verweisung des Gesamtrechtsstreits an die Zivilkammer gestellt. Das LG hat den Rechtsstreit dem Antrag entsprechend gem. § 97 Abs. 1 GVG an die funktional zuständige Zivilkammer verwiesen.
Die Gründe:
Das Gericht ist funktional nicht zuständig, da Teile des Rechtsstreits nicht in die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen fallen.
Zwar erstreckte sich die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen auf die Ansprüche der Klägerin, die sie gegen den Beklagten als ihren ehemaligen Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG geltend machte, § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG. Demgegenüber wurden jedoch die Ansprüche, die die Klägerin aus abgetretenem Recht wegen Verletzung des anlässlich der Anteilsübertragung abgegebenen Garantieversprechens gegen den Beklagten erhoben hatte, nicht von dem Zuständigkeitskatalog des § 95 GVG umfasst. Insoweit lag keine Handelssache vor.
Außerdem erachtete das Gericht eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO für unzulässig, da sich die geltend gemachten Ansprüche zum Teil zeitlich und inhaltlich überschnitten und es sich insofern also um denselben prozessualen Anspruch handelte. Teilweise wurde nämlich der gleiche Anspruch sowohl auf § 43 Abs. 2 GmbHG als auch auf abgetretenes Recht aus einem Garantieversprechen gestützt.
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Die Klägerin ist eine GmbH. Sie war mit Gesellschaftsvertrag vom 28.2.2019 vom Beklagten und dessen Sohn A. mit jeweils 50 % Beteiligung gegründet worden. Der Beklagte war vom 19.9.2019 bis 30.09.2021 Geschäftsführer der Klägerin. Am 30.8.2019 bzw. 29.6.2020 veräußerten der Beklagte und A. einen Teil ihrer jeweiligen Geschäftsanteile an die B-GmbH. Als Übergabestichtage wurden der 1.9.2019 bzw. der 1.7.2020, frühestens jedoch die jeweiligen Tage der entsprechenden Einreichung der neuen Gesellschafterliste vereinbart. Mit Abtretungsvereinbarung vom 18.7.2023 trat die B-GmbH Ansprüche aus einem Garantieverstoß im Zusammenhang mit den Kaufverträgen an die Klägerin ab.
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Der Beklagte hat die örtliche und funktionale Zuständigkeit des LG Darmstadt - Kammer für Handelssachen - gerügt und einen Antrag auf Verweisung des Gesamtrechtsstreits an die Zivilkammer gestellt. Das LG hat den Rechtsstreit dem Antrag entsprechend gem. § 97 Abs. 1 GVG an die funktional zuständige Zivilkammer verwiesen.
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Das Gericht ist funktional nicht zuständig, da Teile des Rechtsstreits nicht in die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen fallen.
Zwar erstreckte sich die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen auf die Ansprüche der Klägerin, die sie gegen den Beklagten als ihren ehemaligen Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG geltend machte, § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG. Demgegenüber wurden jedoch die Ansprüche, die die Klägerin aus abgetretenem Recht wegen Verletzung des anlässlich der Anteilsübertragung abgegebenen Garantieversprechens gegen den Beklagten erhoben hatte, nicht von dem Zuständigkeitskatalog des § 95 GVG umfasst. Insoweit lag keine Handelssache vor.
Außerdem erachtete das Gericht eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO für unzulässig, da sich die geltend gemachten Ansprüche zum Teil zeitlich und inhaltlich überschnitten und es sich insofern also um denselben prozessualen Anspruch handelte. Teilweise wurde nämlich der gleiche Anspruch sowohl auf § 43 Abs. 2 GmbHG als auch auf abgetretenes Recht aus einem Garantieversprechen gestützt.
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Kommentierung § 97 GVG: Lückemann in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024