Herr und Frau im Onlinehandel - Unterlassungsanspruch einer Person nicht-binärer Geschlechtsidentität
OLG Frankfurt a.M. v. 14.4.2022 - 9 U 84/21
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die Klägerin besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität, seit Oktober 2019 lautet der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde "ohne Angabe".
Die Klägerin besitzt eine BahnCard der Beklagten und hatte sich seit Oktober 2019 vergeblich darum bemüht, die hierfür bei der Beklagten hinterlegten Daten hinsichtlich der geschlechtlichen Anrede anzupassen. Zudem ist es beim Online-Fahrkartenkauf als nicht registrierte Person im System der Beklagten zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als Frau oder Herr auszuwählen. Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung und Unterlassung gegen die Beklagte zu, da deren Verhalten diskriminierend sei.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Zwar stehe der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung nach §§ 21 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 19, 3 und 1 AGG zu, da die zwingende Auswahl einer Anrede als Frau oder Herr im Zusammenhang mit der BahnCard oder beim Online-Fahrkartenkauf eine Benachteiligung i.S.d. AGG darstelle. Jedoch sei der Beklagten eine Frist von einem halben Jahr einzuräumen, um den Eingriff zu beenden.
Ein Zahlungsanspruch aus § 21 Abs. 2 S. 3 AGG stehe der Klägerin nicht zu. Bei der gebotenen Abwägung sei das in der zögerlichen Umsetzung liegende Fehlverhalten der Beklagten im Hinblick auf den erfolgten Eingriff nicht als so schwer zu bewerten, als dass es die Zahlung einer Geldentschädigung begründe. Die Beklagte hat die von ihr zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen.
Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten war gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden war.
Damit verbleibt es bei dem vom LG ausgeurteilten und ab dem 1.3.2022 bestehenden Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gegen das Unternehmen. Dieses hat es zu unterlassen, die klagende Partei dadurch zu diskriminieren, dass bei der Nutzung von Angeboten der Beklagten zwingend eine Anrede als Frau oder Herr angegeben werden muss. Gleiches gilt für Fahrkarten, Schreiben, Rechnungen, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten mit der Bezeichnung als Frau oder Herr.
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Rechtsprechung
Geschlechtsneutrale Anrede im Onlinehandel
LG Frankfurt/M. vom 03.12.2020 - 2-13 O 131/20
Niclas Kunczik, ITRB 2021, 135
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OLG Frankfurt a.M. PM v. 19.4.2022
Die Beklagte ist Vertriebstochter des größten deutschen Eisenbahnkonzerns. Die Klägerin besitzt eine nicht-binäre Geschlechtsidentität, seit Oktober 2019 lautet der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde "ohne Angabe".
Die Klägerin besitzt eine BahnCard der Beklagten und hatte sich seit Oktober 2019 vergeblich darum bemüht, die hierfür bei der Beklagten hinterlegten Daten hinsichtlich der geschlechtlichen Anrede anzupassen. Zudem ist es beim Online-Fahrkartenkauf als nicht registrierte Person im System der Beklagten zwingend erforderlich, zwischen einer Anrede als Frau oder Herr auszuwählen. Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung und Unterlassung gegen die Beklagte zu, da deren Verhalten diskriminierend sei.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Zwar stehe der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung nach §§ 21 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 19, 3 und 1 AGG zu, da die zwingende Auswahl einer Anrede als Frau oder Herr im Zusammenhang mit der BahnCard oder beim Online-Fahrkartenkauf eine Benachteiligung i.S.d. AGG darstelle. Jedoch sei der Beklagten eine Frist von einem halben Jahr einzuräumen, um den Eingriff zu beenden.
Ein Zahlungsanspruch aus § 21 Abs. 2 S. 3 AGG stehe der Klägerin nicht zu. Bei der gebotenen Abwägung sei das in der zögerlichen Umsetzung liegende Fehlverhalten der Beklagten im Hinblick auf den erfolgten Eingriff nicht als so schwer zu bewerten, als dass es die Zahlung einer Geldentschädigung begründe. Die Beklagte hat die von ihr zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen.
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Damit verbleibt es bei dem vom LG ausgeurteilten und ab dem 1.3.2022 bestehenden Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit gegen das Unternehmen. Dieses hat es zu unterlassen, die klagende Partei dadurch zu diskriminieren, dass bei der Nutzung von Angeboten der Beklagten zwingend eine Anrede als Frau oder Herr angegeben werden muss. Gleiches gilt für Fahrkarten, Schreiben, Rechnungen, Werbung und gespeicherte personenbezogene Daten mit der Bezeichnung als Frau oder Herr.
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