19.08.2024

Holzvermarktungspraxis des Landes Baden-Württemberg in den Jahren 1978 bis 2015 war kartellrechtswidrig

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass der Klägerin gegen das Land Baden-Württemberg dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz wegen kartellrechtswidriger Vereinbarungen über die Vermarktung von Rundholz zusteht. Das Verfahren wurde zur Klärung der Schadenshöhe an das LG Stuttgart zurückverwiesen. Die Klage wurde teilweise abgewiesen, soweit Beschaffungsvorgänge des vermarkteten Holzes nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen wurden.

OLG Stuttgart v. 15.8.2024 - 2 U 30/22
Der Sachverhalt:
Von den Waldflächen in Baden-Württemberg gehören ca. 24 % dem Land Baden-Württemberg, ca. 38 % kommunalen Eigentümern (Gemeinden) und ca. 37 % Privateigentümern. Jedenfalls von 1978 bis 2015 vermarktete die Forstverwaltung des beklagten Landes ca. 68 % des sog. Rundholzes, das von diesen Waldflächen stammte, zentral. Dabei fasste sie die Holzmengen, die vom Land, den kommunalen und privaten Eigentümern stammten, jeweils zu einheitlichen Angeboten zusammen. Mit den kommunalen und privaten Eigentümern, die an dieser zentralen Vermarktung teilnahmen, hatte sie vereinbart, dass sie das Rundholz dieser Eigentümer zu den jeweils erzielbaren Marktpreisen bestmöglich verkauft.

Das Rundholz verkaufte das beklagte Land an Sägewerke. Die vom Land geforderten Preise variierten je nach Qualitätsstufe und Holzart, waren jedoch unabhängig von der Herkunft des Rundholzes, sodass für Rundholz aus Wäldern des Landes, der Kommunen und der privaten Eigentümer dieselben Preise verlangt wurden.

Wegen dieser gemeinsamen Vermarktung führte das Bundeskartellamt gegen das Land Ermittlungen durch und erließ zuletzt im Jahr 2015 eine Entscheidung, mit der es dem Land u.a. den gemeinschaftlichen Holzverkauf in der bisherigen Form untersagte. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Landes Baden-Württemberg wies das OLG Düsseldorf im Jahr 2017 zurück. Der BGH hob diese Entscheidung im Jahr 2018 aus formalen Gründen auf. Zum 1.9.2015 stellte das Land den gemeinschaftlichen Holzverkauf in der bisherigen Form ein.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin gegenüber dem beklagten Land im Rahmen einer Sammelklage die ihr von 36 Sägewerken abgetretenen Ansprüche geltend. Das Land habe durch den gemeinschaftlichen Holzverkauf einen schuldhaften Kartellverstoß begangen, aufgrund dessen die Sägewerksbesitzer im Zeitraum von 1978 bis 2016 überhöhte Preise für die Lieferung von Rundholz bezahlt hätten. Insgesamt sei hieraus ein Schaden i.H.v. rund 270 Mio. Euro entstanden. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin daher Schadensersatz i.H.v. insgesamt rund 270 Mio. Euro zzgl. Zinsen i.H.v. ca. 200 Mio. Euro.

Das LG wies die Klage ab, weil die Abtretungen der Ansprüche der Sägewerksbesitzer an die Klägerin gegen §§ 3 und 4 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen hätten und deshalb unwirksam seien. Die Klägerin sei daher nicht Inhaberin der von ihr verfolgten Ansprüche geworden.

Das OLG hat das Urteil des LG aufgehoben und einen Kartellverstoß des beklagten Landes bejaht. Es hat daher den Klageantrag hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Insoweit hat das OLG das Verfahren an das LG zur Klärung der Schadenshöhe zurückverwiesen. Von dem Grundurteil umfasst sind im Wesentlichen die Schadensersatzansprüche, denen Beschaffungsvorgänge zugrunde liegen, die entweder über das beklagte Land abgewickelt wurden oder - bei einem Erwerb des Rundholzes von einem Dritten - durch Rechnungen oder sonstige Belege nachgewiesen sind.

Im Übrigen hat der Senat den Klageantrag ungeachtet des bejahten Kartellverstoßes als unbegründet abgewiesen.

Das Urteil ist sowohl hinsichtlich des Teilgrundurteils als auch des klagabweisenden Teils nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Die Abtretung der Schadensersatzansprüche verstößt entgegen dem LG nicht gegen das RDG und ist daher wirksam. Das Gericht hatte sich daher - anders als das LG - damit zu befassen, ob ein Kartellverstoß vorliegt.

Verboten sind nach Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und die die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

Die Holzvermarktungspraxis des beklagten Landes begründet danach einen Kartellverstoß. Das beklagte Land hat durch die Vereinbarungen über die gemeinschaftliche Vermarktung und den gebündelten Verkauf des Rundholzes schuldhaft gegen das Kartellverbot aus Artikel 101 Absatz 1 AEUV verstoßen, soweit diese Vereinbarungen mit Kommunen getroffen worden sind, die über eine Waldfläche von mehr als 100 ha verfügt haben. Denn diese Kommunen hätten das Holz aus ihren Wäldern auch ohne Hilfe des Landes vermarkten können. Demgegenüber war kleineren Waldbesitzern eine Holzvermarktung nur mit der Hilfe des beklagten Landes möglich, so dass insoweit kein Kartellverstoß vorliegt.

Durch die Vereinbarungen mit den kommunalen Waldbesitzern mit einer Waldfläche von mehr als 100 ha ist der Wettbewerb spürbar beeinträchtigt worden. Das Land ist der Klägerin daher aufgrund der abgetretenen Ansprüche dem Grunde nach zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

Die Klagabweisung betrifft zum einen Schadensersatzansprüche aus Beschaffungsvorgängen, die nicht über das beklagte Land abgewickelt wurden, daher vom beklagten Land zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten werden durften und für die die Klägerin keine Nachweise vorgelegt hat. Außerdem hat der Senat den Klageantrag abgewiesen, mit dem die Klägerin rund 75 Mio. Euro zzgl. Zinsen i.H.v. rund 88 Mio. Euro verlangt hat. Insoweit hat die Klägerin die einzelnen Beschaffungsvorgänge, die den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen zugrunde liegen, schon nicht hinreichend dargelegt.

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OLG Stuttgart PM vom 15.8.2024
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